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15 Artikel , 01.12.2021 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


Jüdische Allgemeine Online, 01.12.2021:
Survivors Night / Licht überwindet Finsternis

Bayerischer Rundfunk, 01.12.2021:
NSU-Recherchen: Neue Untersuchung?

Neues Deutschland Online, 01.12.2021:
Lübcke-Untersuchungsausschuss / Erbärmliche Abstimmung

Blick nach Rechts, 01.12.2021:
Zeugenaufruf 31 Jahre nach tödlichem Brandanschlag

Mitteldeutscher Rundfunk, 01.12.2021:
Ortstermin / 30 Minuten Beweisaufnahme: Landgericht am Tatort in Fretterode

MiGAZIN, 01.12.2021:
Afrozensus / Viele schwarze Menschen in Deutschland erleben Rassismus

Westfalen-Blatt, 01.12.2021:
Lehrer darf nach Corona-Leugnung entlassen werden

tagesschau.de, 01.12.2021:
Hass im Netz / Strafverfolger beklagen Inkonsequenz

Bayerischer Rundfunk, 01.12.2021:
AfD-Chat: Rufe nach Beobachtung durch Verfassungsschutz

Jüdische Allgemeine Online, 01.12.2021:
Bayern / Umsturz, Revolution, Bürgerkrieg

t-online.de, 01.12.2021:
Vierter Austritt der Legislaturperiode / AfD-Fraktion in Bayern dezimiert sich weiter

ntv.de, 01.12.2021:
Bayerische AfD wegen radikaler Chat-Inhalte unter Druck

die tageszeitung Online, 01.12.2021:
Rechtsextreme Chat-Gruppen / AfD Bayern träumt vom Bürgerkrieg

Neues Deutschland Online, 01.12.2021:
Telegram-Gruppe / "Umsturz", "Bürgerkrieg", "Impfapartheid": AfD Bayern versinkt in Chat-Skandal

Bayerischer Rundfunk, 01.12.2021:
AfD Bayern: Interner Chat zeigt Radikalität

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Jüdische Allgemeine Online, 01.12.2021:

Survivors Night / Licht überwindet Finsternis

01.12.2021 - 09.46 Uhr

Die Jewish Claims Conference ehrte Schoa-Überlebende weltweit mit einer ganz besonderen Initiative

In der dritten Nacht von Chanukka fand am Dienstagabend in virtueller Form die jährliche International Holocaust Survivors Night (IHSN) statt. Dabei wurden auch in diesem Jahr die Schoa-Überlebenden weltweit geehrt.

Die von der Jewish Claims Conference initiierte Veranstaltung umfasste Erinnerungen von Überlebenden aus mehr als 15 Ländern sowie Grußworte unter anderem des israelischen Präsidenten Isaac Herzog sowie des geschäftsführenden Bundesfinanzministers und designierten Bundeskanzlers Olaf Scholz, der geschäftsführenden Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, der Holocaust-Überlebenden Charlotte Knobloch, Serge Klarsfeld und anderen.

Außerdem gab es Beiträge von Musikern und Entertainern wie der A-capella-Gruppe "The Maccabeats" und dem Popsänger Barry Manilow.

Viele der Redner betonten in ihren Video-Botschaften, dass Chanukka ein Fest des Lichtes ist. So sagte Zentralratspräsident Schuster: "Chanukka und die Überlebenden der Schoa zeigen uns täglich den Sieg des Lichts über die Dunkelheit."

Der geschäftsführende Bundesfinanzminister und designierte Bundeskanzler Olaf Scholz betonte: "Chanukka ist ein Fest des Lichts, das auch in schweren Zeiten Hoffnung in die Dunkelheit bringt." Deshalb werde Deutschland "Antisemitismus, die Herabwürdigung jüdischer Bürgerinnen und Bürger, den Hass gegen Israel … nicht hinnehmen".

Die Veranstaltung endete mit einer Übertragung des Kerzenzündens an der Kotel in Jerusalem. (ja)

Lesen Sie mehr dazu in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen am 2. Dezember.

Bildunterschrift: Auch Zentralratspräsident Josef Schuster beteiligte sich.

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Bayerischer Rundfunk, 01.12.2021:

NSU-Recherchen: Neue Untersuchung?

01.12.2021 - 11.08 Uhr

Grüne und SPD bereiten im Bayerischen Landtag einen Fragenkatalog für einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern vor. Themen sind vor allem Medienrecherchen zum NSU-Netzwerk in Bayern.

Von Jonas Miller (BR) und Elke Graßer-Reitzner (NN)

Ein zweiter Untersuchungsausschuss in Bayern zum NSU-Komplex rückt näher. Grüne und SPD, die im Landtag die erforderliche Quote von einem Fünftel aller Abgeordneten stellen, um so ein Gremium zu installieren, wollen bis Jahresende einen Katalog an Fragen vorlegen. Ab 2022 könne der Ausschuss dann an den Start gehen, sagte Cemal Bozoğlu, Grünen-Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus, dem Recherche-Team von Bayerischem Rundfunk und Nürnberger Nachrichten.

BR / NN-Recherche zeige "großes NSU-Netzwerk"

Die jüngsten Veröffentlichungen über die vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ausgespähten Objekte in Nürnberg und der Region würden belegen, dass die rechte Terror-Zelle über ein großes Netzwerk verfügt habe, sagte Bozoğlu. Alleine um zu vermeiden, dass von unentdeckten Helfern und Unterstützern in der Zukunft Gefahr ausgehe, müsse ein neuer Ausschuss die Strukturen beleuchten.

Grüne gehen auf andere Parteien zu

Die Grünen wollen auch CSU, FDP und Freien Wählern, nicht jedoch der AfD die Möglichkeit einräumen, ihre Positionen zum Thema zu erörtern. Erste Hinweise darauf, wie die anderen Parteien dazu stehen, will die Öko-Partei am morgigen Donnerstag erhalten: Der Verfassungsausschuss des Landtags debattiert dann über die Petition des Bündnisses "Kein Schlussstrich".

"Kein Schlussstrich" fordert weitere Untersuchungen

Hinterbliebene wie die Kinder des getöteten Nürnberger Blumenhändlers Enver Şimşek, viele Anwälte im NSU-Prozess, Akteurinnen und Akteure aus der Zivilgesellschaft und Bürger aus Nürnberg, Erlangen und München fordern ebenfalls einen zweiten Untersuchungsausschuss und beziehen sich dabei unter anderem auf Berichte des BR / NN-Recherche-Teams. Im Mai dieses Jahres hat sich auch der Nürnberger Stadtrat mit einer Resolution dieser Forderung angeschlossen.

Erster NSU-Bombenanschlag nach wie vor ungeklärt

Offene Fragen gibt es genug. So war der erste Bombenanschlag des NSU von 1999 auf die Kneipe des damals 18-jährigen Mehmet O. in Nürnberg bislang weder Thema im NSU-Prozess noch im ersten Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags. Wie das BR / NN-Recherche-Team aufdeckte, erkannte Mehmet O. eine Neonazi-Aktivistin aus dem engsten NSU-Umfeld auf Lichtbildern wieder, die ihm BKA-Beamte 2013 zeigten.

Nürnberger Hooligans im NSU-Umfeld?

