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Lippische Landes-Zeitung , 06.09.2002 :

Eklat im Prozess gegen mutmaßliche Neo-Nazis / Verfahren wegen Überfalls auf "alte Pauline": Kein Urteil

Detmold/Diemelstadt (Sam). Mit einem Eklat ging gestern der Prozess vor dem Detmolder Amtsgericht gegen zwei mutmaßliche Rechtsradikale ohne Urteil zu Ende. Sie sollen in Diemelstadt Jagd auf einen jungen Mann gemacht haben. Zudem wirft ihnen die Anklage vor, vor dem Kulturzentrum "alte Pauline" (Detmold) einen Gast mit einer Holzlatte zusammengeschlagen und zuvor volksverhetzende Parolen gegrölt zu haben. Richter Jochen Velhagen verwies den komplexen Fall ans Landgericht als übergeordnete Instanz, da er den Verdacht auf versuchten Totschlag erkannte. Dabei kam es zu einem tumultartigen Wortgefecht zwischen Velhagen und Strafverteidiger Dr. Holger Rostek.

Diemelstadt-Wrexen, 9. September 2001: Nach einem Konzert der Band "Die Zerstörer" soll der 19-jährige Bodo M. (Namen geändert) mit einem Baseballschläger bewaffnet einen 24-Jährigen durch die Straßen des nordhessischen Dörfchens getrieben haben. Nach eigenen Aussagen konnte der junge Mann nur entkommen, indem er sich auf einem Privatgrundstück versteckte.

Eine Anwohnerin erklärte, sie sei sich "zu 70 Prozent sicher", Bodo M. dabei gesehen zu haben, wie er auf ihrem Grundstück nach dem Gejagten suchte. Ob auch der mutmaßliche Komplize Michael P. (21) dabei war, konnte sie nicht sagen. Die beiden Angeklagten erklärten hingegen, sie seien nur zum "Pinkeln" auf dem Grundstück gewesen. Ihre Freunde bestätigten dies vor Gericht.

Zum Eklat kam es, als Richter Jochen Velhagen aufgrund der Aussagen von Opfer und Anwohnerin entschied, es gehe in dem Verfahren nicht länger nur um den Verdacht der Bedrohung, sondern um den des versuchten Totschlags. Und dafür sei das Landgericht zuständig. Den Komplex "alte Pauline" verwies der Richter ebenso an die übergeordnete Instanz.

Strafverteidiger Rostek warf dem Gericht "Willkür" vor. Er glaube den Zeugen kein Wort. Dass Velhagen einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens abgelehnt hatte, brachte Rostek in Rage. Dies sei ein eklatanter Verstoß gegen seine Rechte als Verteidiger. Velhagen blieb hart und kanzelte Rostek ab: "Vorbei, Tschüss. Das können Sie woanders vortragen." Rostek erbost: "Ich bin Organ der Rechtspflege. So lasse ich mich nicht aus dem Gerichtssaal verweisen."

Das Verfahren gegen den dritten Angeklagten Christian Z. wurde gegen Zahlung von 1.000 Euro eingestellt. An dem Überfall war er nicht direkt beteiligt, mit seinem VW Jetta waren die Hauptangeklagten jedoch vom Tatort "alte Pauline" geflüchtet. Dabei hätte er um Haaresbreite einen Gast, der den Wagen stoppen wollte, überfahren. Möglicherweise ist dies aus Panik geschehen, da er nach eigenen Angaben durch das offene Fenster gewürgt worden war.




Anmerkung von www.hiergeblieben.de: Artikel über Tobias Thomas Budde und Sven Dickmann.


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