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Kulturinitiative Detmold e.V. , 16.12.1984 :

alte Pauline

Anfang 1980 hat sich die Kulturinitiative Detmold e.V. (K.I.D.) mit dem Ziel, kulturelle und soziale Strömungen zusammenzufassen, gegründet. Sie ist das Ergebnis jahrelanger Bestrebungen von Gruppen und Einzelpersonen gewesen, in Detmold ein Haus zu finden, in welchem sie ihre kulturellen Vorstellungen verwirklichen können. Die K.I.D. bekundete gegenüber der Stadt Detmold Interesse an dem Gebäude der alten Klingenbergfabrik (Hornsche Straße), um dort ein Kultur- und Kommunikationszentrum einzurichten. Anträge, die an die Stadt Detmold gestellt wurden, wurden abgelehnt.

Das Interesse und der Bedarf an einem Kultur- und Kommunikationszentrum in Detmold wuchs, und so wurde, als kein Gebäude von der Stadt Detmold zur Verfügung gestellt wurde, am 29.11.1980 die ehemalige Klingenbergfabrik besetzt.

Am 12.01.1981 wurde das Gebäude im Auftrag des Regierungspräsidenten geräumt.

Die Forderung der K.I.D. nach einem Kultur- und Kommunikationszentrum blieb aber weiter bestehen. Nach mehreren Verhandlungen mit der Stadt Detmold, stellte diese der K.I.D. am 17.09.1981 das Gebäude der ehemaligen Paulinenschule (Bielefelder Straße) zur Verfügung. Seitdem gibt es in Detmold das "Autonome Kultur- und Kommunikationszentrum alte Pauline".

Funktion des Hauses:

- Gruppenarbeit: Es gibt mehrere Räume in der alten Pauline, die von interessierten Detmolder Gruppen zum Diskutieren, Arbeiten etc. benutzt werden können. Wichtig ist jedoch, dass diese Gruppen das Haus nicht nur als Konferenzort betrachten, sondern auch Bereitschaft zeigen, im Haus mitzuarbeiten.

- Veranstaltungs- und Kulturprogramm: Das Programm wird monatlich von Einzelpersonen, Gruppen und der Veranstaltungsgruppe organisiert. Ziel ist es, ein möglichst breitgefächertes Kulturprogramm zu ermöglichen.

- Treffpunkt: An bestimmten Tagen in der Woche ist das Café oder die Kneipe als Kommunikationsort für jede und jeden geöffnet.

Im letzten Jahr nahm das Verantwortungsgefühl der Benutzer der alten Pauline ab, keiner zeigte mehr Interesse, die anfallenden Aufgaben zu übernehmen, die Arbeit wurde nur noch sporadisch von wenigen geleistet. Dadurch verschlechterte sich die Atmosphäre so stark, dass auch die Besucherzahl der Kneipe und der Veranstaltungen zurückging.

Am 17. Juni 1984 kam es zu einer Krisensitzung aller an der alten Pauline Interessierten, auf der überlegt wurde, ob das Haus noch weiter als "Autonomes Kultur- und Kommunikationszentrum" bestehen bleiben kann oder anderweitig genutzt wird. Allen Versammelten war die Wichtigkeit eines solchen Hauses klar - über die Voraussetzungen für ein Weiterbestehen bestand jedoch Unklarheit. Schon vorher hatten einige von uns ein Konzept, wie frau/man die organisatorische Arbeit in der alten Pauline strukturieren könnte, entwicckelt. Das Konzept wurde als einziger Vorschlag auf der Krisensitzung eingebracht und andere, die diesen Vorschlag als mögliche Grundlage für eine Weiterentwicklung ansahen, schlossen sich ihm an.

So hat sich eine Gruppe gebildet, die seit Juni mehr oder weniger regelmäßig in der alten Pauline renoviert, und sich darüber hinaus jeden Donnerstag getroffen hat.

Während der Donnerstagstreffen haben wir versucht, das Konzept vom 17.06. weiterzuentwickeln, unsere persönlichen Vorstellungen über die Arbeit in der alten Pauline auszutauschen und zu klären, was Selbstverwaltung und Autonomie eigentlich heißt und welche Funktion die alte Pauline für uns und in Detmold hat.

Außerdem haben die Renovierungsarbeiten, weil das Geld und damit das Material fehlt, sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Bei unseren Renovierungsarbeiten haben wir festgestellt, dass der Fußboden des Veranstaltungsraumes so kaputt ist, dass der Raum kaum mehr nutzbar für Theater-, Tanz-, Musik-, usw. Veranstaltungen ist. Da uns das Geld für einen neuen Fußboden fehlt, haben wir Anträge an die Stadt Detmold auf die Finanzierung eines neuen Bodens gestellt. Über diese Anträge wird bei den Haushaltsdebatten im Januar entschieden - d.h., dass davon auch die weitere Nutzung des Veranstaltungsraumes abhängt. Bis dahin müssen wir den Kneipenraum nicht nur als Kommunikationsort, sondern auch als Veranstaltungsraum nutzen.

Wenn wir in diesem Flugblatt über Selbstverwaltung schreiben, reduzieren wir dieses auf die mögliche Selbstbestimmung der sogenannten Freizeit - die Realisierung selbstbestimmter Arbeit sollte Ziel sein, ihre Durchführung ist im kapitalistischen Gesellschaftssystem aber noch weniger greifbar.

