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Antifaschistische Aktion Hamm , 11.05.2001 :

Nazis morden - der Staat schiebt ab / Flugblatt der Antifaschistischen Aktion Hamm zur Menschenkette am 11.05.2001 in Hamm-Werries

Nicht nur "gegen Nazis" - auch staatlichen Rassismus angreifen!

Mit der heutigen Menschenkette von der Erlöserkirche (Braamer Strasse) zum Asylbewerberheim wollen viele Menschen ein sichtbares Zeichen "gegen Ausländerhass und Fremdenfeindlichkeit" setzen. Als Antifaschistische Aktion Hamm begrüßen wir diese Aktion und beteiligen uns selbstverständlich, finden jedoch, dass die Problematik des Rechtsextremismus verkürzt dargestellt wird. Nicht nur die auf der Strasse prügelnden Stiefelskins sind Vertreter des Rechtsrucks, auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft finden sich rassistische, reaktionäre und antisemitische Meinungen. Diese Entwicklung wird auch von den etablierten Parteien begünstigt, wenn die CDU sich z.B. des Neonazi-Slogans "Ich bin stolz ein Deutscher zu sein" bedient, eine unterschwellig rassistische Debatte um eine deutsche "Leitkultur" entfacht oder die SPD fordert, die Zuwanderung nach marktwirtschaftlichen Verwertungskriterien zu regeln, zwischen "nützlichen" und "unnützlichen" Menschen zu unterscheiden. Auch in der Asylpolitik sind die Zeiten der Humanität längst vorbei, unter der rot-grünen Bundesregierung gehen die Abschiebungen weiter.

Grenzregime Deutschland – Festung Europa

Seit der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl mit der Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes im Mai 1993 – dem sogenannten "Asylkompromiß" – ist es für Flüchtlinge quasi unmöglich geworden, auf legalem Wege in die Bundesrepublik einzureisen. Die deutsche Ostgrenze wird mit militärischem Gerät aufgerüstet, mit Wärmebildkameras und Hubschraubern wird Jagd auf Grenzgänger gemacht. Allein zwischen 1993 und dem Jahr 2000 starben mindestens 89 Menschen an der deutschen Ostgrenze: Die meisten von ihnen ertranken beim Versuch die Neiße zu überqueren oder erfroren nach völliger Erschöpfung. Wer nach wochenlanger Flucht voller Angst und Entbehrungen dann im Grenzgebiet aufgegriffen wird, dem droht die sofortige Abschiebung – unabhängig von jedem individuellen Fluchtgrund! Denn ein Recht auf Asyl gewährt der Staat nur noch dem, der nicht über einen sogenannten "sicheren Drittstaat" eingereist ist; "sichere Drittstaaten" sind einerseits alle EU-Staaten, andererseits sogenannte "Listenstaaten", die der Gesetzgeber bestimmen kann. Die Einreise auf dem Landweg ist damit ausgeschlossen: Deutschland hat alle angrenzenden Staaten zu "sicheren Drittländern" erklärt. Auf diese Art und Weise drängt der Staat immer mehr Flüchtlinge in die Illegalität.

Stigmatisierung, Ausgrenzung, Entrechtung

Wem es dennoch gelingt einen Asylantrag zustellen, den erwartet die Kasernierung in Sammelunterkünften, Diskriminierung durch Sondergesetze und soziale Deklassierung. Durch das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylBLG) werden sämtliche Leistungen gegenüber SozialhilfeempfängerInnen gekürzt, AsylbewerberInnen müssen unterhalb dessen leben, was als Existenzminimum definiert ist. Ausgezahlt wird in Naturalien und Taschengeld. Durch die Versorgung mit Essenspaketen und die Ausgabe von Einkaufsgutscheinen statt Bargeld in einigen Kommunen wird den Flüchtlingen das Recht aberkannt, eigene Entscheidungen zu treffen. Auch ist der Inhalt der Essenspakete oft minderwertig und Flüchtlinge berichteten bereits mehrmals von verschimmelten Waren. Zudem bleiben die kulturellen und religiösen Hintergründe der Empfänger unberücksichtigt. Die sogenannte „Residenzpflicht“ verbietet es AsylbewerberInnen den zugewiesenen Landkreis zu verlassen: Besuche von Familienangehörigen und Freunden in anderen Orten, von kulturellen oder politischen Veranstaltungen und selbst Fahrten zu Anwalts- oder Arztpraxen sind von der Willkür einzelner Beamter abhängig und werden oft nicht erlaubt. Verstöße gegen diese Residenzpflicht werden mit Geldstrafen bis zu 5.000 DM geahndet. Bei Wiederholung droht Haft oder Abschiebung.

