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Lippische Landes-Zeitung , 07.02.1981 :

Anspruchsdenken

Die Leserbriefe in der Ausgabe vom 24.01.1981 zum Thema "Räumung der Klingenbergfabrik" waren weniger interessant wegen der überwiegend emotional gefärbten Äußerungen zur Sache als wegen der gesellschaftlichen Grundhaltung der Einsender. Erschütternd insbesondere das mangelnde Rechtsbewußtsein. Ein Haus steht leer, es scheint meinen Zwecken dienlich, also besetze ich es. Eigentümer und Besitzer werden nicht gefragt. Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem das Eigentum - und zwar auch das der öffentlichen Hand - verfassungsrechtlichen Schutz genießt (Art. 14 GG). Hausbesetzung ist Angriff gegen das Eigentum genau wie Diebstahl oder Unterschlagung. Der Zweifel an der Legitimität des Besitzers mag insbesondere bei der Jugend Folge mangelnder Aufklärung in Schule und Elternhaus sein. Dass aber Erwachsene, Pädagogen und sogar die Funktionärin einer staatstragenden Partei (gleich zweimal) sich hinter die Besetzer stellt, ist erschütternd. Wie weit haben Anspruchsdenken und Rücksichtslosigkeit die Grundwerte unserer Gesellschaft zerstört, zu denen auch die Achtung vor dem Recht des anderen gehört!

Aufgabe der Polizei ist es, der Rechtsordnung Geltung zu verschaffen. Sie hat sich dabei vorbildlich verhalten. Zahlenmäßig wurde sie erst dann verstärkt, als sich herausstellte, dass die Besetzer eine Konfrontation mit der Polizei provozieren wolten. Weshalb denn sonst die Verstärkung der Belegung mit etwa 80 Personen und die Vernagelung der Fenster und Türen in der Nacht des Einsatzes? Wenn der Einsatz der Polizei den Besetzern zwölf Stunden vorher bekannt war, hätte im Interesse einer Demonstration der behaupteten Gutwilligkeit nichts näher gelegen, als das Haus vorher zu verlassen. Hierzu waren übrigens die Besetzer von allen zuständigen Stellen laufend - vergeblich - aufgefordert worden. Von einer Nacht-und-Nebel-Aktion kann also auch keine Rede sein.

H. Hencke
Obere Schanze 2
Detmold

07./08.02.1981

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