Auch die Verstrickungen von Nürnberger Hooligans ins NSU-Netzwerk geben bislang weiterhin Rätsel auf. Ehemalige Nürnberger Neonazis, die gleichzeitig auch in der Hooligan- und Rocker-Szene aktiv waren und teils immer noch sind, pflegten nach BR / NN-Recherchen enge Kontakte zur NSU-Unterstützer-Szene. Darunter offenbar zu einem wichtigen V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der Uwe Mundlos während der Mordserie unter einem Alias-Namen beschäftigt haben soll. Diesen Zusammenhang deckten Journalisten der Welt auf.

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Neues Deutschland Online, 01.12.2021:

Lübcke-Untersuchungsausschuss / Erbärmliche Abstimmung

01.12.2021 - 17.47 Uhr

Die hessischen Grünen und CDU haben ihre Prioritäten deutlich gemacht

Von Sebastian Bähr

Die hessischen Grünen und die CDU haben im Untersuchungsausschuss zum Mord an Walter Lübcke gemeinsam mit der AfD gestimmt - ihr Ziel: die Aussage einer Verfassungsschutzmitarbeiterin geheim zu halten. Dafür gebe es "verfassungsrechtliche Gründe", was auch immer das heißen mag. Kritiker sprechen von einem "ungeheuerlichen Vorgang" und vergleichen das Abstimmungsergebnis mit der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten. Dies ist richtig und falsch zugleich. Einerseits ist die hessische Abstimmung natürlich erbärmlich. Staatsräson, Koalitions-Stabilität und das Wohlwollen des Geheimdienstes wurden über Aufklärung, zivilgesellschaftliches Engagement und Transparenz gestellt. Für alle Betroffene von rechtem Terror ist das ein Hohn.

Andererseits ist das Verhalten von hessischen Grünen und CDU nicht komplett neu. Im Petitionsausschuss des Landtags scheiterte im Mai ein Appell von mehr als 120.000 Menschen, in dem eine Offenlegung geheimer Akten zum NSU gefordert wurde. Die CDU war sowieso dagegen, doch auch Hessens Grüne lehnten das Vorhaben ab, um Informanten zu schützen. Nun haben beide Parteien erneut gezeigt, wo ihre Prioritäten liegen und wozu sie letztlich im Interesse des Machterhalts bereit sind.

Bildunterschrift: Die Mehrheit im Untersuchungsausschuss des hessischen Landtages zum Mordfall Walter Lübcke will ohne Öffentlichkeit eine Zeugin vernehmen.

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Blick nach Rechts, 01.12.2021:

Zeugenaufruf 31 Jahre nach tödlichem Brandanschlag

Von Sebastian Lipp

31 Jahre nachdem ein fünfjähriger Junge bei einem Brandanschlag in Kempten im Allgäu ums Leben gekommen ist, sucht die Polizei jetzt mit einem Zeugenaufruf nach den Neonazis, die sich damals zu der Tat bekannten.

"Wir werden nicht ruhen, bis Kempten von allen undeutschen Kreaturen befreit ist", drohten Neonazis vor rund 31 Jahren in einem mit Hakenkreuz und Runenschrift versehenen Schreiben, in dem sie sich zu einem Brandanschlag auf ein von Türken bewohntes Haus in der Allgäu-Metropole bekannten. Kempten solle die "erste Stadt sein", die "nicht von Schwulen, Linken, Ausländern und anderen Schweinen geplagt" werde. Bis heute konnte die Polizei nicht ermitteln, wer hinter der "Anti Kanaken Front Kempten" steckt, von der das Pamphlet stammt und den Brandanschlag nicht aufklären.

Deshalb suchen die Ermittlerinnen, Ermittler in einem gemeinsamen Aufruf mit der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft München nun nach Zeuginnen, Zeugen: "Wer kann Angaben zum Geschehen, dem Schreiben selbst, zur möglichen Gruppierung "Anti-Kanaken-Front-Kempten" (ggf. auch ohne den Zusatz "Kempten") oder etwaigen Mitgliedern der Gruppierung oder zum Verfasser des Schreibens machen?" Im Fokus der Ermittlungen stehe das Bekennerschreiben. Wer Beobachtungen im Zusammenhang damit oder dem Brand gemacht und bislang nicht von der Polizei kontaktiert wurde, solle sich bitte dort melden. Zeuginnen, Zeugen, die sich lieber nicht an die Polizei wenden möchten, können sich vertraulich an Allgäu rechtsaußen wenden.

Hochgestuft zu Mord

Die bis heute unbekannten Täter dringen damals in der Nacht auf den 17. November 1990 in das Gebäude am Rande der Kemptener Innenstadt ein, betreten das hölzerne Treppenhaus, verschütten vor den Wohnungen im zweiten und dritten Stockwerk eine brennbare Flüssigkeit und zünden sie an. Der Teenager Ghökan S., seine damals 18-jährige Schwester Zeynep und ihre Mutter retten sich durch einen Sprung aus dem Fenster. Erst Minuten später holen Feuerwehrleute den kleinen Sohn der Familie mit einer Drehleiter aus dem Kinderzimmer, aus dem bereits dunkler Rauch quillt. Der Fünfjährige erliegt später einer Rauchvergiftung.

Obwohl das Bekennerschreiben damals bereits vorlag, konnten die Täter bis heute nicht ermittelt werden. Bereits nach weniger als zwei Jahren stellte die Staatsanwaltschaft Kempten das Verfahren wegen schwerer Brandstiftung gegen Unbekannt ergebnislos ein. Erst als Recherchen von Zeit Online und Allgäu rechtsaußen den Fall wieder aufrollen, erfahren die Hinterbliebenen 30 Jahre nach dem Tod ihres Sohnes, dass dieser Opfer eines Neonazi-Anschlages geworden sein dürfte. Daraufhin zog die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft München Ende 2020 das Verfahren an sich, stufte den Tatvorwurf zum Mord hoch und beauftrage eine Sonderkommission mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen.

Bildunterschrift: Erst nach Recherchen von Zeit Online und Allgäu rechtsaußen wurde der Fall wieder aufgerollt, Foto: Symbol.

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Mitteldeutscher Rundfunk, 01.12.2021:

Ortstermin / 30 Minuten Beweisaufnahme: Landgericht am Tatort in Fretterode

01.12.2021 - 13.30 Uhr

Von Claudia Götze, MDR Thüringen

Der 13. Prozesstag um einen Angriff auf Journalisten in Fretterode im Eichsfeld ist mit einem Ortstermin am Tatort fortgesetzt worden. Vor dem Wohnhaus des Rechtsextremisten Thorsten Heise wurden Zeugen befragt und das Areal unter die Lupe genommen.

14 Prozessbeteiligte, 40 Polizisten, 20 Zuschauer und Journalisten. Der 13. Prozesstag um einen Angriff auf Journalisten in Fretterode ist mit einem Ortstermin am geschilderten Tatort fortgesetzt worden. Vor Ort sahen sich am Dienstag die Prozessbeteiligten die Wege und Straßen rund um das Anwesen des Rechtsextremisten Thorsten Heise an. Auch das benachbarte Wohnhaus des 27-Jährigen der beiden Angeklagten wurde betrachtet. Vor dem Anwesen sollen die angeklagten Taten vom April 2018 ihren Anfang genommen haben.

