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Westfalen-Blatt , 03.12.2005 :

(Ostwestfalen-Lippe) In "Legoland" ging es bereits am 1. Advent weihnachtlich zu / Bundeswehr-Soldaten im Kosovo stimmen sich auf die festlichen Tage ein

Aus dem Kosovo berichtet Dirk Schröder

Prizren (WB). Für viele Bundeswehr-Soldaten im Auslandseinsatz ist es das erste Mal, dass sie Weihnachten und Neujahr nicht daheim bei Freunden oder mit der Familie verbringen können.

Dies gilt auch für die 2500 Bundeswehrangehörigen, die noch bis in den Januar hinein in der Multinationalen Brigade Südwest in Prizren im Süden des Kosovo zusammen mit Soldaten aus zwölf weiteren Nationen dafür sorgen, dass der Balkan endlich zur Ruhe kommen kann. Unter ihnen sind auch mehr als 800 Soldatinnen und Soldaten der Panzerbrigade 21 "Lipperland" aus Augustdorf, aber auch eine 90 Mann starke Pionier-Kompanie aus Holzminden, deren Angehörige vielfach in Höxter und Umgebung wohnen.

Der tägliche anstrengende und verantwortungsvolle Friedensdienst in der noch zu Serbien gehörenden Unruheprovinz lenkt die Soldaten zwar von den Gedanken an Zuhause ab. Doch gerade in dieser Vorweihnachtszeit verspüren die Soldaten des öfteren so etwas wie Heimweh - sind ihre Gedanken bei Frau und Kindern.

In allen Kompanien laufen bereits Vorbereitungen, um an Weihnachten auch festliche Stimmung aufkommen zu lassen. Die Pioniere aus Holzminden haben sich zusammen mit zwei weiteren Kompanien bereits am 1. Advent etwas besonderes einfallen lassen. In "Legoland", ihrem Wohnbereich, hatten sie am vergangenen Sonntag einen Weihnachtsmarkt auf die Beine gestellt, hinter dem sich so manche Stadt in Ostwestfalen-Lippe verstecken kann.

Zehn weihnachtlich dekorierte Stände und weihnachtliche Musik lockten die Soldaten aus dem gesamten Camp an und es herrschte dort ein buntes Sprachengewirr.

An den verschiedenen Zelten gab es allerlei Leckeres zu essen und zu trinken. Und auch die Völkerverständigung kam nicht zu kurz. Wann besteht schon einmal die Gelegenheit, mit Kameraden aus zwölf anderen Nationen Freundschaften zu schließen? Bei den Wachsoldaten aus Georgien war ein Foto zusammen mit den Soldatinnen der Bundeswehr der große Renner. Sie waren mit ihren Nikolaus-Mützen ja auch ein attraktiver Anblick.

Zudem reizte eine Tombola mit attraktiven Preisen zum Loskauf. Die Pioniere hatten vor dem Einsatz im Kosovo bei Firmen in der Heimat um Gaben für die Tombola gebeten, und diese hatten sich nicht knauserig gezeigt. Und die Soldaten wissen auch schon, was sie mit dem Erlös machen werden: Sie werden mit dem Geld zwei oder drei bedürftigen Familien in Prizren oder Umgebung helfen. Überwältigt zeigte sich auch Stabsfeldwebel Gerhard K.* von dem Erfolg des Weihnachtsmarktes. Nun überlegt der Spieß der Pioniere zusammen mit seinen Soldaten, auch an den nächsten Adventssonntagen etwas derartiges auf die Beine zu stellen.

Über einen Mangel an Arbeit können sich die Pioniere aber auch sonst nicht beklagen. Unterstellt einem italienischen Bataillon im 80 Kilometer entfernten Pec, sorgen sie zusammen mit einem bulgarischen Pionierzug dafür, dass alle an sie gestellten Aufträge erfüllt werden. So sind die Pioniere durchaus in der Lage, mit einer mittleren Baufirma zu konkurrieren. Bei mehreren Straßenbauprojekten haben sie ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. 2003 war das Feldlager noch eine riesige Baustelle, heute durchziehen gut ausgebaute Straßen das Camp.

Die Soldaten sind zudem in der Lage, Brücken zu erstellen und vieles andere handwerkliche zu leisten, was die Truppe benötigt. Zu der Pionierkompanie gehören zudem Minenspezialisten und eine Gruppe Diensthundeführer, die mit ihren Tieren Sprengstoff und Rauschgift aufspüren.

Die Pioniere haben auch schon Häuser für kosovarische Familien wiederhergerichtet und Spielplätze gebaut. Derzeit bauen sie mitten in Prizren eine 400 Meter lange Straße, die bisher ein verschlammter Weg war. An ihr wohnen 500 Menschen - Bosnier, Serben und Albaner - friedlich zusammen. Im gesamten Kosovo findet man so etwas nicht allzu häufig. In drei Wochen soll die Straße fertig sein. Die Bundeswehr ist dort bei den Menschen äußerst beliebt. Sie kommen aus den Häusern und bieten den Pionieren Tee oder Kuchen an. Oberleutnant Hendrik L. ist sehr beeindruckt: "Die Menschen sind arm, geben aber sprichwörtlich ihr letztes Hemd. Das ist auch Motivation für unsere Soldaten."

Und ein Anwohner hat auf die Frage, warum das Zusammenleben in dieser Straße klappt, eine einfache Antwort parat: "Wir haben uns vor, während und nach dem Krieg respektiert."

* Nachnamen auf Wunsch der Soldaten abgekürzt.

03./04.12.2005
bielefeld@westfalen-blatt.de

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