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Die Glocke , 21.08.2003 :

Über Gütersloh nach La Hague / Atom-Transport rollt durch die Stadt

Von Gerrit Dinkels

Gütersloh (gl). Nahezu unbemerkt ist gestern Morgen gegen 9 Uhr ein Atomtransport durch den Gütersloher Bahnhof gerollt. Die vier geladenen Castor-Behälter enthielten verbrauchte Brennelemente aus den Kraftwerken Stade und Brockdorf. Der Zug mit der brisanten Fracht setzte seine Fahrt über Dortmund fort zum Kraftwerk Grafenrheinfeld (Bayern). Ziel der Reise: die französische Wiederaufbereitungsanlage La Hague. Nahezu unbemerkt heißt, dass in Gütersloh außer der Polizei offenbar niemand davon Kenntnis hatte. So wusste beispielsweise weder das Rathaus noch die Feuerwehr Bescheid. Feuerwehr-Chef Hans-Joachim Koch auf "Glocke"-Anfrage: "Wir waren nicht informiert." Er hält das auch nicht für besonders problematisch, schließlich gelten die Transporte als sicher, so Koch. Für einen regelrechten "Skandal" hält indes Rüdiger Mönig, Sprecher der Greenpeace-Gruppe Bielefeld-Gütersloh, dass "im Regelfall die örtlichen Katastrophenschutzbehörden nicht informiert werden". Die Castor-Behälter (Cask für Storage and Transport of Radioactive Material) seien häufig nur per Computersimulation getestet worden und damit eben nicht sicher. Greenpeace vertritt bekanntlich - wie andere Atomkraftgegner - die Auffassung, abgebrannte Brennelemente sollten an den Kraftwerken verbleiben. Transporte wären damit überflüssig. Tatsächlich werden die Atomtransporte in der Praxis offenbar eher als polizeiliches Problem gesehen. Bekannt sind die Szenen von den Zwischenlagern Ahaus und Gorleben, wo sich beispielsweise Atomkraftgegner an Gleise gekettet hatten. Wenn das Bundesamt für Strahlenschutz (Salzgitter) einem Kraftwerksbetreiber einen Castor-Transport bewilligt hat, übernehmen Bundesgrenzschutz und Deutsche Bahn die Regie. Zeitpunkt und Route werden vertraulich behandelt. "Wir treffen unsere Maßnahmen, damit die Transporte sicher über die Bühne gehen", sagte Jörg Bittner, Sprecher des Bundesgrenzschutzes in Köln, der "Glocke". Er bestätigte den gestrigen Transport, der morgens um drei in Stade gestartet und gegen neun durch Gütersloh gefahren sei. Wie bei jedem Gefahrgut-Transport müssten Auflagen erfüllt werden. Darüber hinaus will er "nicht zu viel preisgeben, denn wir wollen uns ja nicht in die Karten schauen lassen". Im Normalfall wird die Bezirksregierung informiert, welche die Polizeidienststellen an der Strecke verständigt. Polizeioberrat Jürgen Siebel, Leiter der Inspektion Gütersloh: "Zu Einzeltransporten kann ich keine Auskunft geben, aber es gibt vorbereitete Pläne." Dazu gehört auch, dass die Bahn erst kurz vor dem Start entscheidet, welche von mehreren alternativen Routen der Tross nimmt. Laut Mönig ist der Transport gestern nicht der erste durch die Dalkestadt gewesen. Aber üblicherweise werde für Fracht aus den norddeutschen Kraftwerken die Strecke Bremen - Münster bevorzugt. Nach Angaben des Bundesamtes werden jedes Jahr etwa 100 Behälter mit verbrauchten Brennelementen durch die Republik gefahren - mithin längst Routine. Aber was für die einen Routine ist, bleibt für besorgte Skeptiker ein Ärgernis.

Die genehmigten Transporte und das Datum lassen sich im Internet einsehen unter www.bfs.de


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