Die Arbeit ist abhängig von der Freizeit und umgekehrt die Freizeit von der Arbeit. Dieses wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis zeigt sich in den verschiedenen Funktionen von Arbeit und Freizeit und beide Bereiche scharf voneinander abgrenzt.

Die Funktion der Arbeit ist uns allen klar - sie umfasst Existenzsicherung, Erfüllung einer Aufgabe, Beschäftigung, die Unterwerfung der Arbeitskraft unter die Produktions- und Verwertungsbestimmungen des Kapitals usw. usw. Die Freizeit hat die Aufgabe, die Arbeitskraft wiederherzustellen, d.h., die/der Lohnabhängige soll sich regenieren. Neben der Reproduktionsfunktion hat die Freizeit eine Integrations-, Anpassungs- und Manipulationsfunktion.

Die Freizeit ist repressionsärmer als die Arbeit. In diesem Bereich besteht daher eher die Möglichkeit, bewusstseinsverändernde Ansätze mit dem Ziel der Gleichberechtigung aller, einer kollektiven Emanzipation also, zu entwickeln. Solche Ansätze könnten sich auf den Bereich der Arbeit ausdehnen- eine Veränderung der Arbeitsbedingungen, eine Selbstbestimmung der Arbeit ist aber nur über die Arbeit selbst, nicht aber über eine Veränderung der Freizeit zu erreichen.

Zurück zur Selbstverwaltung: Sie geht von der Gleichberechtigung aller aus; deshalb ist zum Beispiel oberstes beschlussfassendes Gremium die Hausversamlung.

Jede/r, der Interesse am Haus hat, kann teilnehmen, seine Meinung äußern und an Entscheidungen mitwirken. Die Hausversammlung der alten Pauline findet 14-täglich donnerstags um 20.00 Uhr statt.

Nur über das Prinzip der Selbstbeteiligung möglichst aller Betroffenen lässt sich Selbstverwaltung realisieren.

Selbstverwaltung heißt aber auch, dass das Haus nicht immer durch ein und dieselbe Person vertreten wird, und dass alle Vorgänge im Haus für jeden transparent und offensichtlich sind, damit die Entscheidungen durch die Benutzer selbst getroffen werden und nicht faktisch durch irgendwelche Aktivisten.

Selbstverwaltete Zentren befinden sich in einer "inselartigen" Situation, d.h. sie bilden eine Ausnahme von der gesellschaftlichen Regel, denn Mitbestimmung, Selbstbestimmung, Selbstverwaltung sind nicht an der Tagesordnung.

Autonomie heisst, unabhängig zu sein. Konkret für die alte Pauline ist Autonomie eine Zielvorstellung, nämlich unabhängig zu werden von staatlichen finanziellen Mitteln. Denn finanzielle und materielle Unterstützung von Seiten des Staates beinhaltet immer eine Einflussnahme, sie ist immer zweckgebunden. Sein Ziel ist es, inhaltliche und organisatorische Strukturen zu beeinflußen.

Unabhängigkeit von Staatsknete können wir aber nur erreichen, wenn wir mit der Zeit eine breite und starke Basis werden, die das Haus trägt. Abhängig sind wir momentan noch von der Stadt Detmold, denn sie finanziert die Heizkosten des Hauses und hoffentlich die notwendigen Renovierungsarbeiten. Das heisst aber nicht, dass wir uns dadurch in ein Abhängigkeitsverhältnis zur Stadt Detmold setzen wollen; bei jeglicher Unterstützung, die wir bekommen, wollen wir versuchen uns nicht durch Bedingungen, die vielleicht an sie geknüpft sind, einschränken zu lassen. Die Hausversammlung wird sich die Entscheidung darüber, was mit dem Geld passiert vorbehalten.

Im Moment sind wir eine Gruppe von elf Leuten, die sich vorgenommen haben, die organisatorische Arbeit in der alten Pauline zu übernehmen. Dazu gehören der Thekendienst, Instandhaltungs- und Säuberungsarbeiten, die Buchhaltung und unter Mitwirkung der Hausversammlung das Organisieren von Veranstaltungen und die Öffentlichkeitsarbeit.

Bei dem Thekendienst, der Instandhaltung und den Putzarbeiten wollen wir uns abwechseln und für den Rest der Arbeiten Kleingruppen bilden. Eine Gruppe ist mit der Organisation der Kneipe beschäftigt und übernimmt damit die Verantwortung sämtlicher Einkäufe. Die Veranstaltungsgruppe sollte für ein möglichst ausgewogenes kulturelles Angebot mit Thater, Musik und Filmen sorgen. Begrüßen würden wir es auch, wenn Veranstaltungen zu politischen Themen in Zusammenarbeit mit im Haus tagenden Gruppen organisiert würden. Auch die im Zusammenhang mit Veranstaltungen stehende Werbung und Öffentlichkeitsarbeit gehört dazu.

Ebenfalls für die Öffentlichkeitsarbeit ist eine Kleingruppe vorgesehen, die zur Aufgabe haben soll, Informationen über das Geschehen im Haus an die Öffentlichkeit zu tragen.

Der Arbeitskreis "Finanzen" kümmert sich um den Haushalt der alten Pauline und gibt regelmäßig auf den Hausversammlungen Überblick über die finanzielle Situation.

Um einen ständigen Informationsfluss gewähren zu können ist es wichtig, dass sich eine Gruppe bildet, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert.

Diese Form der Organisation bildet unserer Meinung nach die Grundlage dafür, dass das Haus nutzbar ist und somit inhaltliche Arbeit geleistet werden kann.


soli@alte-pauline.de

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