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Lippische Rundschau , 06.03.1981 :

Gespräch im Rathaus über Wohnungsnot landete beim Thema Sanierung

DRK-Haus: Konservatoren sind sich selbst nicht einig / "Grauenhafte städtebauliche Wunde schnell schließen"

Detmold (hof). Mit einem Appell an die Bevölkerung, insbesondere für Studenten Wohnraum zur Verfügung zu stellen, leitete gestern der Detmolder Stadtdirektor Dr. Kross das turnusgemäße Pressegespräch im Rathaus ein, in dem es auch um Städtebau und Sanierung ging und damit letztlich um die künftige Gestaltung der "neuralgischen Punkte" in der alten lippischen Residenz. Zu seiner deprimierenden Feststellung, der Mietwohnungsbau sei "praktisch tot", kam Kross nachdem Technischer Beigeordneter Hans Dettling den Wunsch geäußert hatte, jetzt über einen Vermögenshaushalt zu verfügen, um "richtig klotzen" zu können: Er spielte damit auf "sehr gute Ausschreibungsergebnisse beispielsweise im Tiefbau" an. Auch auf Ausschreibungen von Abbruchmaßnahmen melden sich derzeit eine Fülle von Firmen, sogar aus dem norddeutschen Raum. "Jetzt können wir antizyklisch arbeiten, aber wir müssen leider die konjunkturellen Sinuskurven mitfahren ... " kommentierte der Technische Beigeordnete unter Hinweis auf die Tatsache, dass 50 Prozent der in der Bauwirtschaft Tätigen mit Aufträgen der öffentlichen Hand befasst seien.

Die Folgen des Darniederliegens der Bauwirtschaft bekommt auch Detmold beispielsweise in Gestalt des Stagnierens des Mietwohnungsbaues zu spüren. Der Stadtdirektor hat insbesondere den Zustrom von Studenten aus Lage im Auge - der Fachhochschulbereich Bauwesen kommt nach Detmold, womit es hier schlagartig 1200 FH-Studenten gibt, die Wohnungen suchen. Schon jetzt ist die Folge des Engpasses, dass die Studenten sich im 30-Kilometer-Umkreis einmieten, was dazu führt, dass jeder mit dem Auto in die Stadt fährt und der Bedarf an Pkw-Stellplätzen nicht reicht.

Die Stadt versucht, nach Dettlings Worten, in ihrem Sanierungsgebiet Hornsche Straße "besonders viel zu tun", wobei das Problem in den geforderten Naßzellen für jede "Studentenbude" besteht, was die Kosten in die Höhe treibt. Dettling, der froh darüber ist, dass mit dem Fundus der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) schon einiges getan werden könne, sprach sich dafür aus, den Vorstellungen der Studenten selbst weitgehend zu folgen und am besten ganze Wohnungen zu vermieten, die sich mehrere Bewohner teilen könnten.

Die Stadt ist zudem dabei, die Voraussetzungen für den Bau eines Studentenwohnheimes mit mehr als 60 Wohnplätzen an der Gutenbergstraße/Bielefelder Straße zu schaffen. Hier bereiten die notwendigen Stellplätze Schwierigkeiten. Die Stadt versuche zur Zeit, im Wege des Tausches ein angrenzendes Nachbargrundstück zu bekommen.

Beim Stichwort "Sanierungsgebiet Hornsche Straße" tauchte auch die Frage auf, ob die Stadt denn nicht doch besser das Angebot einer privaten Architektin annehmen sollte, die die Kopfbauten gegenüber der Einmündung Leopoldstraße erwerben will, um sie nicht nur für Praxis, sondern auch für Wohnräume zu sanieren. Statt dessen hat sich der Planungsausschuss - wie berichtet - kürzlich dafür ausgesprochen, dem DRK die Bauten zuzusprechen, dessen jetziges Domizil gegenüber, nämlich das Haus Nr. 38, der Regierungspräsident zu Abbruchzwecken erwerben will. Die Stadt habe das Haus Leopoldstraße 3 als Alternative für das DRK angeboten, sagte Dettling achselzuckend, während Kross auf die Zuständigkeit des "politischen Raumes" verwies, der sicherlich ein Versprechen gegenüber dem DRK im Auge gehabt haben dürfte. Schließlich leiste das Rote Kreuz für die Stadt eine erhebliche soziale Arbeit, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden könne.

Am Dienstag soll der Bauausschuss darüber entscheiden, ob "Nummer 38" fallen oder ob es unter Denkmalschutz gestellt werden soll. Der Rat werde abschließend über den gesamten Bereich am 26. März entscheiden, sagte Kross.

Die Entscheidung, die aller Voraussicht nach wohl für einen Abbruch fallen dürfte, nachdem bereits die benachbarten Klingenberggebäude abgebrochen sind, entbehrt indes nicht einer gewissen Brisanz. Der Landeskonservator hatte - die LR berichtete - das Haus als denkmalwert bezeichnet, nachdem - so Dr. Kross gestern - in einer früheren Stellungnahme keine denkmalpflegerischen Bedenken geltend gemacht worden waren. Der Verwaltungschef räumte jedoch ein, dass zwischenzeitlich eine Änderung in der Beurteilung von Bauten aus dem 19. Jahrhundert eingetreten sei.

