www.hiergeblieben.de

Bielefelder Tageblatt / Neue Westfälische , 23.12.1992 :

Polizei hat fremdenfeindlichen Straftaten den Kampf angesagt / Skins sind nicht die Haupttäter

Bielefeld (tok). "Was ausländerfeindliche Ausschreitungen betrifft, ist Ostwestfalen zum Glück noch fast ein weißer Fleck auf der Landkarte." Diese beruhigend klingende Aussage machte Polizeipräsident Horst Kruse kürzlich auf einer Pressekonferenz. Dennoch bereitet der Polizei die sprunghafte Zunahme fremdenfeindlich motivierter Straftaten Sorge. Wurden im gesamten ersten Halbjahr 1992 "nur" 12 Delikte registriert, waren es allein vom 1. bis 18. Dezember 14 neue Fälle. Zur Bekämpfung dieser Delikte wurde bei der Bielefelder Polizei eine Spezialabteilung eingerichtet - die Ermittlungsgruppe fremdenfeindliche Straftaten (EfS).

Die Ermittlungsgruppe untersteht dem für politisch motivierte Straftaten zuständigen Kommissariat, das zur Zeit noch unter "2. Präsidialbüro" firmiert und im Zuge der Neuorganisation der Polizei demnächst die offizielle Bezeichnung "Staatsschutz" bekommen wird.

Aufgabe der von Kriminalhauptkommissar Friedhelm Krüger geleiteten siebenköpfigen Gruppe ist es, von ihrer Dienststelle in der Kurt-Schumacher-Straße aus zentral für den ganzen Regierungsbezirk Detmold alle Straftaten, die im Zusammenhang mit Ausländerfeindlichkeit stehen, zu bearbeiten.

Die Palette der Delikte reicht dabei von Farbschmierereien über Telefonterror, Sachbeschädigung und Körperverletzungen bis hin zu Brandanschlägen auf Asylbewerberheime. Seit ihrer Gründung am 12. Oktober hat die Gruppe vierzig Vorgänge bearbeitet, fast täglich kommen neue hinzu. Die Aufklärungsquote ist mit zwanzig Prozent nicht gerade beeindruckend. Krügers Chef, der Leiter des zweiten Präsidialbüros, Kriminalrat Thomas Rosenthal, hat eine ebenso einfache wie verblüffende Erklärung dafür: Anders als vielfach angenommen, handelt es sich bei der großen Mehrheit der Straftäter nicht um Angehörige bekannter rechtsextremistischer Vereinigungen, sondern um nichtorganisierte Einzeltäter.

Massive Kontrollen

Rosenthal: "Achtzig Prozent sind Jugendliche, die politisch bisher nicht in Erscheinung getreten sind." Auch laufen sie nicht mit Bomberjacken, Springerstiefeln und kahlgeschorenen Schädeln herum, sondern sehen eben aus wie ganz normale junge Leute. Das erschwert laut Rosenthal nicht nur die Ermittlungsarbeit, sondern vor allem auch das präventive, also tatverhindernde Tätigwerden der Polizei ganz erheblich.

Anders war es bei dem Vorläufer der Ermittlungsgruppe fremdenfeindliche Straftaten, der "Arbeitsgemeinschaft Skins". Hier hatte man einen fest umrissenen, leicht zu identifizierenden Kreis, der sich regelmäßig an bekannten Orten traf. Rosenthal: "Durch massive Kontrollen haben wir das Entdeckungsrisiko für die Skins so groß werden lassen, dass die Zahl der von dieser Gruppe begangenen Straftaten tatsächlich gesunken ist."

Dennoch verschweigt der Kriminalist nicht, dass auch die "Arbeitsgemeinschaft Skins" auf die personelle Unterstützung durch andere Dienststellen angewiesen war. Noch viel mehr gilt das für die Ermittlungsgruppe Fremdenfeindlichkeit. Ihr Leiter, Hauptkommissar Krüger: "Bei allen Kreispolizeibehörden sitzen Verbindungsbeamte, die uns nicht nur fremdenfeindliche Straftaten aus ihrem Bereich melden, sondern auch bei den Ermittlungen mit uns zusammenarbeiten."

Gerade im Bereich dieser politischen Straftaten ist es nach Krügers Auskunft nicht immer leicht, zu entscheiden, ob tatsächlich ein Straftatbestand vorliegt. Bei ausländerfeindlichen Flugblättern beispielsweise seien die Grenzen zwischen legaler "freier Meinungsäußerung" und strafbarer "Volksverhetzung" manchmal ausgesprochen fließend.

Die Frage, ob die Ermittlungsgruppe mit ihrer bisherigen Personalstärke wirklich in der Lage sein wird, die wachsende Flut fremdenfeindlicher Straftaten auf Dauer in den Griff zu bekommen, wagen weder Rosenthal noch Krüger verbindlich zu beantworten. Rosenthal: "Wir sind vom Innenminister angehalten, lageorientiert zu arbeiten. Wenn die Lage sich so entwickelt, dass wir mit dem bisherigen Personal nicht auskommen, hoffe ich, dass entsprechende Lösungen gefunden werden."


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

zurück