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Lippische Landes-Zeitung , 24.08.2006 :

Spitz auf Knopf gegen die SA / Die Fahne des SPD-Ortsvereins Holzhausen-Externsteine und ihre dramatische Geschichte

Horn-Bad Meinberg/Holzhausen-Externsteine (upf). Heute hängt sie hinter Glas im Burgmuseum in Horn - als Dauerleihgabe. Dass das schwarz-rot-goldene Fahnentuch bereits fast 160 Jahre alt ist und dazu noch eine durchaus dramatische Geschichte hat, sieht man ihm kaum an. Und dennoch: Die Fahne des SPD-Ortsvereins Holzhausen-Externsteine/Fromhausen, der in vier Wochen sein 100-jähriges Bestehen feiert, ist etwas Besonderes.

Ein paar wichtige Daten haben die Sozialdemokraten bereits vor 20 Jahren festgehalten - in der Festschrift anlässlich des 80. Geburtstags des Ortsvereins. Demnach hatten sich - inspiriert von der Aufbruchstimmung der 1848er-Revolution - Waldarbeiter aus Holzhausen in jenen Tagen die Fahne beschafft und sie stolz durchs Dorf getragen, später auf einem hohen Baum inmitten des Ortes gehisst.

Als die Revolution scheiterte, verschwand auch die Fahne - spurlos und für über ein halbes Jahrhundert. Erst nach dem Ersten Weltkrieg tauchte die Fahne wieder auf: Bei der Renovierung der Volksschule wurde sie unter Brettern und Schutt entdeckt und dem Ortsvorsteher übergeben.

Am 5. September 1925 gründete sich in Holzhausen eine Abteilung des SPD-nahen Reichsbanners - an den Gemeinderat wurde der Antrag gestellt, die Fahne dem Reichsbanner Holzhausen und der SPD zu überlassen, was nach heftiger Diskussion mit den örtlichen Deutschnationalen tatsächlich geschah. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch die Jahreszahl 1848 auf die schwarz-rot-goldene Fahne genäht.
Nazis verhaften Familienangehörige

In den folgenden Jahren kam die Fahne weit herum. Die Männer des Reichsbanners führten sie bei großen Demonstrationen in Berlin, Magdeburg, Dresden, Koblenz, Dortmund, Essen und Köln mit sich. Fahnenträger war unter anderem Willi Stoll jun., der bald nach der "Machtergreifung" 1933 wegen der Fahne ins Visier der Nazis geriet. Stoll, Angehöriger einer verzweigten Holzhauser Familie, die viele Jahrzehnte lang die Geschicke der Holzhauser SPD maßgeblich mitbestimmte, weigerte sich, den neuen Machthabern die Fahne auszuhändigen.

Hausdurchsuchungen blieben erfolglos. Wie der spätere langjährige Ortsvereinsvorsitzende, der im vergangenen Jahr verstorbene Walter Stoll (ein Cousin von Willi) einmal festgehalten hat, soll es bei den "Besuchen" der SA bei den Stolls "spitz auf Knopf" gegangen sein. Schließlich rettete Willi Stolls Mutter die Fahne vor dem Zugriff der Nazi-Schergen: Sie wickelte sich das Tuch um den Leib, zog die Röcke darüber und flüchtete in den Wald.

Als daraufhin Willis Vater Wilhelm und sein Bruder Heinrich verhaftet wurden, verhandelten die Stolls, nachdem sie mit Freunden darüber beraten hatten, mit dem SA-Sturmführer Fritz Koch: Im Gegenzug für die Freilassung der beiden Inhaftierten wurde die Fahne übergeben mit der Maßgabe, sie nicht zu verbrennen, sondern sie dem Lippischen Landesmuseum zu überlassen. Was auch geschah.

Bei einer Ortsvereinsversammlung 1946 wurde der Antrag gestellt, die Fahne wieder der örtlichen SPD zu überlassen. Der damalige Bürgermeister Adolf Flake, selbst Sozialdemokrat, nahm die Gespräche auf und holte die Fahne nach Holzhausen zurück. Immer wieder wurde sie seither zu offiziellen Anlässen hervorgeholt: beim Besuch von Bundeskanzler Willy Brand in Holzhausen-Externsteine oder beim 100-jährigen Bestehen der SPD in Lippe.


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