Nachdem Landeskonservator Dr. Jahn in einem Gutachten für die Stadt jetzt erhebliche Bedenken geltend gemacht und empfohlen hatte, das Gebüde unter Denkmalschutz zu stellen, hat nun mit Schreiben vom 25.02. dessen Kollege Prof. Dr. Ellger gegenüber dem Vorsitzenden des Lippischen Heimatbundes, Staatssekretär Dr. Ebert, in anderer Weise Stellung genommen. Ebert hatte darum gebeten, nachdem der Leiter der Fachstelle für Denkmalpflege im Lippischen Heimatbund, Heinz Sauer, mit einigen Architekten öffentlich massive Kritik am Abbruch der Häuser an der Hornschen Straße geäußert hatte.

Dr. Kross: Die Fachstelle des Heimatbundes ist kein Richter ...

Prof. Dr. Ellger schreibt nun, ihm sei nach Gesprächen mit dem RP-Dezernenten Lt. Regierungsbaudirektor Sundermann, als er von den Abbruchvorhaben Hornsche Straße 38 bis 42 und von den Alternativen erfahren habe, "nach einem Überlegen" klar geworden, dass er den Abgang beider Baudenkmale werde hinnehmen müssen. Es handle sich um "eine Spätfolge der von uns immer bekämpften Verbreiterung der Hornschen Straße durch Abbruch ihrer gesamten Nordwand bis über die Einmündung der Leopoldstraße hinweg". Prof. Ellger bezeichnet dies als eine "Aktion, die es - vollends nach Errichtung des Parkhauses - nun notwendig macht, diese grauenvolle städtebauliche Wunde wieder zu schließen". Wenn dies auf detmoldische, das heißt der Stadtbaugeschichte entsprechende Weise geschehen solle, dann bedürfe es der gradlinigen Führung und einer Einfassung durch Hauswände. Die Beibehaltung der Häuser 38 und 40 würde nach dem Alternativplan zu urteilen eine Biegung in der Straßenführung und einen Arkadeneinbruch am Ende der schräg gegenüberliegenden denkmalwerten Bautengruppe erzwingen, "der seinerseits wiederum denkmalpflegerisch unerwünscht ist", schreibt Prof. Ellger weiter. In dieser Situation habe er beim Minister keinen Antrag auf Anwendung des Denkmalschutzgesetzes gestellt, da er sich doch nicht dazu durchringen könne, von ihm ein uneingeschränktes Engagement für die Erhaltung der Häuser 38 und 40 zu fordern.

Diese Stellungnahme, die offenbar im Kern von der des Landeskonservators Dr. Jahn abweicht, liegt am Dienstag dem Bauausschuss vor.

Während sich Technischer Beigeordneter Dettling um den Erhalt des wertvollen Interieurs des Hauses sorgt, schätzt Dr. Kross die Lage bereits so ein, dass - bei entsprechender Entscheidung des Bauausschusses - die zahlreichen wertvollen Kuriositäten dieses interessanten Gebäudes wohl nicht gesammelt erhalten bleiben würden. Von wertvollen Intarsientüren bis zur original mohammedanischen Gebetsnische reicht der Fundus, den offenbar in früheren Jahren ein Sammler zusammengetragen hat.

Mit Blick auf die städtebauliche Lücke, die schon durch Abriss der Klingenberg-Gebäude entstanden ist, sprach Kross den Wunsch aus, dass der Regierungspräsident es nicht nur mit einer eher vorsichtigen Andeutung bewenden lasse, wonach vielleicht dieser Bauabschnitt vorgezogen werden könne ... Der Stadtdirektor: "Der Zubau der Lücke an der Hornschen Straße sollte schnellstmöglich erfolgen, damit dort wieder eine vernünftige Eingangssituation geschaffen wird." Kross empfahl dem Rat, dies auch per Beschluss klar zu sagen.

Mit Blick auf die Äußerungen von Sauer und dessen Heimatbund-Fachstelle sagte der Verwaltungschef unmißverständlich, die dort formulierten Fragen seien sehr hart gestellt. Er sei der Auffassung, dass die Fachstelle mit ihrer Stellungnahme ihre Kompetenzen überschritten habe. "Man gewinnt ja den Eindruck, als ob sich die beteiligten Behörden vor dieser Fachstelle sozusagen wie vor einem Richter zu verantworten hätten!"

Die Frage des Schicksals des Hauses Nr. 38 sowie die des Verbleibs des Roten Kreuzes drängte die nächste Frage auf: die nach der Zukunft des Hauses Leopoldstraße 3, das als Ersatzlösung für das DRK im Gespräch war (in Nummer 5 soll nach dem Willen der Stadt die Stadtbücherei untergebracht werden). Kross ("ich habe Zweifel an einem Interesse des Landes") meinte, beide Gebäude sollten möglichst gleichzeitig saniert werden. Eine Nutzungsmöglichkeit des Hauses Nr. 3, das in einem sehr schlechten Zustand sei, sei indes noch nicht in Sicht.


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