Abschiebehaft und Deportation

Die wohl offensichtlichsten Formen staatlichen Rassismus stellen Abschiebehaft und Deportation dar. Abschiebehäftlinge sitzen nicht etwa wegen krimineller Delikte ein, sondern der Freiheitsentzug dient lediglich der Sicherung der Verwaltungsmaßnahme: der Abschiebung. Bis zu 18 Monate können Personen inhaftiert werden, die aus ihrer Heimat in die BRD geflüchtet sind, aus verschiedenen Gründen aber nicht hier bleiben dürfen, wenn die Ausländerbehörde der Auffassung ist, dass sie sich der Abschiebung entziehen wollen. Anspruch auf einen Pflichtverteidiger besteht während der gesamten Inhaftierung nicht. Die Kosten der Haft werden dem Abschiebehäftling in Rechnung gestellt. Zwischen 1993 und den Jahr 2000 töteten sich mindestens 92 Menschen selbst angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder starben beim Versuch, vor der Abschiebung zu fliehen. Allein 45 Flüchtlinge starben in Abschiebehaft. Mit 33.000 Abschiebungen im Jahr hält Deutschland einen traurigen Europarekord. Abgeschoben wird auch in Bürgerkriegsregionen und in Folterstaaten wie Algerien, Türkei, Afghanistan und Iran. Um die Abschiebung durchzusetzen, scheint jedes Mittel recht zu sein.

Abschiebung um jeden Preis

Im Mai 1999 starb der sudanesische Flüchtling Mohamed Aamir Ageeb an Bord der Lufthansa-Maschine LH-558 nach Kairo. Er sollte, durch drei Beamte des Bundesgrenzschutzes begleitet, in den Sudan abgeschoben werden. Die Beamten hatten den 30-jährigen gefesselt, ihm einen Motorradhelm aufgesetzt und ihn solange auf den Sitz gedrückt, bis er erstickte. Ageeb war nicht das erste Opfer der unmenschlichen Abschiebepraxis in einem Flugzeug der Lufthansa: 1994 erstickte der 30-jährige Nigerianer Kola Bankole, dem eine Beruhigungsspritze verabreicht worden war, noch vor dem Abflug vom Rhein-Main-Flughafen mit einem Strumpfknebel im Mund. Am 13. März 2000 kam es an Bord der Lufthansamaschine LH 4115 von Paris nach Berlin zu einem Zwischenfall. Zwei französische Zivilpolizisten traktierten einen afrikanischen Passagier, der sich gegen seine Abschiebung wehrte, mit heftigen Schlägen. Obwohl er schrie und auch andere Passagiere laut protestierten, reagierte die Crew zunächst nicht. Erst als der Leipziger Professor Klaus Gerd Giesen dem Kapitän mit rechtlichen Konsequenzen drohte, wurde die Abschiebung abgebrochen.

Nazis morden – der Staat schiebt ab! Organisiert den antifaschistischen Widerstand

Kein Flüchtling verlässt grundlos seine Heimat. Menschen, die vor Hunger, Armut, Umweltzerstörung oder Bürgerkrieg fliehen, müssen das gleiche Bleiberecht haben wie politisch Verfolgte und Folteropfer. Deshalb fordern wir einen sofortigen Stopp aller Abschiebungen und Bleiberecht für alle! Unterstützt Flüchtlinge in ihrem politischen Kampf gegen staatlichen Rassismus. Antifaschistische Politik darf sich nicht nur gegen die Stiefelnazis auf der Straße richten, sondern muss sich auch immer gegen die gesellschaftlichen Bedingungen wenden, aus denen faschistische Bewegungen entstehen: Das kapitalistische Konkurrenzprinzip, das Menschen nur nach ihrer Verwertbarkeit beurteilt und dem Profit als oberstes Ziel gilt. Rassismus und Nationalismus müssen als ideologische Ausdrucksformen dieses Verwertungsstandpunkts verstanden werden. Demonstriert gegen den braunen Mob auf der Strasse, gegen die rassistische Hetze und für das Bleiberecht der Flüchtlinge! Geben wir mit Aktionen denen eine Stimme, die keine haben und bekunden wir unsere Solidarität mit allen Flüchtlingen!


mail@antifa-hamm.de

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