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Lippische Landes-Zeitung , 15.09.2001 :

Bitterer Freispruch für Schnelle / Gericht: Keine Volksverhetzung, aber üble Aussagen sind erwiesen

Detmold (mah). Der Detmolder CDU-Ratsherr Hendrik Schnelle (25) ist gestern vom Detmolder Amtsgericht vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden. Gleichwohl sah Richter van der Sand es als erwiesen an, das Schnelle die ihm von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegten Äußerungen tatsächlich so getätigt hat. Schnelle wies dies entschieden zurück. Diese Sätze entsprächen weder seinem Vokabular noch seinem Gedankengut.

Laut Anklage soll Schnelle im Februar 1998 in einer Gaststätte gesagt haben: "Wir als weiße Rasse sind höher gestellt und mehr wert als die Schwarzen. Die Schwarzen haben nichts auf die Beine gestellt." Im Herbst 1998 soll er geäußert haben, man müsse alle Schwulen vergasen wie damals die Juden.

Van der Sand nach der Beweisaufnahme: "Ich bin davon überzeugt, dass Sie so gesprochen haben und halte das für ein starkes Stück. Ich bin sehr darüber bestürzt, dass solche Leute parteipolitisch tätig sind und halte dies für ausgesprochen bedenklich." Dennoch: "Ihre Äußerungen haben zwei Jahre den engen Teilnehmerkreis der Gaststätte nicht verlassen." Der Vorwurf der Volksverhetzungsei daher nicht zu halten. Ebenso wenig wie derjenige, zum Rassenhass angestiftet zu haben. Denn, erklärte der Richter: "Sie haben durch Ihre Äußerungen Schwarze allgemein beleidigt. Es geht in unserer Gesetzgebung aber nur um den Schutz der Bevölkerung innerhalb Deutschlands."

Die Anklage basierte auf den Aussagen dreier Zeuginnen, die mit Schnelle und seinen Freunden an den beiden Abenden zusammengesessen hatten. "Er zeigte sich entsetzt, als er hörte, dass ich einmal mit einem Schwarzen zusammen war. Wie ich denn so etwas tun könne", berichtete eine 22-Jährige. Grundtenor des Gesrächs sei gewesen, dass Schwarze minderwertig seien. An die wortwörtliche Formulierung könne sie sich nicht mehr erinnern. Eine Aussage, die Schnelle mit Kopfschütteln kommentierte – wofür ihn der Richter, wie kurz darauf noch einmal, rügte: "Ihr Verhalten zeugt von Missachtung des Gerichtes und der Zeugin und trägt nicht zur Wahrheitsfindung bei", mahnte van der Sand. Um zur Zeugin zurück zu kehren: Warum sie erst zwei Jahre später diesen Vorfall publik gemacht habe? "Ich habe Herrn Schnelles Wahlplakat gesehen. Wer solche Aussagen macht, sollte nicht in die Politik gehen." Eine andere Zeugin fand es schockierend, dass jemand sagt, Schwule sollten vergast werden: "Einige meiner Bekannten sind schwul. Ich kann mich deshalb gut erinnern."

Mehrere Zeugen widersprachen: "Solche extremen Äußerungen sind nie gefallen. Die Diskussionen waren sachlich und ruhig", befand ein 25-jähriger Freund des Angeklagten. Themen seien Familienpolitik und die Gleichstellung homosexueller mit heterosexueller Lebensgemeinschaften gewesen. Schnelle habe CDU-Positionen nie verlassen, sagte ein weiterer Zeuge. Er habe sich negativ über "kriminelle Ausländer und Asylbetrüger" geäußert, nicht jedoch über Ausländer im allgemeinen. Schnelle selbst hatte erklärt, in den Diskussionen sei es um die unterschiedlichen Lebensstandards in Afrika und im Westen gegangen.

"Freispruch! Das ist das Maximum"
Hendrik Schnelle

Oberstaatsanwalt Diethard Höhbrink ließ an der Glaubwürdigkeit der drei jungen Frauen keinen Zweifel: "Sie haben keinerlei Anlass, Herrn Schnelle wissentlich falsch zu belasten." Die Aussagekraft sei durch die anderen Zeugen nicht geschmälert worden. Es gehe auch nicht um den hundertprozentig exakten Wortlaut, sondern um den Inhalt – etwa um den "Wert" der Schwarzen. Höhbrink: "Sie haben in gut besuchten öffentlichen Gaststätten so gesprochen." Er forderte neun Monate Haft auf Bewährung und 120 Sozialstunden. Ganz anderer Meinung war Schnelles Rechtsanwalt Jürgen Mankratz: "Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, dass diese Sprüche gesagt worden sind. Und eine mögliche innere Einstellung reicht nicht aus." Die Zeuginnen seien unglaubwürdig, hätten sich an einige Details erinnern können, an andere nicht. Zu erregten Diskussionen oder gar Aufruhr in den Kneipen sei es nicht gekommen. Er forderte Freispruch.

Hendrik Schnelle ballte nach dem Urteil die Faust. Außer "Freispruch! Das ist das Maximum“, wollte er sich jedoch nicht zu dem Urteil oder zu seiner politischen Zukunft äußern. Einige der vielen Zuschauer quittierten den Richterspruch mit Klatschen und gratulierten dem 25-Jährigen. Andere forderten die CDU auf, nun endlich Konsequenzen zu ziehen: "Er konnte den Vorwurf der rassistischen Äußerungen nicht widerlegen. Versuche, die Aussagen als böse Unterstellungen einiger Detmolder Bürger abzutun, sind gescheitert", stellte Prozessbeobachter Dr. Klaus Pingsten fest. Sollten nun Konsequenzen ausbleiben, werde Schnelle immer mehr zur Belastung des CDU-Vorsitzenden Stephan Grigat.

CDU-Fraktionschef Jürgen von Olberg nannte die gerichtlich festgestellten Äußerungen Schnelles eine "Katastrophe, absolut inakzeptabel und verabscheuungswürdig". Die Fraktion werde am Montag beraten. Sie hatte ja bereits im Juni nach dem Bekanntwerden der Anklage Schnelles Rücktritt verlangt. "Dies hielte ich auch für besser", so von Olberg. Gleichwohl beurteile er den Prozess nunmehr als einen "gewollt vom Richter durchgeführten Schauprozess", der niemals hätte eröffnet werden dürfen. Von Olberg, selbst Anwalt: "Wenn ein Richter sagt: 'Die Aussagen sind so getroffen worden, es handelt sich jedoch nicht um Volksverhetzung', so ist das hanebüchen und eine Schweinerei. Denn dann hätte er vorher feststellen müssen, dass der Sachverhalt gar nicht strafbar ist."


Detmold@lz-online.de

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