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Lippische Rundschau , 27.04.1988 :

Vier Detmolder vor Oberlandesgericht angeklagt / Sympathie-Kundgebung für RAF in der "Pauline"

Detmold (fjh). Vier mutmaßliche Sympathisanten der Rote Armee Fraktion (RAF) aus Detmold im Alter von 18 bis 27 Jahren müssen sich derzeit vor dem Staatsschutzsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts verantworten. Sie werden verdächtigt, im Oktober 1985 bei einer Veranstaltung im Kommunikationszentrum "alte Pauline" an der Bielefelder Straße für die RAF geworben zu haben (die LR berichtete gestern überregional). Zwei der vier Angeklagten leben derzeit noch in Detmold, die beiden anderen in Bielefeld. Letztere sind zum Auftakt des Prozesses nicht erschienen und werden jetzt per Haftbefehl gesucht. Die Polizei hatte von der Veranstaltung erfahren, weil die Redebeiträge im Buchladen Distel auslagen. Einer der gesuchten Angeklagten war auch die zentrale Figur bei den Krawallen während des Besuches von US-Vizepräsident George Bush in Krefeld 1983.

Aufgrund der Sympathie-Kundgebung für die RAF vor zweieinhalb Jahren sehen sich die Detmolder Politiker und Bürger bestätigt, die 1981 die Einrichtung des autonomen Kultur- und Kommunikationszentrums mit Skepsis verfolgt hatten. Dazu war es bekanntlich nach der Besetzung der ehemaligen Klingenbergschen Fabrik an der Hornschen Straße gekommen. Etwa 85 junge Leute hatten sich 1980 in dem Gebäude niedergelassen, das wegen der Erweiterung der Bezirksregierung abgerissen werden sollte. Der Abbruch konnte jedoch erst erfolgen, nachdem die Polizei die Fabrik in der Nacht zum 13. Januar 1981 geräumt hatte.

Schon während der Klingenberg-Aktion war der Ruf nach einem Zentrum für die "freie Kultur" laut geworden. Nach der Räumung fürchteten viel Politiker Unruhen und weitere Hausbesetzungen. In einem mit "Milli Tanz" und "Anna Schie" unterzeichneten Info wurde gedroht: "Die Zeichen stehen auf Sturm!" Vor diesem Hintergrund überließ die Stadt der Kulturinitiative Detmold (KID) die alte Pauline. SPD und FDP beschlossen im Hauptausschuss gegen die CDU einen Zuschuss von 25.000 Mark für die Einrichtung des autonomen Zentrums. Andere Kulturvereine fühlten sich benachteiligt. Keinem von ihnen zahlte die Stadt damals nämlich die Raummiete und Heizungskosten.

In der Residenz wurden Stimmen laut, die davor warnten, mit dem Kulturzentrum ein Forum für LInksextremisten zu schaffen. Führende Politiker wiesen solche Mutmaßungen zurück. Angesichts des Düsseldorfer Prozesses zeigt sich, dass diese Kritiker mit ihren Bedenken offenbar recht hatten.

Die Kriminalpolizei bestätigte gestern, dass im Umfeld der "alten Pauline" mehrmals ermittelt worden ist. Zu einer Anklage kam es aber nur im Fall der 85er Zusammenkunft. "Seitdem gibt es für uns keinen Anlass, die 'Pauline' als Problem einzustufen", stellte Kripochef Günter Meyn gegenüber der LR fest. Nach seiner Einschätzung sind die radikalen Kräfte "mehr und mehr ins Abseits geraten" und haben sich aus Detmold abgesetzt.

Die Stadt hatte mit dem autonomen Zentrum in den vergangenen Jahren nur einmal Ärger: Als dort Boykott-Veranstaltungen gegen die Volkszählung abgehalten wurden. "Da ist die KID von uns abgemahnt worden", berichtete der zuständige Kulturdezernent Ulrich Corbach.

Ansonsten, so der Beigeordnete, übe die Verwaltung keine Kontrolle in der "Pauline" aus. "In Detmold gibt es einen Bedarf an freier Kultur. Und der wird dort weitgehend abgedeckt", erklärte Corbach.

In diesem Jahr ist im Haushalt sogar erstmals ein Zuschuss von 7000 Mark für Projekte der KID veranschlagt worden.


wb@westfalen-blatt.de

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