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Neue Westfälische - Herford und Enger / Spenge , 02.12.2021 :

Rassistischer Angriff: Prozess muss neu starten

Das Verfahren vor einem Herforder Strafrichter, in dem es um eine Prügelei am Sennenbusch geht, endete anders als geplant

Jobst Lüdeking

Herford. Es ist eine Auseinandersetzung, die im Oktober 2020 in Herford Empörung und eine Demonstration gegen Rassismus auslöste. Der Demo lag ein Vorfall aus dem August zugrunde. Auf dem Spielplatz am Sennenbusch war es zu einem gewalttätigen Übergriff gekommen. Ein aus Guinea stammender Mann war dort in eine Prügelei verwickelt, von einem Mann mit einem Baseballschläger angegriffen worden und hatte sich, beim Versuch, sich gegen die Attacke zu schützen, den Arm gebrochen. Dazu berichtete der junge Mann, dass er rassistisch beleidigt worden sei.

Deshalb gingen am 10. Oktober 150 Menschen gegen Rassismus auf die Straße und kritisierten die Herforder Polizei, die den Übergriff aus dem Sommer nicht in einer Pressemitteilung als rassistische Tat gemeldet habe. Vor dem Herforder Amtsgericht wurde jetzt versucht, den Körperverletzungs- und Rassismus-Vorwürfen nachzugehen. Angeklagt als mutmaßliche Täter: zwei türkisch-stämmige Männer aus Herford, Vater (53) und Sohn (33).

Nach den Schilderungen des Opfers soll er von dem 53-Jährigen vor der Bäckerei eines Verbrauchermarktes, vor der sich wegen Corona eine Schlange gebildet hatte, zunächst beleidigt worden sein. Der Mann habe ihn unter anderem mit dem "N-Wort" und Bemerkungen, dass er so schwarz wie sein Auto sei, rassistisch beleidigt, skizzierte der junge Mann den Ablauf.

Wie die Polizei in Herford den Fall bewertet

Zudem warf der Mann aus Herford ihm vor, sein Auto beschädigt zu haben. Der aus Guinea stammende Mann habe die Personen aufgefordert, ruhig zu sein und hat die Anschuldigungen zurückgewiesen, erklärt er weiter. Der Bielefelder Strafverteidiger Jerrit Schöll, der mit seiner Kollegin Franziska Janßen Vater und Sohn vertritt, kann diese Schilderung nicht nachvollziehen. "Mein Mandant hat weder ein Auto noch einen Führerschein." Letztendlich soll es dann zum Übergriff mit einem Baseballschläger gekommen sein, bei dem das Opfer Brüche erlitt. Die Polizei schritt ein, bewertete die Auseinandersetzung aber ganz anders als der junge Mann und später die Demonstranten. "Die Herkunft des Mannes war unserer Ansicht nach in dem Konflikt nicht ausschlaggebend und deshalb war der Sachverhalt für eine öffentliche Meldung und für die Pressestelle nicht entscheidend. Wir haben das nicht als politisch motivierte oder rassistische Tat bewertet", hatte Polizeisprecher Uwe Maser kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe erklärt. Er erklärte auch, dass sich die Aussagen der Beteiligten stark voneinander unterscheiden.

Eine Entscheidung des Amtsgerichts Herford in dem Fall gab es nicht. Der Prozess soll im März noch einmal neu beginnen. Hintergrund sind sprachliche Defizite des 53-jährigen Angeklagten. Ihm soll beim neuerlichen Prozessstart ein Dolmetscher zur Seite gestellt werden.

Bildunterschrift: "Gegen rassistische Gewalt überall!" war das Motto der Kundgebung am 10. Oktober 2020.

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Westfalen-Blatt / Herforder Kreisblatt, 30.11.2021:

"Das war Rassismus!"

Prozess nach mutmaßlichem Angriff auf Afrikaner - 28-Jähriger erleidet Armbruch - Angeklagte sind Vater und Sohn

Von Bernd Bexte

Herford (HK). Nein, es sei nur eine Schubserei gewesen, beide hätten sich daran beteiligt, von Täter und Opfer könne man nicht sprechen. Das lässt der 33 Jahre alte Angeklagte über seinen Anwalt Jerrit Schöll in Saal 5 des Amtsgerichts Herford verkünden.

Mamadou Barry sieht das ganz anders: "Er ist ein Rassist, hat einfach zugeschlagen. Ich verstehe so etwas nicht." Der junge Mann (28) aus Guinea ist als mutmaßliches Opfer als Zeuge geladen und ist fast 16 Monate nach der körperlichen Auseinandersetzung - er beklagte unter anderem den Bruch des linken Unterarms - immer noch fassungslos. "Was soll so etwas, ich verstehe das nicht", sagt er sichtlich erregt vor Richter Bergmann. Am 8. August des vergangenen Jahres, einem Samstag, soll er - so schildern es Barry und die Anklage übereinstimmend - am Penny an der Elverdisser Straße von dem Angeklagten zunächst beleidigt worden sein ("Alle Schwarzen sind Schei...."), auf dem Heimweg dann Opfer einer Prügel-Attacke mit einem Holzknüppel geworden sein. Dabei habe er ebenjene Fraktur sowie bei einem Sturz Schürfwunden erlitten. Der Vorfall wurde im Polizeibericht nicht erwähnt.