Zeugen werden am Tatort befragt

Im strömenden Regen schilderten die beiden Opfer im Zeugenstand, von wo aus sie das Haus fotografiert hatten. Die mittlerweile 29 und 30 Jahre alten Nebenkläger haben vor Ort recherchiert, weil sie von einem Vorbereitungstreffen der NPD für eine Demonstration am 1. Mai 2018 in Erfurt erfahren haben. Sie machten vor dem Haus Fotos, bis die Situation eskalierte. Heise ist stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD.

Vor dem Haus hatten die beiden Zeugen auch ihr Auto geparkt. An dieser Stelle wurden während des Ortstermins die Zeugen befragt. Es ging um den Blickwinkel, mit dem die 14 Fotos vom Tattag gemacht wurden. Es ging auch um die Frage, ob eine Spiegelreflexkamera verwendet wurde und wo die Zeugen und die Angeklagten während des Vorfalls standen.

Die Kamera ist verschwunden. Einer der beiden Journalisten konnte aber die Speicherkarte herausnehmen. Zu dieser Speicherkarte gibt es auch ein Gutachten, das im Prozess noch erörtert werden soll.

Der 22 Jahre alte Angeklagte schilderte erneut, dass er vor seinem Elternhaus von den beiden Zeugen angefahren worden sei und sich nur knapp habe retten können. Die beiden Nebenkläger haben eine Verfolgungsjagd bis ins acht Kilometer entfernte Hohengandern geschildert. Dort seien sie mit einem Messer, Reizgas und Baseballschläger angegriffen und schwer verletzt worden.

Prozess wird am Montag fortgesetzt

Laut Anklage ist auch das Auto demoliert sowie die Kameraausrüstung entwendet worden. Die Staatsanwaltschaft wirft den 22 und 27 Jahre alten Angeklagten Sachbeschädigung, gefährliche Körperverletzung und schweren Raub vor. Sie werden der rechtsextremen Szene zugerechnet. Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt. Bis Ende März soll es noch 16 weitere Verhandlungstage geben.

Bildunterschrift: Die Prozessbeteiligten sahen sich vor Ort die Wege und Straßen rund um das Wohnhaus des Rechtsextremisten Thorsten Heise an.

Bildunterschrift: 14 Prozessbeteiligte, 40 Polizisten, 20 Zuschauer und Journalisten waren bei dem Ortstermin in Fretterode dabei.

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MiGAZIN, 01.12.2021:

Afrozensus / Viele schwarze Menschen in Deutschland erleben Rassismus

01.12.2021 - 05.25 Uhr

Diskriminierung und Rassismus sind für Schwarze Menschen in Deutschland Alltag - in der Schule, beim Arzt oder bei der Wohnungssuche. Das ist das Ergebnis des "Afrozensus". Und wenn sich Betroffene wehren, werden sie nicht ernst genommen.

Viele in Deutschland lebende schwarze Menschen erleben Rassismus. Das geht aus dem am Dienstag in Berlin veröffentlichten "Afrozensus" des Vereins "Each One Teach One" hervor. Befragte berichteten demnach von anti-schwarzem Rassismus in verschiedenen Lebensbereichen, wie beispielsweise Gesundheit, Wohnungsmarkt und Bildung. Und sie sich wehren, machen sie oft schlechte Erfahrungen. Über 90 Prozent er Befragten geben an, dass ihnen nicht geglaubt wird, wenn sie Rassismus ansprechen oder Kritik äußern.

"Es gibt keinen Bereich, in dem Diskriminierung und Rassismus keine umfassenden Probleme sind", teilte der Verein mit. Der Zensus stelle auf Grundlage umfassender Daten erstmals die Lebensrealität sowie die Rassismus-Erfahrungen der über eine Million in Deutschland lebenden schwarzen Menschen dar.

Schlechtere Noten bei gleichen Leistungen

So auch im Bildungsbereich. Zwei Drittel der Befragten geben an, dass sie auf Grund rassistischer Zuschreibungen in der Schule oder Universität bei gleicher Leistung schlechtere Bewertungen als andere Mitschüler erhalten. 8 von 10 Befragten mit Beeinträchtigung geben an, im Kontakt mit Ämtern und Behörden diskriminiert zu werden.

Anti-schwarzer Rassismus hat sich der Erhebung zufolge in den vergangenen fünf Jahren durch rassistische Reaktionen auf erhöhte Einwanderung von Flüchtlingen und Migranten seit 2015, die damit verbundene Politik sowie die Reproduktion von Rassismus in Medien und Berichterstattung verstärkt.

Exotisierung, Sexualisierung und Kriminalisierung

Die Black-Lives-Matter-Bewegung, antirassistische Bewusstseins- und Aufklärungsarbeit, die Medienpräsenz schwarzer Menschen sowie Soziale Medien schwächten anti-schwarzen Rassismus hingegen ab. Jene Abschwächung werde dabei zuallererst dem Einsatz, dem Aktivismus und der Handlungsmacht schwarzer Menschen zugeschrieben, heißt es.

Rassismus gegen schwarze Menschen wirkt sich dem Bericht zufolge vor allem über drei Mechanismen: Exotisierung, Sexualisierung und Kriminalisierung. So gaben mehr als 90 Prozent der Teilnehmenden an der Online-Befragung an, ihnen sei ungefragt in die Haare gegriffen worden, wodurch "Schwarze Körper als exotisch konstruiert" würden.

1 Million Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland

Außerdem gaben fast 80 Prozent an, auf Grund ihres Aussehens sexualisierte Kommentare auf Dating-Apps erhalten zu haben. Etwa die Hälfte der Befragten (56 Prozent) berichtete von diskriminierenden Polizeikontrollen nach äußeren Merkmalen ("Racial Profiling").

In Deutschland leben über 1 Million Menschen afrikanischer Herkunft. Jeder Vierte hat keinen Migrationshintergrund. An der Online-Befragung, deren Teilnahme zwischen Mitte Juli und Anfang September 2020 möglich war, nahmen 6.419 Personen ab 16 Jahren teil, die in 144 verschiedenen Ländern geboren wurden, die meisten von ihnen (43,9 Prozent) in Deutschland. (epd/mig)

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Westfalen-Blatt, 01.12.2021:

Lehrer darf nach Corona-Leugnung entlassen werden

Darmstadt (dpa). Die Kündigung eines Lehrers und Corona-Leugners durch das Land Hessen ist nach Auffassung des Arbeitsgerichts in Darmstadt rechtens. Wie das Gericht am Dienstag mitteilte, hatte der Lehrer einer Berufsschule in Groß-Gerau unter anderem behauptet, bei der Covid-19-Pandemie handle es sich um eine Lüge und um eine Verschwörung der Pharmaindustrie. Zudem habe der 64 Jahre alte Lehrer den Mund-Nasen-Schutz nicht korrekt getragen und den Schülern gesagt, das Tragen von Masken sei völlig nutzlos.

Bereits im November 2020 hatte das staatliche Schulamt den Kläger unter anderem deshalb abgemahnt. Nachdem er weiterhin behauptet habe, die Pandemie sei eine Lüge, kündigte das Land mit Schreiben vom 17. Juni 2021 das Arbeitsverhältnis zum Ende des Jahres.

