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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 21.11.2006 :

Landrat und Flüchtlingsrat uneins / Bleiberecht: Hoffnung für geduldete Ausländer

Gütersloh (raho). Landrat Sven-Georg Adenauer beurteilt den Kompromiss zum Bleiberecht geduldeter Ausländer zwiespältig. Einerseits sorge die Neuregelung für mehr Gerechtigkeit. Andererseits hätte er sich hinsichtlich der Arbeitsaufnahme strengere Regeln gewünscht, sagte Adenauer gestern auf Anfrage.

Nach der am Wochenende bei einem Treffen der Innenminister von Bund und Ländern erzielten Einigung könnten im Kreis Gütersloh insgesamt rund 200 Betroffene aus 40 Familien in den Genuss einer Aufenthaltserlaubnis erhalten. Das ist etwas mehr als die Hälfte der hier zwar seit Jahren aus humanitären Gründen geduldeten, aber von Abschiebung bedrohten 360 Ausländer ohne anerkannten Asylantrag.

Adenauer hält die alte Gesetzeslage für nicht gerecht. Denn jedesmal, wenn Betroffene ihren Pass haben verschwinden lassen, um ihre Identität zu verschleiern, waren (und sind auch weiterhin ) den Behörden die Hände gebunden. "Dagegen mussten wir auch in solchen Fällen abschieben, wenn die Menschen offen und ehrlich sowie gut integriert waren", meinte der Landrat. Insofern begrüße er die Neuregelung.

Allerdings befürchtet er auch künftig Missbrauch. So kritisiert Adenauer, dass es den bisher beschäftigungslosen geduldeten Ausländern bis zum 30. September 2007 möglich sein soll, ein verbindliches Arbeitsangebot nachzuweisen. "Aufgrund unserer Erfahrungen wird da wohl wieder mit Tricks gearbeitet werden." Er vertrete daher eher die Linie des bayerischen Innenministers Beckstein. Der hatte eine Stufenregelung befürwortet. Danach sollten alle Geduldeten, die schon jetzt einen Arbeitsplatz haben, umgehend ein Bleiberecht erhalten. Für alle anderen sollte in einer zweiten Stufe eine Lösung gesucht werden.

Eine völlig andere Ansicht vertritt der Gütersloher Flüchtlingsrat. Viele Betroffene hätten zuletzt überhaupt keine Chance gehabt, eine Arbeit zu finden, so Ludger Klein-Ridder. Denn aufgrund des so genannten Vorranggebotes konnten Geduldete nur dann einen Job annehmen, wenn sich kein Bundesbürger oder EU-Ausländer dafür interessierte.

Klein-Ridder hält eine Zwei-Jahres-Frist für die Arbeitsaufnahme für angemessen. Er hoffe, dass die Menschen von den Arbeitgebern fair behandelt würden. "Es wäre schlimm, wenn Unternehmen die Drucksituation der Betroffenen in Form von Lohndumping ausnutzen."

Schon kurz nach Beginn der Bleiberechts-Debatte sind bei der Ausländerbehörde des Kreises Anträge auf Aufenthaltserlaubnis gestellt worden. "Wir gehen davon aus, dass die Zahl jetzt deutlich steigen wird", so Kreis-Sprecherin Carola Adenauer. Entscheidungen könnten allerdings erst getroffen werden, wenn der komplette Erlass vorliege. Derzeit fehlten noch konkrete Angaben, insbesondere hinsichtlich des genauen Einreise-Stichtags.

Bisher ist nur klar, dass Familien, die seit sechs Jahren hier leben und weitere Kriterien (beispielsweise deutsche Sprachkenntnisse und selbst gesicherter Lebensunterhalt) erfüllen, Anträge stellen können. Für Alleinstehende gilt ein Zeitraum von acht Jahren.

Während trotz der bevorstehenden Einigung der Innenminister noch Ende voriger Woche in Süddeutschland großflächig Flüchtlinge zur Ausreise aufgefordert sein sollen, hält sich der Kreis Gütersloh vorerst weiter zurück. "Alt- und Härtefälle liegen bei uns unten im Stapel", so der Landrat. Er versprach zugleich, auch künftig "konsequent, aber nicht unmenschlich" vorzugehen.


lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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