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Lippische Landes-Zeitung , 24.09.1986 :

Kripo-Chef zu radikalen Tendenzen in Lippe

Neonazis kommen wegen des "Symbolwerts der Denkmäler"

Kreis Lippe. Die Aktionen extremistischer Gruppen - sie sorgten für erhebliches Aufsehen im Kreis Lippe. In einem Vortrag vor dem Jugendwohlfahrtsausschuss des Kreises nahm nun Günter Meyn, Leiter der Kreis-Kriminalpolizei, zu den Aktionen politisch-extremer Gruppierungen in Lippe und zu ihrer Einflussnahme auf junge Menschen Stellung. Dabei strich der Experte heraus, dass es sich bei den Verantwortlichen rechtsextremer Aktionen meist nicht um Bürger Lippes handele. Meyn: "In den meisten Fällen haben sie ihre Ursache in den hier vorhandenen Bau- und Naturdenkmälern, denen von rechten Gruppen besonderer Symbolwert zugemessen wird."

Bis zum Jahr 1983 seien die Aktivitäten rechtsextremistischer Gruppen im Kreis Lippe außerordentlich gering gewesen. Dies habe sich nach einem Treffen der "Aktionsgemeinschaft nationaler Sozialisten / Nationaler Aktivisten" (ANS/NA) im Herbst 1993 in Blomberg geändert. Beim Versuch einer Fahnenweihe im November des gleichen Jahres an den Externsteinen wurden 18 Personen vorübergehend festgenommen - nur zwei von ihnen waren Lipper. Im Mai 1985 tauchte eine neue Gruppenbezeichnung für rechtsextreme Gruppierungen auf: Im Namen der "Cherusker-Jugend" wurden rechtsradikale Parolen verbreitet.

Die Aktionen dieses Jahres nun machten auch über den lippischen Raum hinaus Schlagzeilen: das geplante, dann jedoch abgesagte Treffen ehemaliger Angehöriger der SS-Panzerdivision "Totenkopf" im Mai in Detmold und die Zusammenkunft der Wiking-Jugend mit dem "Glaubensbund wesensgemäßer Daseinsgestaltung" im Juni in Horn-Bad Meinberg. Meyn: "In beiden Fällen war festzustellen, dass die Teilnehmer nahezu ausschließlich außerhalb des Kreises Lippe ihren Wohnsitz hatten. Bemerkenswert war jedoch bei der Veranstaltung in Horn-Bad Meinberg die ausgeprägte Gewaltbereitschaft der Angehörigen der Wiking-Jugend.

Verbindungen zu rechtsradikalen Gruppen waren auch bei einem Zeltlager der Cherusker-Jugend im Juli dieses Jahres in Augustdorf festgestellt worden. Das Fazit des Experten lautete jedoch: "Dennoch umfasst der Kern hier lediglich sechs bis sieben Personen."

Auf zehn bis zwölf Personen wurde hingegen der "harte Kern" beziffert, der das Geschehen in der linksextremistischen Szene bestimmt. Meyn: "Die Ursprünge für verstärkte Aktivitäten im linken Bereich liegen eindeutig in der Besetzung und späteren Räumung der ehemaligen Fabrik "Klingenberg" Ende 1980 / Anfang 1981." Ein Teil des damals entwickelten Kerns sei im Juni 1983 anlässlich des Besuchs des amerikanischen Vizepräsidenten in Krefeld bei gewalttätigen Demonstrationen in Erscheinung getreten. Eine Beteiligung an Anschlägen auf Nixdorf-Computer im Mai 1984, Farbschmierereien in der Innenstadt Detmolds, ein Brandanschlag im Oktober 1985, der sich gegen die Mercedes-Vertretung in Lage richtete, gingen - so Meyn - außerdem auf das Konto der Linksradikalen.


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