Die Klage des Lehrers gegen die Entlassung hat das Gericht nach der Vernehmung mehrerer Zeugen abgewiesen, da der Kläger nicht einsehe, dass "Arbeitsschutzvorschriften unabhängig von seinen persönlichen Ansichten einzuhalten sind". Kehre er an die Schule zurück, sei zu befürchten, dass er offenkundige Tatsachen weiterhin als diskutierbare Meinungsäußerungen bewerte, Schüler dadurch verunsichere und so die Durchsetzung des rechtlich zwingend vorgegebenen Infektions- und Arbeitsschutzes gefährde.

Zudem müsse das Land es nicht hinnehmen, dass der - keine Einsicht zeigende - Kläger weiterhin völlig fernliegende Vergleiche zur Nazi-Diktatur anstelle. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Berufung am Hessischen Landesarbeitsgericht ist möglich.

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tagesschau.de, 01.12.2021:

Hass im Netz / Strafverfolger beklagen Inkonsequenz

01.12.2021 - 06.00 Uhr

Das Vorgehen gegen Beleidigungen und Drohungen sollte durch das Gesetz gegen Hass im Netz effektiver werden. Doch Strafverfolger beklagen nach NDR-Recherchen, dass Politikerinnen und Politiker entsprechende Ermittlungen oft nicht unterstützten.

Von Klaus Scherer, NDR

Ranghohe Strafverfolger mit Schwerpunkt Hass-Kriminalität im Internet fordern von Abgeordneten mehr Unterstützung bei Beleidigungsverfahren. "Es ist für uns sehr misslich, wenn wir am Ende aufwändiger Ermittlungen feststellen müssen, dass die beleidigte oder verleumdete Person den erforderlichen Strafantrag ablehnt, auf den wir angewiesen sind", sagt der Göttinger Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue dem NDR.

Der Koblenzer Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer wurde noch deutlicher. "Wir würden uns wünschen", appelliert er an die Politik, "dass die Ermächtigungen in jedem Fall erteilt würden". Beide äußerten sich in Interviews für die NDR-Dokumentation "Hass im Netz: Unterwegs mit Strafverfolgern".

Hintergrund sind Online-Kommentare mit strafbarem Inhalt, die etwa nach Netz-Recherchen des Bundeskriminalamtes zu Verfahren führen oder im Zuge des neuen Gesetzes gegen Hass im Netz von Medien an die Strafverfolger weitergegeben werden müssen, sobald sie den Redaktionen auf ihren Online-Seiten aufgefallen sind.

"Nicht mal ignorieren!"

In einem der dokumentierten Fälle hatte das Landeskriminalamt in Mainz den Urheber eines Online-Posts ausfindig gemacht, der den amtierenden Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, CDU, übelst wegen dessen Körperbehinderung beleidigt und zugleich den Wunsch nach einem neuerlichen Attentat angedeutet hat. Schäuble ist seit einem Anschlag auf ihn im Jahr 1990 auf einen Rollstuhl angewiesen.

Nach NDR-Informationen wurden die Ermittlungen eingestellt, weil Schäuble den nötigen Strafantrag nicht gestellt habe. Das Büro des amtierenden Bundestagspräsidenten teilte auf Anfrage mit, Schäuble habe für sich selbst entschieden, "persönliche Beleidigungen nicht an mich heranzulassen". Stattdessen halte er sich an die Devise: "Nicht mal ignorieren!"

Auch andere Politikerinnen und Politiker, darunter die amtierende Bundeskanzlerin, gelten unter Strafverfolgerinnen und Strafverfolgern laut NDR als sehr zurückhaltend, wenn es um die zur Verfolgung nötiger Strafanträge gehe, obwohl das Parlament mit dem neuen Gesetz gegen Hass im Netz selbst ein Zeichen bei der Bekämpfung von Online-Hetze setzen wollte.

"Tatsächlich glauben viele Menschen noch immer, dass sie im Internet in einem rechtsfreien Raum unterwegs sind", erklärt die Dresdener Staatsanwältin Nicole Geisler. Das sei aber ein Trugschluss.

Der Film "Hass im Netz: Unterwegs mit Strafverfolgern" läuft am 6. Dezember um 22.50 Uhr in der Reihe "Die Story im Ersten". In der ARD Mediathek ist der Film bereits ab dem 1. Dezember zu sehen.

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Bayerischer Rundfunk, 01.12.2021:

AfD-Chat: Rufe nach Beobachtung durch Verfassungsschutz

01.12.2021 - 19.38 Uhr

Als Reaktion auf BR-Recherchen über einen internen AfD-Chat fordern Politikerinnen und Politiker mehrerer Parteien eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann reagiert.

Von Sammy Khamis, Wigbert Löer, Johannes Reichart

Umsturzpläne und Revolutionsgedanken - Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bezeichnet die Aussagen in einem internen AfD-Chat als "erschreckend" und spricht von "Wölfen im Schafspelz". Herrmann erklärt im BR-Interview: "Nachdem hier offensichtlich eine Reihe von Abgeordnete unmittelbar beteiligt war, stellt sich die Frage, inwieweit diese Abgeordneten beobachtet werden müssen und inwieweit sich daraus zusätzliche Argumente für eine Beobachtung der AfD insgesamt ableiten."

Der BR hatte Auszüge aus einer internen AfD-Chat-Gruppe veröffentlicht, in der Bürgerkriegs-Fantasien und Aufrufe zu Gewalt gepostet wurden. Mitglieder im Chat unter anderen: die Landtagsabgeordnete Anne Cyron, sowie der Kreisvorsitzende aus Miesbach, Alois Ostermair. Dieser hatte im Chat gepostet: "Wir brauchen eine totale Revolution."

AfD-Fraktionschef: Große Mehrheit der AfD "bürgerlich"

Der Vize-Fraktionsvorsitzende der AfD im Landtag, Franz Bergmüller, sagt dem BR nach Bekanntwerden des internen Chats, "die große Mehrheit der AfD-Mitglieder" sei bürgerlich. Ausfransungen gebe es in jeder Partei. Außerdem teilt Bergmüller mit: "Die Parteiführung hat gesagt, sie wird darauf reagieren. Und derjenige, der das gepostet hat, hat schon reagiert. Er ist aus der AfD ausgetreten." Damit meint er den Kreisvorsitzenden Alois Ostermair.

In einer Pressemitteilung schreibt die Partei: "Die Mandatsträger unserer Partei sind rechtstreue, patriotisch orientierte Demokraten, für die das Wohl unserer Heimat an erster Stelle steht."

Die Landtagsabgeordnete Anne Cyron hatte im Chats geschrieben: "Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden." Sie wollte sich auf BR-Anfrage nicht äußern.

Katharina Schulze (Grüne): AfD ein "Sicherheitsrisiko"

Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen im Bayerischen Landtag, sagt im BR-Interview, die AfD stehe nicht auf dem Boden der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung und sei "ein Sicherheitsrisiko für unser Land". Sie fordert: "Die AfD muss endlich vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden."

Ähnlich äußert sich auch der CSU-Generalsekretär Markus Blume. Auf Facebook schreibt er: "Eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz ist absolut notwendig!"

AfD klagt gegen Beobachtung

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagt, dem Ministerium sei die Berichterstattung bekannt. Man wolle sich aber wegen eines laufenden Verfahrens "nicht äußern".

