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WebWecker Bielefeld , 11.08.2003 :

Flüchtlingsinitiativen kritisieren Ausländerbehörde

Von Mario A. Sarcletti

Wenig Mitgefühl zeigte der Kreis Gütersloh nach der versuchten Selbstverbrennung eines Türken in der Ausländerbehörde Rheda-Wiedenbrück. Flüchtlingsinitiativen in OWL sind über die Äußerungen der Behörden empört und protestierten in einer gemeinsamen Erklärung.

Der Bielefelder Flüchtlingsrat, das Internationale Beratungszentrum Detmold, das Bielefelder IBZ und das Friedensbüro Lemgo kritisieren in einer gemeinsamen Presseerklärung die Reaktionen des Kreises Gütersloh auf die versuchte Selbstverbrennung eines türkischen Mannes am 31. Juli in Rheda-Wiedenbrück. Sie seien "absolut menschenverachtend und zynisch", heißt es in der Presseerklärung, mit der sich auch das christlich geprägte Ökumenische Netzwerk Bielefeld zum Schutz von Flüchtlingen solidarisiert.

Der 33-Jährige hatte sich in der Ausländerbehörde Rheda-Widenbrück mit Grillanzünder übergossen und in Brand gesteckt. Polizeibeamten gelang es ihn zu löschen, er wurde mit lebensgefährlichen Verbrennungen in eine Spezialklinik in Gelsenkirchen eingeliefert. Hintergrund der versuchten Selbstverbrennung ist eine Ausreiseverfügung gegen den Mann, die jüngst vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt wurde. Die Verfügung war aufgrund von Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ergangen. Die Heirat einer Frau, die über eine Aufenthaltserlaubnis verfügt, hätte ihm allerdings die Wiedereinreise ermöglicht. Dass er trotz der Ehe erst ausreisen sollte, lässt die Flüchtlingsinitiativen nach dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie im Fall von MigrantInnen und Flüchtlingen fragen.

Nach der Verzweiflngstat kündigte Landrat Sven-Georg Adenauer an, dass der Selbstmordversuch in die Bewertung einfließen werde, wann der Mann wieder einreisen darf. Wenn man die weiteren Äußerungen Adenauers betrachtet, dürfte die versuchte Selbstverbrennung - falls der Mann sie überlebt - die Rückkehr zu seiner Familie verzögern: "Es ist unglaublich, mit welchen Mitteln die Ausreise verhindert werden sollte. Wir lassen uns auch künftig nicht unter Druck setzen, erst recht nicht durch solche Aktionen", zeigte der Landrat Härte.

Für die ist der Kreis Gütersloh unter Flüchtlingsinitiativen bekannt. Deshalb werten sie die Aussagen Adenauers auch nicht als "schuldabwehrende Schockreaktion", wie es in der Erklärung aus der vergangenen Woche heißt. Die Ausländerbehörde des Kreises sei bekannt für ihre Härte gegenüber Flüchtlingen und für eine rigorose Abschiebepraxis. "Von dem Versuch der Mitarbeiter "humane Lösungen zu finden", wie es der Landrat Adenauer bezeichnet, ist in vielen uns bekannten Fällen nichts zu spüren", beschreiben die Initiativen ihre Erfahrungen mit der Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh.

Einen Grund dafür, dass es nicht zu normalen menschlichen Reaktionen seitens des Kreises auf den tragischen Vorfall gegeben habe, sehen die Verfasser der Erklärung in der türkischen Herkunft des Mannes. "Da setzen scheinbar alle menschlichen Selbstverständlichkeiten aus und an ihre Stelle treten Zynismus und Menschenverachtung. Wir bezeichen das Messen mit verschiedenen Maßstäben an solchen Punkten als Rassismus", stellen die Flüchtlingsinitiativen klar.

Im Kreis leben etwa 40 Familien yezidischen Glaubens aus Georgien. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert für sie ein Bleiberecht aus humanitären Gründen. Auch sie wirft der Ausländerbehörde des Kreises anlässlich der versuchten Selbstverbrennung vor, "unsensibel, äußerst hartherzig und unmenschlich über das Schicksal hilfloser und schwer kranker Menschen Flüchtlinge zu entscheiden". Einer der Georgier, schwer an Diabetis erkrankt, war am 30. Juli abgeschoben worden, nur einen Tag vor dem Selbstmordversuch. Von Innenminister Behrens fordert die GfbV dem "Kesseltreiben gegen Flüchtlinge in den Kreisen Gütersloh, Lippe und Höxter endlich Einhalt zu gebieten, damit solche Verzweiflungstaten künftig ausgeschlossen werden könnten."


webwecker@aulbi.de

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