Eigentlich hätte auch der Vater des mutmaßlichen Schlägers auf der Anklagebank sitzen sollen. "Er hat aber bei einem Verwandtenbesuch in der Türkei einen Verkehrsunfall gehabt", teilt dessen Verteidigerin Franziska Janßen mit. Der 58-Jährige soll sich, so Barry, damals auf ihn gesetzt haben, nachdem er gestürzt sei, damit sein Sohn habe zuschlagen können.

Vor der Hensel-Filiale am Penny an der Elverdisser Straße habe der Ärger begonnen, erinnert er sich. Weil beim Brötchen-Kauf so viele Kunden anstanden, reichte die Schlange bis auf den Parkplatz. Dort habe er vor einem schwarzen Auto gestanden. "Plötzlich kam der Mann auf mich zu und sagte, ich hätte sein Auto beschädigt." Barry habe das verneint, es sei auch nirgends ein Schaden an dem Fahrzeug zu sehen gewesen. Der ihm Unbekannte habe ihn dann aufs Übelste beschimpft, sei kurz darauf verschwunden.

Barry sei mit den Einkäufen nach Hause gegangen - über den Spielplatz am Sennenbusch. Dort hätte ihn der Mann, diesmal in Begleitung weiterer Personen, bereits erwartet. Es kam zum Wortgefecht, dann habe der Mann mit einem Schlagstock auf ihn eingedroschen, Barry sei gestürzt. Zur Abwehr habe er den linken Unterarm vor den Kopf gehalten. Anschließend sei er weggelaufen, seine Frau habe die Polizei benachrichtigt, erzählt der Guineer, der nach eigenen Angaben vor knapp drei Jahren nach Deutschland kam und jetzt eine Ausbildung zum Kraftfahrer macht.

Der Angeklagte bestreitet die Attacke. "Mein Mandant war mit seiner Frau unterwegs", erklärt Anwalt Schöll. Als Zeugin könne sie nicht mehr aussagen, da sie verstorben sei. Es sei zum Streit und auch zu einem Handgemenge gekommen, der 33-Jährige habe den Afrikaner aber nicht beschimpft oder geschlagen. "Er hat ja selbst ausländische Wurzeln." Und sein Vater sei gar nicht vor Ort gewesen. Zudem will er "psychische Auffälligkeiten" bei dem Afrikaner festgestellt haben.

Die Verhandlung wurde auf Ende März vertagt: Da Barry nur rudimentär Deutsch spricht, soll ihm dann ein Dolmetscher zur Seite stehen. Auch ein Postbote, der die Auseinandersetzung am Spielplatz gesehen haben will, soll dann als Zeuge aussagen.

Bildunterschrift: Auf dem Spielplatz am Sennenbusch soll es am 8. August vergangenen Jahres zu dem Übergriff gekommen sein. Der Prozess wird Ende März fortgesetzt.

Bildunterschrift: Mamadou Barry stammt aus Guinea.

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Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger, 05.10.2020:

Familienvater aus Guinea wird bei Angriff vor Penny-Markt schwer verletzt

Anfang August wurde der aus Guinea stammende Mamadou Bailo Barry mit einem Schlagstock schwer verletzt / Eine Demo am Samstag, 10. Oktober, wendet sich "Gegen rassistische Gewalt überall"

Ralf Bittner

Herford. Ein Armbruch und eine Knieverletzung: Das sind die körperlichen Folgen eines Angriffs zweier Männer auf den aus Guinea stammenden Mamadou Bailo Barry (28) am 8. August. Dem Angriff mit einem "Polizei-Stock" am Spielplatz Am Sennenbusch war eine Auseinandersetzung in einer Corona-Warteschlange vor der Bäckerei Hensel im Penny-Markt, Elverdisser Straße, vorausgegangen. Schon dort war demnach einer der Männer den 28-Jährigen verbal angegangen. Der Fall soll nun öffentlich werden.

Geplant ist eine Demonstration unter dem Motto "Gegen rassistische Gewalt überall". Die Organisatoren wollen den Fall in die Öffentlichkeit holen. Sie kritisiert außerdem die Polizei, weil der Vorfall in keiner Meldung Thema gewesen sei.