Im März dieses Jahres wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die gesamte "Alternative für Deutschland" als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft hatte. Die AfD klagt dagegen. Im kommenden Jahr wird ein Urteil erwartet.

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Jüdische Allgemeine Online, 01.12.2021:

Bayern / Umsturz, Revolution, Bürgerkrieg

01.12.2021 - 17.00 Uhr

AfD wegen radikaler Chat-Inhalte massiv unter Druck

Die bayerische AfD gerät wegen eines internen Chats mit teilweise radikalen Inhalten massiv unter Druck. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht damit die Frage nach Beobachtung einzelner Abgeordneter und der Partei als Ganzes neu gestellt. Grüne und SPD nannten eine Beobachtung der AfD unabdingbar.

Der Bayerische Rundfunk zitierte am Mittwoch aus Inhalten einer geschlossenen Telegram-Gruppe mit dem Namen "Alternative Nachrichtengruppe Bayern", die BR-Reportern zugespielt worden seien. Mit in der Gruppe sind demnach auch große Teile der Landtagsfraktion, der bayerischen AfD-Bundestagsgruppe und des Landesvorstands.

"Ohne Umsturz und Revolution erreichen wir hier keinen Kurswechsel mehr", schrieb laut BR-Bericht etwa ein AfD-Kreisvorsitzender. Ein weiterer AfD-Mann, der inzwischen Mitglied im AfD-Landesvorstand ist, schrieb dem BR zufolge: "Bekämpft bitte (oder auch gefälligst) mit dem vielen Geld, das ihr vier lange, weitere Jahre egal in welcher Partei bekommt, das Deutschland meuchelnde System. Das erwarten unsere Wähler. Der Widerstand der Straße würde es euch danken." In einer weiteren Nachricht heißt es laut BR-Bericht: "Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden."

Der AfD-Landesverband reagierte am Mittwoch zunächst nicht auf Nachfragen. Doch die Existenz der Telegram-Gruppe wurde der Deutschen Presse-Agentur in AfD-Kreisen bestätigt. Es handle sich aber um keine offizielle Gruppe etwa des Landesvorstands oder der Landtagsfraktion, wurde betont. Aktuell gebe es mehr als 250 Mitglieder, teilweise auch von außerhalb der Partei. Fast alle der Beiträge in der Gruppe seien vernünftigen Inhalts und beträfen das politische Tagesgeschäft, hieß es weiter. Kaum jemand schaffe es allerdings, alles zu lesen.

Herrmann nannte die Chats erschreckend. "Sie machen deutlich, dass offensichtlich gerade in den Führungsgremien der AfD auch Leute unterwegs sind, auch Parlamentarier, die offensichtlich Gewalt überhaupt nicht ausschließen, die ernsthaft über Bürgerkrieg und ähnliches nachdenken", sagte er am Rande einer Landtagssitzung in München. Der Verfassungsschutz werde den Chat, wenn er die Unterlagen denn bekomme, sorgfältig auswerten. Es stelle sich die Frage, inwieweit die betreffenden Abgeordneten beobachtet werden müssten - auch wenn dafür normalerweise besondere Anforderungen zu erfüllen seien - und "inwieweit daraus dann auch sich zusätzliche Argumente für eine Beobachtung der AfD insgesamt ableiten". (dpa)

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t-online.de, 01.12.2021:

Vierter Austritt der Legislaturperiode / AfD-Fraktion in Bayern dezimiert sich weiter

01.12.2021 - 16.47 Uhr

Weiterer Austritt: Mit Josef Seidl verlässt bereits der vierte Abgeordnete die AfD-Fraktion im bayerischen Landtag. Die Partei ist in zwei Lager gespalten.

Die AfD-Fraktion im bayerischen Landtag schrumpft weiter: Mit dem niederbayerischen Abgeordneten Josef Seidl verliert die Fraktion bereits den vierten Parlamentarier in dieser Legislaturperiode. Seidl habe schriftlich seinen Austritt aus der Partei - und damit verbunden auch aus der Fraktion - erklärt, verlautete am Mittwoch aus AfD-Kreisen. Damit wurden entsprechende Berichte unter anderem der "Süddeutschen Zeitung" bestätigt. Offizielle Angaben zu Seidls Gründen gab es zunächst nicht.

Damit hat die AfD-Fraktion künftig nur noch 18 Abgeordnete - in die Legislaturperiode gestartet war sie 2018 mit 22.

Fraktion in zwei Lager gespalten

Schon bald nach Beginn waren der damalige Fraktionschef Markus Plenk und der Abgeordnete Raimund Swoboda aus der Fraktion ausgetreten, am vergangenen Jahreswechsel tat dies auch der Abgeordnete Ralph Müller.

An den internen Mehrheitsverhältnissen der seit Beginn an tief gespaltenen Fraktion ändert Seidls Austritt erst einmal nichts. Die Gruppe um die neuen Fraktionsvorsitzenden Ulrich Singer und Christian Klingen zählt dem Vernehmen nach noch zehn Abgeordnete - diese Gruppe hatte mit ihrer Mehrheit zuletzt dafür gesorgt, dass einmal die komplette Fraktionsspitze ausgetauscht wurde. Dem Lager um die abgewählten Fraktionsvorsitzenden Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn werden aktuell acht der verbleibenden 18 Abgeordneten zugerechnet.

Bildunterschrift: Fähnchen der AfD-Bayern: Die Fraktion im bayerischen Landtag schrumpft um einen weiteren Abgeordneten.

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ntv.de, 01.12.2021:

Bayerische AfD wegen radikaler Chat-Inhalte unter Druck

München (dpa/lby). Die bayerische AfD gerät wegen eines internen Chats mit teilweise zweifelhaften bis radikalen Inhalten unter Druck. Der Bayerische Rundfunk zitierte am Mittwoch aus Inhalten einer geschlossenen Telegram-Gruppe mit dem Namen "Alternative Nachrichtengruppe Bayern", die BR-Reportern zugespielt worden seien. Mit in der Gruppe sind demnach auch große Teile der Landtagsfraktion, der bayerischen AfD-Bundestagsgruppe und des Landesvorstands.

"Ohne Umsturz und Revolution erreichen wir hier keinen Kurswechsel mehr", schrieb laut BR-Bericht etwa ein AfD-Kreisvorsitzender. Ein weiterer AfD-Mann, der inzwischen Mitglied im AfD-Landesvorstand ist, schrieb dem BR zufolge: "Bekämpft bitte (oder auch gefälligst) mit dem vielen Geld, das ihr vier lange, weitere Jahre egal in welcher Partei bekommt, das Deutschland meuchelnde System. Das erwarten unsere Wähler. Der Widerstand der Straße würde es euch danken."

Der AfD-Landesverband reagierte am Mittwoch zunächst nicht auf Nachfragen. Doch die Existenz der Telegram-Gruppe wurde der Deutschen Presse-Agentur in AfD-Kreisen bestätigt. Es handle sich aber um keine offizielle Gruppe etwa des Landesvorstands oder der Landtagsfraktion, wurde betont. Aktuell gebe es mehr als 250 Mitglieder, teilweise auch von außerhalb der Partei. Fast alle der Beiträge in der Gruppe seien vernünftigen Inhalts und beträfen das politische Tagesgeschäft, hieß es weiter. Kaum jemand schaffe es allerdings, alles zu lesen.

