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Westfalen-Blatt / Herforder Kreisblatt , 21.09.2017 :

Heute im Lokalteil / Gericht stellt Verfahren ein

Das Verfahren gegen einen 22-jährigen HudL-Blockierer wegen Widerstands gegen Polizisten ist eingestellt worden. Er muss 80 Sozialstunden ableisten. Vor dem Gericht demonstrierten etwa 60 Linksautonome.

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www.sids.blogsport.de, 19.09.2017:

Interview mit der Aktivistin Julia

Interview mit der Aktivistin Julia (Ju, Name geändert), die sich am 28.02. an der Blockade gegen die AfD beteiligte.

Eine Vertreterin der Kampagne "Solidarität ist der Schlüssel" (SIDS) führte ein Interview mit der Aktivistin Julia (Ju, Name geändert), die sich am 28.02. an der Blockade gegen die AfD beteiligte.

SIDS: Hallo, du warst am 28.02. im Haus unter den Linden (HudL) in Herford an der Protestaktion gegen die AfD beteiligt. Beschreibe doch kurz die Situation aus deiner Sicht.

Ju: Im HudL sollte eine Veranstaltung der rechten Partei AfD stattfinden. Um dagegen zu protestieren, setzten sich etwa 30 junge Menschen auf die Treppe vor den Veranstaltungsräumen. Wir taten das um gegen die rassistische und nationalistische Politik der AfD zu protestieren. Die AfD ist Ausdruck des gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks und wir finden der Partei sollten keine Räume zur Verfügung gestellt werden, um ihre Positionen weiter zu festigen oder als legitim darzustellen.

SIDS: Der Bürgermeister Tim Kähler sprach gegenüber dem Westfalen-Blatt von "Krawallmachern". Was hältst du davon?

Ju: Der Bürgermeister folgte mit seinem Statement leider der Aussage der Polizei, die behauptet, es habe gewalttätige Angriffe gegen sie gegeben. Richtig ist jedoch: Es war eine gewaltfreie, friedliche Sitzblockade und es gab keine Gewalt von unserer Seite. Das wird mit ein bisschen Nachdenken auch in den Berichten deutlich: Es gab keine Beschädigungen im HudL und die PolizistInnen wurden bei ihrer brutalen Räumung nicht beworfen oder ähnliches. Außerdem behauptet die Polizei, es habe eine Bissverletzung gegeben. Ich kenne niemanden, der durch die Schutzausrüstung der Polizei beißen kann.

SIDS: Du sprichst die Polizeigewalt gegen euch an. Kannst du eure Vorwürfe gegen die Polizei beschreiben?

Ju: Zahlreiche BeobachterInnen haben von außen gesagt: "So eine brutale Räumung habe ich noch nie erlebt!" Und die konnten die eigentliche Polizeigewalt nicht mal beobachten. Die Polizei schickte ja Presse und solidarische Menschen vor der Räumung raus. Als dann nur noch BesucherInnen der AfD und ihre Security anwesend war, fing die Polizei an, mit gezielten Schlägen und Tritten auf uns einzuprügeln. Es ging offensichtlich nur darum, die Treppe so schnell wie möglich frei zu räumen, ohne Rücksicht auf unsere Gesundheit. Es wurden nicht nur gezielte Schmerzgriffe angewandt, sondern alles getan, um Schmerzen zuzufügen. Ich konnte sehen, wie einer Person das Knie aufs Brustbein gesetzt wurde, so dass sie kaum Luft bekam. Einige wurden beim Wegtragen gegen das Treppengeländer geknallt oder ganze Treppenabsätze heruntergeworfen. Während wir das mit Anschauen mussten, drohte die Polizei uns mit Kommentaren wie: "Steht jetzt auf oder ihr seid die Nächsten!". Anschließend wurden wir durch eine Menge von 50 AfD-AnhängerInnen getragen und dabei permanent abgefilmt.

SIDS: Trotz der Polizeigewalt habt ihr keine Anzeigen gegen die Polizei getätigt. Warum?

Ju: Wir haben direkt nach dem Tag Gedächtnisprotokolle angelegt und einige Verletzungen ärztlich attestieren lassen. Bisher haben sich jedoch alle gegen Anzeigen gegen die Polizei entschieden. Dies hat vor allem den Grund, dass Anzeigen gegen Polizeigewalt fast nie Erfolgsaussichten haben - die PolizistInnen schützen sich gegenseitig. Außerdem muss dann mit Gegenanzeigen wegen Widerstand gerechnet werden. Leider dominierte das Märchen von der angeblichen Gewalt der Blockierenden die Berichterstattung und eine Partei wie die SPD, die vorgibt sich gegen Rechts zu engagieren, folgt unhinterfragt den Polizeiberichten und kriminalisiert linken Protest.

SIDS: Wie kriminalisiert die SPD den Protest?

