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Neue Westfälische , 08.12.1986 :

Wie das BKA den Bombenanschlag von Jens K. auf Siemens verhinderte / Zu sorglos im "sicheren Umfeld"

Von Karl-Heinz Steinkühler

Bielefeld (Eig. Ber.). Sie kamen am Donnerstagmorgen zu Dienstbeginn. Die Terrorfahnder des Bundeskriminalamtes (BKA) machten, für die Bielefelder Polizei völlig überraschend, Quartier in ihrem Präsidium am Kesselbrink. Amtshilfe brauchten die Spezialisten aus Wiesbaden bei ihrem geolanten Einsatz in der Stadt am Teuto nicht. Sie hatten von der BKA-Zentrale aus ihren Einsatz vorbereitet und eingeleitet. Das Ziel war die Nordstraße im Bielefelder Sanierungsviertel Kamphof. Hier, wo unter anderem die Hausbesetzerszene Unterschlupf gefunden hat, wollten die Beamten den Drahtzieher eines neuen linksterroristischen Anschlags auf ein Gebäude des Elektronikgiganten Siemens festnehmen.

Die BKA-Leute waren ziemlich sicher, erfolgreich zu sein. Denn schließlich waren die Vorermittlungen so vielversprechend verlaufen, dass Generalbundesanwalt Kurt Rebmann keinen Moment zögerte, die BKA-Leute mit einem Haftbefehl, ausgestellt auf den 24-jährigen Studenten Jens K., und einem Hausdurchsuchungsbefehl für das Haus Nordstraße 32 nach Bielefeld zu schicken.

"Freiheit für Günter Sonnenberg (verurteilter RAF-Terorist, d. Red.) und uns alle" steht gleich am Anfang der Nordstraße an einer Häuserfront zu lesen. Es folgen Kampfparolen in Rot und Blau, zumeist mit Bielefelder Lokalbeziehung, an fast allen Gebäuden der Straße im Westen der Stadt. Nur das Haus Nummer 32 hebt sich ab durch eine strahlend weiße Front. Es ist vor einiger Zeit renoviert worden. Im Parterre, unten links, hat sich Jens K. zusammen mit seiner Freundin eingemietet. Im Obergeschoss sind die Fenster durch große rote Bettlaken verhängt, so ist es üblich - auch in der Nachbarschaft.

Jens K. plante den großen Coup. Er wollte, nachdem er vor einigen Jahren durch Kleben von gefälschten RAF-Fahndungsaufrufen mit Politikerköpfen als Fotos in Herford aufgefallen war, sich durch eine Gewalttat der linken Terrorszene für "höhere Aufgaben" empfehlen. Aus linken Druckschriften hatte er sich die Anleitung zur Bombengerstellung besorgt, der Entwurf
seines "Bekennerschreibens" enthielt zum Teil die gleichen Formulierungen, wie sie bei Anschlägen der vergangenen Monate in anschließenden Schreiben der Attentäter gebraucht worden waren. Diese Schriften werden in der Szene gehandelt und sind leicht zu erhalten.

Möglich ist freilich auch, dass Jens K. und seine Gesinnungsgenossen "RAF-ferngesteuert" den Bombenanschlag auf Siemens planten. Jens K. fühlte sich seiner Sache ziemlich sicher. Er traf seine Vorbereitungen nicht gerade im verborgenen. Mehrmals korrespondierte er zuletzt handschriftlich mit einsitzenden und verurteilten RAF-Terroristen. Das seiner Meinung nach "sichere Umfeld" mag ihn zur Leichtsinnigkeit verführt haben. Denn dass die BKA-Fahnder gezielt informiert wurden, das wird zwar nicht offiziell bestätigt, lässt sich aber aus Hinweisen schließen.

Als die BKA-Leute die Wohnung von Jens K. stürmten, war er so überrascht, dass er sich nicht wehrte. Bereits in ersten Vernehmungen gab der 24-jährige Student am Oberstufenkolleg Hinweise, wo er das andere Material zum Bombenbau gelagert hatte. Obwohl die Bundesanwaltschaft gestern die Anlage von Erdbunkern dementierte, sah man allerdings die BKA-Leute am Freitag im Garten des Hauses Nordstraße 32 buddeln. Noch im Laufe des Freitagabends waren alle vier 30 Kilogramm schweren Gasflaschen in verschiedenen Verstecken in Bielefeld entdeckt.

Am Samstagmorgen dann erfolgte aus Karlsruhe die schriftliche Bestätigung des Haftbefehls gegen Jens K. Die Arbeit des BKA war getan. So lautlos und überraschend die Mannschaft aus Wiesbaden angerückt war, so schnell verschwand sie auch wieder.

Auftrag erfüllt: Ein verheerender Bombenanschlag war vereitelt worden.


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