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Bünder Tageblatt / Neue Westfälische , 16.02.1993 :

Quatsch, aber traurige Realität

Zur Berichterstattung über eine Veranstaltung der Bünder "Antifa" (NW vom 8. Februar) erhielten wir folgenden Leserbrief:

" ... wenn mir mein unbekanntes Gegenüber weißmachen will, die Klageschriften unterstellen, dass Autonome schon im Kindesalter Terrorakte begangen hätten, dann ist das Quatsch." Natürlich ist das Quatsch, aber leider traurige Realität, denn die Generalstaatsanwaltschaft Celle und das LKA Hannover ermitteln nach § 129a gegen fünf 13 bis 17 Jahre alte Göttinger Jugendliche, die nach Auseinandersetzungen mit Rechtsextremisten am Wohnhaus des inzwischen ausgewiesenen österreichischen Neonazis Polacek (FAP) auf dem Heimweg festgenommen wurden. Ihnen wurden Anschläge zur Last gelegt, die bis zu 4 Jahren zurückliegen, die sie also im Alter von 9 bis 13 Jahren begangen haben müssten (vgl. die tageszeitung vom 15.05.1992).

Doch mehr als um das Gewaltpotential autonomer Gruppen sorgen sich die Staatsschutzorgane der BRD offenbar um die politischen Initiativen, die von der Autonomen Antifa (M) aus Göttingen und anderen Antifa-Gruppen der BRD, darunter auch der Antifa Bünde ausgehen, die nämlich mit der Gründung der "Antifaschistischen Aktion - bundesweite Organisation" versuchen, zu einem politischen Faktor zu werden, der für mehr steht, als für einen Haufen vermummter Menschen. Wie ist es sonst zu erklären, dass interne Protokolle der bundesweiten Treffen nicht nur den Weg in die Archive der Staatsschutzorgane, sondern von dort auch in die "Welt am Sonntag" vom 06.12.1992 fanden? Wir sind zutiefst besorgt darüber, dass die Staatsschutzorgane hier offensichtlich die Presse mit Erfolg wieder einmal für sich funktionalisieren. Auch die NW bildet hier keine Ausnahme (s. Artikel "RAF und Autonome Hand in Hand" vom 19.01.1993).

Dass in einem solchen politischen Klima, Versuche, in der Presse Erwähnung zu finden, zu einem Drahtseilakt zwischen Informationsvermittlung und Schutz der individuellen Person als Repräsentant/in einer von Kriminalisierung bedrohten Gruppe werden, ist nur verständlich. Spätestens seit dem tödlichen Paketbombenattentat auf Kerstin Winter in Freiburg am 22.01.1993 gehen wir von einer gezielten Bedrohung aller Linken durch Faschisten aus, die das "konspirativeGetue" mehr als rechtfertigt. Auch wiederholte, erfolglose Angriffe auf die "Villa" sehen wir als Zeichen dafür, dass die Faschisten sich verstärkt dem politischen Feind zuwenden.

Dieser Bedrohung lässt sich nur mit der Organisierung eines antifaschistischen Selbstschutzes begegnen, der damit beginnt, den Nazis für ihre Archive nicht alle Gesichter, Namen und Adressen frei Haus zu liefern.

Übrigens: In den Artikel hat sich ein sachlicher Fehler eingeschlichen. Die "Eiserne Front" war Nachfolgeorganisation vom "Reichsbanner Schwarz Rot Gold" und nicht des "Roten Frontkämpfer Bundes", stand also der SPD nahe und nicht der KPD.

Antifa Bünde
c/o Villa Kunterbunt
Winkelstraße 14
Bünde


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