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Schaumburger Zeitung , 03.08.2000 :

Drohbrief: "Kinder muss man schützen. NSDAP"

Rinteln (cok). Sein Briefkasten war verklebt mit Naziaufklebern, und am Montag der letzten Woche fand sich darin ein Drohbrief: "Hallo, wie uns bekannt ist hast Du Kinder ... ", unterschrieben mit "NSDAP". Seitdem schlafen die Kinder des bedrohten Rintelners bei Verwandten.

"Es ist kein Wunder, dass sie es gerade auf mich abgesehen haben", meint N. (vollständiger Name ist der Redaktion bekannt). "Bei mir treffen sich täglich bis zu 30 Jugendliche aller Nationalitäten. Wir gelten als alternativ, als links und haben ja auch schon entsprechende Aktionen gemacht." So stammt zum Beispiel das Plakat "Gewalt ist out, ich bin einer der nicht haut" aus seiner Werkstatt und ein ebenso gestalteter Button lag dem Drohschreiben auch bei. N. ist auch ziemlich klar, wer hinter der Unterschrift "NSDAP" steckt: eine feste Clique von fünf Leuten im Alter zwischen 15 und 25 Jahren, die sich erklärtermaßen als "Nazis" verstehen.

"Die kleben überall in Rinteln ihre Naziaufkleber hin, die wir dann wieder abreißen. Sie schreiben üble Drohungen an einzelne Häuser und verfolgen einzelne ausländische Jugendliche und Skater mit ihrem Ford Fiesta." Eine Gruppe von Jugendlichen ist gerade bei N. zu Besuch. Sie bestätigen seine Ausführungen, sprechen von den "Rintelner Faschos" und davon, dass einige von ihnen schon mehrmals bedroht worden seien, dass sie ständig beobachtet und sogar fotografiert würden. N. hat bisher zwei Mal Anzeige bei der Rintelner Polizei gemacht, gegen "Unbekannt", weil er noch keinen der von ihm Verdächtigten auf frischer Tat ertappt hat ("Darauf warte ich noch"). Der verklebte Briefkasten wurde polizeilich begutachtet, der Drohbrief allerdings seiner Befürchtung nach eher als Scherz abgetan, aber nach Hameln an die zuständige Dienststelle weitergeleitet. Dort ist er, wie zu erfahren war, gerade erst angekommen, und der Sache soll nachgegangen werden. Dies bestätigte gestern ein Sprecher der Kripo Hameln gegenüber dieser Zeitung. Der Drohbrief werde durchaus ernst genommen, es werde jetzt gegen einen der mutmaßlichen Täter, dessen Name den Ermittlungsbehörden bekannt sei, ermittelt. Hier der genaue Wortlaut des Drohbriefes: "Hallo (Vorname), wie uns bekannt ist, hast Du Kinder. Kinder sind wertvoll. Kinder muß man schützen. Also darf man sie nicht in Gefahr bringen. NSDAP. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste."

Er verstehe nicht, so N. im Gespräch mit dieser Zeitung, warum die Rintelner Polizei nicht mal Streife fahre, wenn die "Nazis" sich zu ganz bestimmten Nachtstunden in der Nähe seines Hauses träfen. "Sobald die merken, dass sie von der Polizei beobachtet werden, verkrümeln die sich. Die brauchen das!" Aus der Rintelner Polizeidienststelle hieß es, dass die Streifen informiert worden seien und Auftrag hätten, ein Auge auf den roten Fiesta zu haben. "Allerdings haben wir noch keine Überprüfungen vorgenommen", so ein Beamter. "Ein Mitglied der Gruppe gehört zur NPD. Wenn die Plakate kleben, dann ist das erstmal schlimmstenfalls Sachbeschädigung." Er gehe aber davon aus, dass in Sachen Drohbrief ein "Verdacht der Bedrohung" bestehe. "Solche Sachen muss man ernst nehmen." Vielleicht war das nur ein betrunkener "Scherz" einer Gruppe gelangweilter und enttäuschter junger Leute. Vielleicht aber auch nicht ...


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