Der neue AfD-Landeschef, der Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka, hatte schon vor der Veröffentlichung des BR-Berichts auf seinem Telegram-Kanal geschrieben: "Im Gegensatz zu unseren Mainstream-Medien dürfen bei uns ALLE mitdiskutieren und mitreden. Bei uns gibt es keine Zensur und niemand wird auf Grund seiner politischen Meinung gecancelt, stigmatisiert oder diffamiert, denn wir leben die freie demokratische Grundordnung. Meinungsfreiheit ist unsere Devise."

Die Grünen nannten eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz nunmehr unabdingbar. Die Äußerungen aus der Chat-Gruppe zeigten, "wie weit die Verachtung der parlamentarischen Demokratie auch bei führenden Funktionären der Partei bereits fortgeschritten ist", sagte der Landtagsabgeordnete Cemal Bozoglu. In der Telegram-Gruppe würden laut BR Umsturz, Revolution und Bürgerkrieg offen propagiert und Wahlen sowie das gesamte demokratische System verächtlich gemacht. "Angesichts dieser erschreckenden Äußerungen, die bis zu einer Rechtfertigung von gewalttätigen Aktionen reichen, ist eine Beobachtung der gesamten AfD durch die Sicherheitsbehörden unabdingbar." Bayern solle hier sofort tätig werden "und nicht nur den "Flügel" und die "Junge Alternative", sondern die gesamte AfD unter Beobachtung stellen", forderte er.

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die tageszeitung Online, 01.12.2021:

Rechtsextreme Chat-Gruppen / AfD Bayern träumt vom Bürgerkrieg

Chats belegen den Radikalkurs der AfD Bayern. Landeschef Protschka ist Gruppen-Admin, Boehringer, Anwärter für den Partei-Vorsitz, ist auch dabei.

Gareth Joswig

Berlin (taz). Es sind düstere Einblicke: Interne Telegram-Chats belegen eindrücklich die antidemokratische und rechtsextreme Gesinnung großer Teile der AfD Bayern. Das zeigen Auswertungen des Bayerischen Rundfunks, der über interne Chats der geschlossenen Gruppe "Alternative Nachrichtengruppe Bayern" mit mehr als 200 Mitgliedern berichtete und daraus am Mittwoch Auszüge veröffentlichte.

Besonders drastisch sind die Enthüllungen, weil der bayrische Verband künftig sogar an Bedeutung gewinnen könnte. So entstammt der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer dem Landesverband, der von nicht wenigen in der Partei als Nachfolger von AfD-Chef Jörg Meuthen gehandelt wird.

In der internen Chat-Gruppe war die Rede von einer notwendigen "totalen Revolution" und von Impfungen als "Genozid an Europäern". Ebenso kursieren dort laut BR islamfeindliche- und rassistische Nachrichten. Ein Europa-Parlamentarier soll 2018 sogar vorgeschlagen haben, einen Schweinekopf vor einer Moschee abzulegen.

Vor rund einem Jahr schrieb ein AfD-Kreisvorsitzender laut BR: "Ohne Umsturz und Revolution erreichen wir hier keinen Kurswechsel mehr." Wahlen "helfen ohnehin nicht mehr". Die Landtagsabgeordnete Anne Cyron soll darauf geantwortet haben, dass man "ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen" werde. Der jetzige Landesvorstand Georg Hock stimmte dem zu. Eine andere Kreisvorsitzende schrieb: "Wir brauchen die totale Revolution. Anzünden müsste man diese ganze Politik."

Die Schlüsselfiguren der AfD Bayern chatten mit

Einer der Administratoren der Gruppe ist dem Bericht zufolge der Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka, der auch im Bundesvorstand sitzt. Seit Oktober ist auch Chef der AfD Bayern und verkörpert als Mitglied des offiziell aufgelösten rechtsextremen Flügels auch den völkischen Einfluss innerhalb des Landesverbandes. Auch ansonsten sind viele Schlüsselfiguren der AfD Bayern in der Telegram-Gruppe versammelt: 16 der 18 bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten sind Mitglieder, sowie 11 von 12 Bundestagsabgeordneten aus Bayern, 10 von 13 aus dem neuen Landesvorstand.

Einige Teilnehmer sollen einzelnen Aussagen laut BR auch widersprochen haben. Auch gab es in der Gruppe heftige interne Streitigkeiten. Der Umgangston war dabei nicht weniger rau: Die AfDlerinnen, AfDler sollen sich gegenseitig als "Untermensch" oder "Pavianbande" beschimpft und sich mit Gewalt bedroht haben.

Zumindest zu den Bürgerkriegs- und Revolutions-Fantasien wolle der Landesvorstand aber offenbar jetzt aktiv werden, wie Protschka sagte, als er mit den Recherchen konfrontiert wurde. Auch versuchte Gruppen-Admin Protschka die Chats klein zu reden. Ohnehin habe er die Gruppe auf stumm geschaltet und lese nicht mehr mit. Dabei hat er laut BR er auch in diesem Jahr selbst noch dutzende Beiträge verfasst.

Der Bundestagsabgeordnete und Anwärter für den Bundespartei-Vorsitz, Peter Boehringer, postete auch in der Gruppe: Im März 2021 erhoffte er dort einen Schulterschluss mit "Impf-Skeptikern". Inhaltliche Anknüpfungspunkte hätte es dafür jedenfalls genug gegeben: Boehringer ist schon früher mit antisemitischen Verschwörungsideologien aufgefallen und demonstrierte mit selbsternannten Querdenkerinnen, Querdenkern. Auch ist er bekannt für Neonazi-Sprech etwa bei Warnungen vor einer "Umvolkung", beschimpfte Bundeskanzlerin Merkel unflätigst und fabulierte vom vergewaltigten "Volkskörper".

Dass er trotzdem als aussichtsreicher Kandidat auf den Bundesvorsitz neben dem derzeitigem AfD-Chef Tino Chrupalla gilt, spricht Bände über die Lage im Flügelkampf innerhalb der AfD. Zuletzt sagte der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland, dass er mit Boehringer als Parteichef sehr gut leben könne. Der bisherige Co-Chef Chrupalla gilt als gesetzt, wenn es wieder zu einer Doppelspitze kommt. Der Sachse war der Wunschkandidat der ostdeutschen AfD-Verbände sowie der völkischen Strömung.

Der für den Dezember angesetzte Parteitag in Wiesbaden wurde unterdessen wegen der Corona-Lage verschoben. Er soll Anfang des Jahres stattfinden. Der innerhalb der AfD als gemäßigt geltende Jörg Meuthen tritt nicht wieder an. Als Nachfolge werden neben Boehringer auch die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel aus Baden-Württemberg, NRW-Chef Rüdiger Lucassen oder die Hessin Joana Cotar gehandelt.

Bildunterschrift: Anwärter für den Bundesvorsitz: Peter Boehringer, hier bei einer Querdenken-Demo in München.