Barry, der seit gut drei Jahren in Deutschland lebt und eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer macht, schildert den Vorfall: "Ich wollte auf dem Nachhauseweg nach der Arbeit bei Hensel noch Brötchen kaufen." Wegen der Corona-Abstandsregeln habe es eine lange Schlange bis auf den Parkplatz gegeben. "Plötzlich ist ein Mann mit seiner Frau gekommen und behauptete, ich hätte sein schwarzes Auto kaputt gemacht", sagt Barry.

Der Mann habe ihn unter anderem mit dem "N-Wort" und Bemerkungen, dass er so schwarz wie sein Auto sei, rassistisch beleidigt. Er habe ihn aufgefordert, ruhig zu sein, weil er das Auto nicht beschädigt habe, erzählt Barry, oder er werde die Polizei die Anschuldigungen klären lassen.

Am Spielplatz sei der Mann in Begleitung wieder aufgetaucht

Schließlich sei der Mann auch laut geworden. Barry hat sich aber auf Anraten der Umstehenden entschieden, die verbalen Attacken zu ignorieren und seine Einkäufe zu machen, wie er selbst erzählt.

Am Spielplatz am Sennenbusch sei der Mann in Begleitung eines weiteren Mannes dann wieder aufgetaucht. Er habe zwei Mal mit dem Schlagstock in Richtung seines Kopfs geschlagen. Bei den Abwehrbewegungen habe er sich den Arm gebrochen und sei geflohen, sagt Barry. Dabei habe er sich das Knie verletzt. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass der Angreifer in unmittelbarer Nähe seiner Familie wohnt.

Angreifer und Begleitung seien weiß gewesen, sagt Barry, hätten sich aber in einer für ihn fremden, vermutlich osteuropäischen Sprache unterhalten. "Als der Überfall passierte, war ein Postbote in der Nähe, der alles gesehen haben muss", sagt er, "der hat, soweit ich weiß, bisher keine Aussage gemacht, und es wäre wichtig, dass er sich meldet".

Die von Barrys Frau gerufene Polizei habe erst seine und dann die Aussagen der mutmaßlichen Täter aufgenommen. Sie ermittelt seither. Die Akte liegt der Staatsanwaltschaft vor, Rechtsanwalt Jan-Wolfgang Hecker, der das Opfer vertritt, allerdings noch nicht. Er kann deshalb noch keine Bewertung des Vorfalls vornehmen.

Für Samstag, 10. Oktober, 14 Uhr ist eine Demonstration unter dem Motto "Gegen rassistische Gewalt überall" geplant. Startpunkt ist am Bahnhof in Herford.

Demo ist auch gegen das Verschweigen des Vorfalls gerichtet

Dazu rufen der Verein guineischer Staatsbürger, Freunde und Anhänger von Guinea, der AK (Arbeitskreis) Asyl, das Café Exil in der Uni Bielefeld, die kurdische Jugend aus Bielefeld und das soziale Zentrum Fla Fla, unterstützt von weiteren Herforder Gruppen, auf.

Die Demonstration nimmt den Vorfall zum Anlass, gegen Rassismus "in Köpfen, Strukturen und überall" zu protestieren. Souleymane Tounkara vom guineischen Verein denkt dabei nicht nur an körperliche Gewalt, sondern auch an die Probleme dunkelhäutiger Menschen im Alltag, beispielsweise wenn es darum geht, Einlass in Discos oder Clubs zu finden. Er denkt auch an die häufigen Kontrollen dunkelhäutiger Jugendlicher auf und rund um den Bielefelder Kesselbrink.

Auf lokaler Ebene beschreibt Meshut Cakar vom sozialen Zentrum Fla Fla die Zielrichtung: "Wir wollen in die Öffentlichkeit tragen, dass es Rassismus in vielen Formen und auch Gewalttätigkeit überall - auch in Herford - gibt. Wir fordern alle Menschen dazu auf, bei rassistischen Übergriffen entschieden einzugreifen. Wir müssen außer von Black Lives Matter in den USA auch vom Rassismus hier reden. Dass der Vorfall in keiner Polizei-Meldung aufgetaucht ist, vielleicht weil er im Wahlkampf das Bild vom schönen Herford gestört hätte, geht gar nicht."

Um dieser Kritik Nachdruck zu verleihen, ist während der Demo eine Zwischenkundgebung vor dem Gebäude der Polizei geplant.

Bildunterschrift: Souleymane Tounkara (l.) vom Verein guineischer Staatsbürger, Freunde und Anhänger von Guinea unterstützt Mamadou Bailo Barry, der Anfang August in Herford Opfer eines rassistischen Angriffs wurde. Mit einer Demo will der Verein auf den alltäglichen Rassismus aufmerksam machen.

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Am 8. August 2020 kam es in der Innenstadt von Herford zu einem rassistischen Überfall auf einen Mann aus Guinea, der von einem Mann mehrmalig mit einem Schlagstock traktiert wurde, einen Armbruch erlitt.

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www.gegenrechts.info


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