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Lippische Landes-Zeitung , 09.07.1993 :

Ausländerbeirat: Türken überreichen Resolution / Lage ausländischer Jugend beleuchtet

Lemgo. Der Ausländerbeirat der Stadt Lemgo hat sich in seiner Sitzung am Mittwochabend schwerpunktmäßig mit der Situation ausländischer Jugendlicher in der alten Hansestadt beschäftigt.

Zu Beginn hatten die türkischen Vertreter im Ausländerbeirat eine Resolution ihrer Landsleute überreicht, die sich wünschen, nicht wie Ausländer zweiter Klasse behandelt zu werden und ebenso wie EG-Bürger ein kommunales Wahlrecht zu erhalten, aber auch die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft zu bekommen. Der Ausländerbeirat, so ließ dessen Vorsitzender Wolfgang Stückemann gestern wissen, nahm diese Resolution auf und hat beschlossen, sie der Bundesregierung und den lippischen Bundestagsabgeordneten zuzuleiten, um diesen die Meinung der unmittelbar Betroffenen zu verdeutlichen.

Zur Situation ausländischer jugendlicher gab es in der Sitzung mehrere Berichte. Sieglinde Wilmbusse berichtete über ihre Arbeit in der Anne-Frank-Schule, wo sie eine internationale Klasse unterrichtet; von den 14 zehnjährigen Schülerinnen und Schülern sind sieben nicht deutsch. Durch die geringe Klassengröße gelinge es, auf alle Probleme der Kinder intensiv einzugehen und Sprachbarrieren zu überwinden. Interessante Aspekte ergäben sich im Religionsunterricht, in dem alle Religionen zusammenkämen. Sieglinde Wilmbusse berichtete, in dieser Altersgruppe gebe es praktisch keinerlei Nationalitätenprobleme zwischen den Kindern - "Rassismus ist in diesem Alter zum Glück völlig unbekannt".

Seine Arbeit mit Jugendlichen stellte dann der Jugendschutzbeauftragte der Stadt, Thomas Portong, vor. Gesetzlich gebe es für das Jugendamt "erfreulicherweise" keinerlei Differenzierung zwischen ausländischen und deutschen Jugendlichen; das Jugendamt kümmere sich in gleichem Maße um alle Jugendlichen im Rahmen der Familienhilfe, der Jugendarbeit und versuche, die Jugendlichen zu einem "völlig unbefangenen Umgang miteinander" zu bringen. Portong sieht dabei gute Erfolge und wollte aber auch nicht verkennen, dass in der Biographie einiger Jugendlicher "schon auf Grund ihres häufigen Kulturwechsels" Brüche entständen, die es ihm schwer machten, sich in Deutschland einzuleben.

"Dass Jugendliche den Halt nicht verlieren"

Aus Sicht der Polizei berichtete Udo Golabeck, Leiter des Lemgoer Kriminalkommissariats, über Möglichkeiten der vorbeugenden Hilfe. Die Polizei führe Gespräche mit Jugendlichen, halte Vorträge und führe Jugendschutzkontrollen durch. Mit Besorgnis werde beobachtet, dass in der "ganzen Welt der Kriminalität der zweiten und dritten Einwanderungsgeneration" der Anteil der "Jungtäter" sprunghaft gestiegen sei. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten ergeben, dass eine wesentliche Ursache dafür die soziale Mängellage ausländischer Jugendlicher sei, die durch den Kulturwechsel, aber auch eine "gewisse Außenseitersituation" hervorgerufen werde. Wie Golabeck betonte, will die Polizei dem durch spezielle Sachbearbeiter für Jugendkriminalität begegnen, die versuchten, frühzeitig auf gefährdete Jugendliche so einzuwirken, "dass sie den Halt nicht verlieren".


Lemgo@lz-online.de

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