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Neues Deutschland Online, 01.12.2021:

Telegram-Gruppe / "Umsturz", "Bürgerkrieg", "Impfapartheid": AfD Bayern versinkt in Chat-Skandal

01.12.2021 - 13.37 Uhr

Veröffentlichung aus einer internen Telegram-Gruppe zeigt die zunehmende Radikalisierung im bayerischen Landesverband

Von Robert D. Meyer

Vor einigen Tagen veröffentlichte der AfD-Politiker Stephan Protschka eine auf den ersten Blick schwer einzuordnende Erklärung. "Der BR schnüffelt in unseren Telegram-Gruppen", heißt es in einem Beitrag auf seiner Facebook-Seite. Gemeint ist der Bayerische Rundfunk. Protschka behauptet, die Journalistinnen, Journalisten würden sich "schon seit mindestens Dezember 2020 wortlos in unseren Telegram-Gruppen" befinden.

Was der AfD-Politiker konkret meint, blieb zunächst für fünf lange Tage zumindest für die breitere Öffentlichkeit unklar. Zu diesem Zeitpunkt gab es weder Presseberichte, noch Meldungen, auf die sich Protschka hätte inhaltlich beziehen können. Die Vermutung lag deshalb nahe: Der bayerische Parteivorsitzende ging vorauseilend in die mediale Offensive, weil seinem Landesverband ein Skandal bevorsteht.

Seit Mittwoch ist klar, worauf sich die nebulöse Erklärung bezog: Der BR hat Recherchen veröffentlicht, die nicht nur in der AfD für einige Unruhe sorgen dürften. Konkret geht es dabei um eine geschlossene Telegram-Chat-Gruppe namens "Alternative Nachrichtengruppe Bayern". Darüber sind nicht nur einfache AfD-Anhängerinnen, -Anhänger vernetzt. Laut BR ist fast die gesamte Führungsriege des bayerischen Landesverbandes vertreten: 16 von 18 Landtagsabgeordneten, elf von zwölf Bundestagsabgeordneten, zehn der 13 aktuellen Mitglieder des Landesvorstandes sowie mehrere Kreisvorsitzende.

Die Chat-Gruppe dient allerdings nicht nur der internen Organisation des Landesverbandes, es ist auch ein Ort des Austausches über Gewalt, Hass und Umsturz-Aufrufe. "Ohne Umsturz und Revolution erreichen wir hier keinen Kurswechsel mehr", schreibt da etwa ein AfD-Kreischef aus Oberbayern im Dezember 2020. Eine Landtagsabgeordnete reagiert mit den Worten: "Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden." Laut BR-Recherchen umfasste die Gruppe zu Spitzenzeiten bis zu 200 Teilnehmerinnen, Teilnehmer. Im Jahr 2018 soll der heutige Europa-Abgeordnete Bernhard Zimniok vorgeschlagen haben, einen Schweinekopf vor einer Moschee abzulegen.

Auch die Corona-Pandemie spielt in der Chat-Gruppe eine Rolle. In der Reichsbürger-Szene verbreitete Verschwörungserzählungen wie etwa die Behauptung, nach dem Zweiten Weltkrieg habe es keinen Friedensvertrag gegeben, werden ebenso verbreitet wie die Ansicht, Deutschland sei "definitiv keine Demokratie mehr". Ein AfD-Kommunalpolitiker schreibt laut BR von "Impfapartheid" und einem "Genozid an den reichen Europäern und Nordamerikanern, die sich die Impfung leisten können".

Ebenfalls Teil der Chat-Gruppe: Stephan Protschka, Anhänger der völkischen Nationalistinnen, Nationalisten um den Faschisten Björn Höcke, Mitglied im AfD-Bundesvorstand und seit Oktober Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes. Er ist laut "BR" einer der Administratoren, Administratorinnen der Gruppe, behauptet aber, er lese in den Chats nicht mehr mit und habe diese stumm geschaltet.

Protschka versucht, die Bedeutung des Telegram-Kanals herunterzuspielen. "Im Gegensatz zu unseren Mainstream-Medien dürfen bei uns ALLE mitdiskutieren und mitreden. Bei uns gibt es keine Zensur und niemand wird auf Grund seiner politischen Meinung gecancelt", heißt es in einer Erklärung beschwichtigend.

Innerhalb der Bayern-AfD haben die Anhängerinnen, Anhänger des formal aufgelösten völkischen "Flügel" ihre Macht in den vergangenen Jahren sukzessiv ausgebaut. Besonders erkennbar wurde dies durch die Vorstandswahlen auf dem vergangenen Landesparteitag Mitte Oktober in Greding. Mit dem Bundestagsabgeordneten Protschka steht seitdem nicht nur ein "Flügel"-Mann an der Parteispitze, im Landesvorstand verfügt die völkisch-nationalistische Gruppierung sogar jetzt über eine Mehrheit. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass die Veröffentlichung der Chat-Verläufe auf Landesverbands-Ebene personelle Konsequenzen nach sich ziehen.

In früheren Fällen war dies noch anders gewesen. Immer wieder kommen Inhalte interner AfD-Chat-Gruppen oder aus deren nahen Umfeld ans Licht. Zu den bekanntesten Fällen zählt eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2017. NDR und "taz" hatten damals gewaltverherrlichende Äußerungen des damaligen AfD-Politikers Holger Arppe - ebenfalls "Flügel"-Anhänger - aus Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht. Dieser trat in der Folge aus der Landtagsfraktion aus, später wurde er auch aus der Partei ausgeschlossen.

Bildunterschrift: Nicht nur beim Wendler und anderen Verschwörungsgläubigen beliebt: der Chat-Dienst Telegram.

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Bayerischer Rundfunk, 01.12.2021:

AfD Bayern: Interner Chat zeigt Radikalität

01.12.2021 - 07.40 Uhr

Umsturzpläne, Verachtung, Androhung von Gewalt - ein geschlossener Telegram-Chat der AfD Bayern zeigt radikale Positionen gegen Staat und demokratische Institutionen. Beteiligt sind Spitzenpolitiker der Partei. Exklusive Recherchen des BR.

Von Sammy Khamis, Wigbert Löer, Johannes Reichart

Am frühen Abend des 4. Dezember 2020 spricht sich ein oberbayerischer AfD-Kreisvorsitzender für den Umsturz aus. In einer Telegram-Gruppe der AfD nennt er Deutschland "Bananenland", das System "korrupt" und "kriminell", schreibt von "regierenden Verbrechern" und kommt zu dem Schluss: "Ohne Umsturz und Revolution erreichen wir hier keinen Kurswechsel mehr". Wahlen "helfen ohnehin nicht mehr".

Der Kreisvorsitzende erhält dafür Zuspruch. Anne Cyron, seit 2017 für die AfD im Bayerischen Landtag, antwortet auf die Nachricht: "Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden." Auf die beiden Posts reagiert Georg Hock, inzwischen Mitglied im Landesvorstand der bayerischen AfD, mit den Worten: "Absolute Zustimmung".

Die Beiträge stammen aus einer geschlossenen Telegram-Gruppe der Bayern-AfD, die Reportern exklusiv zugespielt wurde. Der Name des Chats lautet "Alternative Nachrichtengruppe Bayern". In der Chat-Gruppe finden sich 16 der 18 bayerischen Landtags- und elf der zwölf Bundestagsabgeordneten. Aus dem im Oktober neu gewählten AfD-Landesvorstand sind zehn von 13 Personen vertreten. Die Nachrichten stammen aus dem Zeitraum von Ende 2017 bis Mitte 2021.

