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Lippische Rundschau , 24.10.1985 :

"Wissen morgens nicht, was der Tag bringt"

Sozialdezernent Hugo Benning will acht zusätzliche Mitarbeiter einstellen

Detmold (rot). Sie strömen zu tausenden beispielsweise über Belgien in die Bundesrepublik, um politisches Asyl zu erhalten: Kurden, die in ihrer türkischen Heimat eine Minderheit darstellen und nach eigenen Aussagen wegen ihrer Religion oder aus anderen Gründen verfolgt werden. Städte und Gemeinde ächzen unter dieser Menschenflut, die sie zu versorgen haben. Auch die Residenzstadt: 172 Asylbewerber hat sie nach der festgelegten Quote aufzunehmen und bis zum Entscheid über die Asylanträge zu versorgen.

Zur Zeit sieht sich das Detmolder Sozialamt vor schier unlösbare Probleme gestellt: Waren bis Ende Juni lediglich 32 Asylanten eingetroffen, so stieg die Zahl in den letzten Wochen sprunghaft auf 164 an. "Und jeden Tag können neue kommen; wir wissen morgens nicht, was der Tag uns bringen wird", so Sozialdezernent Hugo Benning gestern fast ein wenig ratlos im Gespräch mit der LR.

Ein Bautrupp der Stadt muss inzwischen andere wichtige Aufgaben zurückstellen, um leere Sozialwohnungen und Obdachlosen-Unterkünfte notdürftig bewohnbar zu machen; teilweise werden die ankommenden Flüchtlinge von den Sozialamtsmitarbeitern in den Amtsgebäuden notdürftig mit Lebensmitteln versorgt. Doch die städtischen Handwerker schaffen es nicht, dem stetig wachsenden Wohnraumbedarf nachzukommen.

Um die Probleme so gut wie möglich in den Griff zu bekommen, hat Benning dem heute tagenden Personalausschuss einige Sofortmaßnahmen vorgeschlagen:
- Ein Verwaltungsmitarbeiter wird von anderen Aufgaben freigestellt, um notwendige Hilfsmaßnahmen organisieren zu können; dafür wird eine zusätzliche Kraft auf Dauer eingestellt.
- Drei arbeitslose Lehrer und fünf Handwerker sollen die menschliche bzw. materielle Betreuung der Asylanten übernehmen.

Das Arbeitsamt hat sich bereit erklärt, die acht Personen im Rahmen eines Arbeitsbeschaffungsprogramms einzusetzen und mit 80 Prozent zu finanzieren. Während die Lehrer das sprachliche Problem lösen und Kontakte zu Schulen und Kindergärten knüpfen sollen, möchte der Sozialdezernent die fünf Handwerker unter der Leitung des städtischen Fuhrparks zur "Nutzbarmachung" der vielen seit Jahren leerstehenden Obdachlosen-Wohnungen in den Stadtteilen einsetzen.


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