www.hiergeblieben.de

Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. , 22.08.2000 :

Am 30.08.2000 jährt sich der Todestag von Rachid Sbaai / Noch immer werden Flüchtlinge in der JVA Büren arrestiert /Demonstration und Mahnwache zum Todestag

"Anquithouni! Anquithoni! (Rette mich! Rette mich)" über zehn Minutenlang musste ein Mithäftling am 30.08.1999 mitanhören, wie Rachid Sbaai um sein Leben kämpfte, bevor er an einer Rauchvergiftung starb. Und obwohl wahrscheinlich beide Gefangene auf einen Alarmknopf drückten, konnte Sbaai nicht gerettet werden. Das Büro, in welchem diese Alarme zusammenlaufen war nicht besetzt.

Am Montag, den 30.08.1999, wurde gegen Rachid Sbaai in der JVA Büren eine 7-tägige Arreststrafe verhängt. Es war am Freitag zuvor während eines Fußballspiels mit anderen Gefangenen zu einer Auseinandersetzung gekommen. Aus diesem Grund veranlassten die zuständigen Beamten am Montag Morgen die Verbüßung des Arrestes in einem speziell dafür vorgesehenen Raum im Keller eines Hafthauses. Hier setzte Rachid Sbaai gegen 11.15 Uhr die Matratze seiner Arrestzelle in Brand.

Aus dem Obduktionsbericht und dem Todesermittlungsbericht der Polizei läst sich schließen, dass Sbaai versucht hat, den Brand selber zu löschen. Ob er dabei auch den Hausalarm betätigt hat, kann nicht mehr geklärt werden. Die Polizei hat vergessen, von dem Sensor Fingerabdrücke zu nehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er ihn gedrückt hat, ist jedoch sehr hoch. Ist dieser Knopf doch die einzigste Verbindung mit der Außenwelt. Fakt ist, dass beim Eintreffen der Polizei der Knopf betätigt war. Nachdem Mitarbeiter der JVA den Sensor ausgebaut hatte, behaupteten sie, der Alarmknopf sei durch Löscharbeiten eingeschaltet worden, obwohl der Sensor sich genau gegenüber der Brandstelle und damit außerhalb des Löschbereiches befunden hat.

Ein Mithäftling, der sich zwei Zellen weiter im Arrest befunden hatte, wurde durch Rauch, der sich über die Belüftungsanlage verbreitet hatte, aufmerksam. Er hörte Sbaai schreien „Rette mich! Rette mich!“. Selber in Luftnot geraten, versuchte er, die Scheibe seiner Zelle einzuschlagen. Er drückte den Alarmknopf in seiner Zelle. Die Schreie von Sbaai verstummten. Erst 10 bis 15 Minuten später kamen die ersten Beamten. Rachid Sbaai verstarb in dieser Zeit.

Wenn ein Gefangener in den Arrestzellen der JVA Alarm auslöst, so wird dieser an acht Stellen innerhalb der JVA angezeigt. Doch da nur eineinziger Beamter zuständig ist, wurden die anderen Alarmanzeigen offensichtlich nicht beachtet. Der zuständige Beamte konnte allerdings die Alarme auch nicht wahrnehmen, da er sich, nach eigenen Angaben gegenüber der Polizei, nicht im betreffenden Büro aufhielt. Dieses Vorgehen wird durch die Dienstanweisung des Anstaltsleiters, Peter Möller, abgedeckt. Sie sieht eine ständige Besetzung des Büros mit der Alarmzentrale nicht vor. In dem Keller selber befanden sich auch keine Beamten, so dass erst bei einem Routinerundgang der Brand entdeckt wurde.

Bevor die Polizei eintraf, wurde der oben genannte Zeuge in ein anderes Stockwerk des Gefängnisses verlegt. Erst als der Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V." in einem offenen Brief auf ihn aufmerksam machte, teilte die JVA der Staatsanwaltschaft den Namen des Zeugen mit.

Noch heute berichten Gefangene, die im Arrest waren, dass sie beim Drücken bis zu 30 Minuten vergehen, bevor ein Mitarbeiter der JVA reagiert. 30 Minuten, in den unter Umständen jede Hilfe zu spät kommt.

Noch immer ermittelt die Staatsanwaltschaft Paderborn. Es ist zu klären inwieweit die JVA eine Mitschuld an den Tod von Rachid Sbaai hat. Lag ein Organisationsverschulden vor? Hat die JVA ihre Fürsorgepflicht verletzt? Könnte Rachid Sbaai noch leben, wenn die ausgelösten Alarme beachtet worden wären?

Die JVA jedenfalls sieht in dem Vorfall keinen Grund, die Arrestierung von Gefangenen zu unterlassen. Noch immer werden Gefangene für Lappalien tagelang in den Arresträumen eingesperrt. Noch immer müssen sie lange warten, wenn sie Alarm auslösen. Lediglich die Montage von Rauchmeldern wurde beantrag.

Unser Verein bat schon zweimal um Erlaubnis, eine Gedenktafel für den Verstorbenen an der JVA anbringen zu dürfen. Dieses wurde vom Justizministerium bisher immer wieder abgelehnt. Eine Gedenktafel und die damit verbundenen Veranstaltungen würde nur den "geregelten Dienstablauf stören". Außerdem sieht man kein Zusammenhang zwischen dem Tod von Rachid Sbaai und der JVA Büren.

Der Name Rachid Sbaai soll nach und nach hinter Aktendeckeln verschwinden, die Erinnerungen ausgelöscht werden. Um genau dieses zu Verhindern, veranstalten wir am 30.08. dieses Jahres um 18.30 Uhr eine Mahnwache vor dem Tor der JVA. Ferner veranstaltet die Büren - Gruppe des Bund Deutscher Pfadfinder - Infoladen Paderborn, in Zusammenarbeit mit dem Antifaschistischen Jugendplenum Soest, am 16.09.2000 eine Demonstration in Soest. Treffpunkt ist um 11.00 Uhr der Bahnhof. Von da aus zieht der Demonstrationszug zur Ausländerbehörde, die den Haftbeschluss gegen Sbaai veranlasst hatte.


gockel@gegenabschiebehaft.de

zurück