Bürgerkriegs-Fantasien, Islam-Hass, Androhung von Gewalt

In dem Telegram-Chat posten die Mitglieder, zuweilen sind es mehr als 200, oft bis tief in die Nacht. Es geht um Parteiinterna, manchmal um Strategien. Immer wieder werden islam- und ausländerfeindliche Nachrichten ausgetauscht. So schlägt beispielsweise 2018 der heutige Europaparlamentarier Bernhard Zimniok vor, einen Schweinekopf vor einer Moschee abzulegen.

Einige der Teilnehmer widersprechen einzelnen Inhalten. Andere gehen sich mitunter hart an, beleidigen sich als "Untermensch" und auch als "Pavianbande". Aggression tritt manchmal offen im Chat zutage. Als ein Vize-Kreisvorsitzender einen Parteifreund fragt, weshalb er keinen vollen Mitgliedsbeitrag bezahlt habe, droht dieser mit Gewalt: "Solche Kasper wie dich zieh ich durch ein Nasenloch. Ich hoffe, wir stehen uns mal gegenüber, dann bin ich gespannt, ob du auch so ‘ne große Klappe hast. Du kleiner Tastaturheld."

Ein Administrator: der neue Landesvorsitzende

Als einer der Administratoren der Gruppe agiert der neue Landesvorsitzende der bayerischen AfD, Stephan Protschka aus dem Landkreis Dingolfing-Landau. Im Interview mit dem BR sagt Protschka: "Wenn sich Leute da intern was an den Kopf schmeißen, gehört das doch auch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung dazu, dass man verschiedener Meinung ist." Zu den Umsturz-Fantasien könne er nichts sagen, denn er lese die Gruppe nicht mehr mit: "Die ist auf stumm geschaltet", so Protschka. Der Bundestagsabgeordnete postete im Jahr 2021 allerdings selbst dutzende Beiträge in dem Chat.

Zu Aussagen, dass Wahlen nichts bringen würden, sowie den Revolutions-Gedanken, sagt Protschka: "Solche Sachen klären wir intern im Landesvorstand oder in den entsprechenden Gremien und mit Sicherheit nicht mit der Presse." Löschen könne er problematische Aussagen als Administrator nicht, da er nicht mitlese.

Ein weiterer Administrator, der nach BR-Recherchen vereinzelt Inhalte in der Gruppe gelöscht hat, ist Johannes Huber, Bundestagsabgeordneter aus Freising. Er wollte sich auf BR-Anfrage nicht zu seiner Rolle und den Inhalten des Chats äußern. Im Chat schreibt Huber: "In dieser Gruppe herrscht Meinungsfreiheit."

Verfassungsrechtler: Gründe für Beobachtung der AfD durch Verfassungsschutz

Reporter des BR legten Aussagen aus dem internen AfD-Chat mehreren Experten vor. Der Verfassungsrechtler Klaus Gärditz, Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, kommt zu der Einschätzung: "Die Revolutions-Rhetorik zeigt den Vorwurf, dass die freiheitliche-demokratische Grundordnung aggressiv bekämpft wird."

Diese Beurteilung stützt sich auch auf die Äußerungen einer ehemaligen AfD-Kreis-Schatzmeisterin aus Franken. Sie beklagt, dass Deutschland kein unabhängiger Staat sei und über "keinen Friedensvertrag" verfüge - Auffassungen, die von Reichsbürgern vertreten werden. Das demokratische System bezeichnet sie als eine Mischung aus nationalsozialistischer und Stasi-Diktatur "und definitiv keine Demokratie mehr".

Das "System" thematisiert auch Georg Hock, inzwischen Mitglied im Landesvorstand. Im Juni 2021 fordert er von den Mandatsträgern der Bayern-AfD, für einen Systemwechsel zu sorgen: "Bekämpft bitte (oder auch gefälligst) mit dem vielen Geld, das ihr vier lange, weitere Jahre egal in welcher Partei bekommt, das Deutschland meuchelnde System. Das erwarten unsere Wähler. Der Widerstand der Straße würde es euch danken."

Die Chats legen laut Verfassungsrechtler Gärditz nahe, dass eine "Machtübernahme jenseits demokratischer Mehrheiten angestrebt" werde. "Insgesamt bestätigen die Einlassungen die Gründe des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die für eine Beobachtung der AfD sprechen." Im März 2021 wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Alternative für Deutschland als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft hatte. Dagegen klagt die Partei.

Schulterschluss mit Impf-Gegnern

Beim Thema Corona zeigen bekannte AfD-Politiker im Chat, mit welcher Entschiedenheit sie die Pandemie für die Partei nutzen wollen. Der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer, der als nächster Bundesvorsitzender im Gespräch ist, sieht im März 2021 die Chance auf den "Schulterschluss mit 30 bis 50 Prozent Impf-Skeptikern oder 40 Millionen Menschen da draußen".

Der Lindauer AfD-Politiker Rainer Rothfuß spricht zur selben Zeit von "Impfdiktatur" und "Impfapartheid" und schreibt, die Impfungen gegen das Corona-Virus seien ein "Genozid an den reichen Europäern und Nordamerikanern, die sich die Impfung leisten können". Rothfuß ist seit Oktober erster stellvertretender Landesvorsitzender der bayerischen AfD.

Peter Boehringer äußert sich auf BR-Anfrage nicht konkret zu der von ihm genannten Chance auf "einen Schulterschluss mit Impf-Skeptikern", schreibt, dass in Chat-Gruppen schnell mal etwas getippt werde. Seine Aussage könne er im Chat-Verlauf nicht finden, stehe jedoch dazu, dass man damals "selbstredend" vor der Impfung warnen musste. Landesvize Rainer Rothfuß lässt eine Anfrage des BR zu seinen damaligen Aussagen unbeantwortet.

Auch die Landtagsabgeordnete Anne Cyron und das Landesvorstandsmitglied Georg Hock äußern sich auf BR-Anfrage nicht zu ihren Posts. Sie folgen damit vermutlich dem AfD-Landesvorsitzenden Stephan Protschka. Der verschickte unmittelbar nach dem BR-Interview eine E-Mail an alle Mitglieder der Bayern-AfD: "Wir empfehlen dringend, im Falle einer Kontaktaufnahme (durch den BR, Anm. der Redaktion) NICHTS auszusagen und das Gespräch zu beenden!"

Politikwissenschaftlerin: "Ein Aufruf, um Instabilität hervorzurufen"

Der Kreisvorsitzende, der im Dezember 2020 einen Kurswechsel nur mit "Umsturz und Revolution" für möglich hielt, bestreitet, überhaupt in der Gruppe gewesen zu sein. Im Chat findet sich jedoch noch eine weitere Nachricht unter seinem Namen: "Wir brauchen die totale Revolution. Anzünden müsste man diese ganze Politik."

Ursula Münch, Professorin für Politikwissenschaft und Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, sagt im BR-Interview zu den Inhalten des Chats der Bayern-AfD, sie "verstehe das als verfassungsfeindliche Äußerungen. Das ist auch ein Aufruf, um Instabilität hervorzurufen." Diese Aussagen, so Münch, seien "nicht Rechtspopulismus, das ist Extremismus".

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