Ju: Neben den Vorwürfen von Nötigung haben alle BlockiererInnen Anzeigen wegen Hausfriedensbruch erhalten. Diese Anzeigen gehen von der Stadt Herford aus. Wir sehen hier den Bürgermeister Tim Kähler in der Pflicht, die Anzeigen zurückzuziehen und die Kriminalisierung von legitimen Protest gegen Rechts zu beenden. Die Stadt hätte außerdem die Chance gehabt, die AfD-Veranstaltung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzusagen.

SIDS: Wie waren die Reaktionen auf eure Protestaktion?

Ju: Es hat sich gezeigt, dass es sich lohnt, auch mehr als symbolische Kundgebungen vor AfD-Veranstaltungen durchzuführen. Unsere Aktion von friedlichem Ungehorsam hat für großes Aufsehen in der regionalen und überregionalen Presse gesorgt. Es gab allein etwa 20 Zeitungsartikel. Der Protest gegen die AfD wäre sonst leider wohl kaum so sichtbar geworden. Gerade Menschen, die vor Ort waren, kritisieren außerdem die Polizeigewalt. So haben sich das Bündnis gegen Rechts Herford, der Pfarrer Berthold Keunecke und die Partei Die Linke bei einer Pressekonferenz klar gegen die Polizeigewalt ausgesprochen.

SIDS: Wie geht es jetzt für euch weiter?

Ju: Demnächst stehen die ersten Prozesse an und wir müssen natürlich abwarten, was dabei herauskommt. Ansonsten freuen wir uns natürlich über diese Kampagne, jede Form von Unterstützung und weitere kreative Aktionen gegen die AfD.

SIDS: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei den Prozessen!

Unterstützt Julia und die anderen Betroffenen! Kommt am 20.09.2017 um 11.00 Uhr zum ersten Prozesstermin zum Amtsgericht Herford!

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- Mittwoch, 20. September 2017 um 11.00 Uhr -


Kundgebung: Sofortige Einstellung aller HudL-Prozesse!


- Aktuelle Informationen: www.sids.blogsport.de


Veranstaltungsort:

Amtsgericht Herford
Auf der Freiheit 7
32052 Herford


1. Prozesstag

Am 20. September 2017 findet um 12.15 Uhr am Amtsgericht Herford der erste Prozess bezüglich des antifaschistischen Protestes im Februar 2017 gegen die AfD im Haus unter den Linden (HudL) statt.

Um uns mit unserem Genossen zu solidarisieren, ist ab 11.00 Uhr vor dem Amtsgericht Herford eine Kundgebung angemeldet. Des Weiteren tragen wir somit unsere Forderung auf die Straße: Sofortige Einstellung aller HudL-Prozesse!

Nach der Kundgebung werden wir gemeinsam den Prozess verfolgen.

Wir freuen uns über zahlreiche Unterstützung!


Aufruf: Solidarität ist der Schlüssel - gegen Repression und Nationalismus

Am 28.02.2017 hatte die AfD im Haus unter den Linden (HudL) in Herford eine Wahlkampfveranstaltung für die Landtagswahlen in NRW angekündigt, um unter dem Deckmantel einer demokratischen Partei ungestört ihren völkischen Nationalismus und ihre rassistischen Positionen unter die Leute bringen zu können. Doch daraus wurde zunächst nichts, denn AntifaschistInnen protestierten unter dem Motto "Kein Raum für rechte Hetze" friedlich mit einer Sitzblockade auf den Treppen zu den Veranstaltungsräumen. Die DemonstrantInnen forderten von der Stadt Herford als Betreiberin des Bürgerzentrums eine Absage der Veranstaltung. Dieser Forderung schlossen sich über 150 Menschen vor dem HudL an, die dem Demonstrationsaufruf des Herforder "Bündnis gegen Rechts" gefolgt waren.

Trotz des friedlichen Charakters der Sitzblockade gingen die Beamten der Einsatzhundertschaft aus Dortmund unter Leitung des Herforder Hauptkommissars Rainer Koch mit unverhältnismäßiger Härte gegen die Demonstrierenden vor. Nachdem die Presse durch die Polizei vom Ort des Geschehens verwiesen wurde, räumte die Polizei durch Tritte und gezielte Faustschläge der AfD den Weg frei! AktivistInnen wurden unter menschenverachtenden Beleidigungen durch die Beamten aus dem Gebäude geschleift. Die vor dem Haus protestierenden BürgerInnen waren vom brutalen Vorgehen der Polizei schockiert und solidarisierten sich mit den Betroffenen. Kritische Stimmen zum Einsatz der Polizei fanden auch VertreterInnen der Partei Die Linke und des DGB bei einer anschließenden Pressekonferenz.

In Anbetracht von rassistischer Hetze, Anschlägen auf Geflüchtete und deren Unterkünfte sowie der unmenschlichen EU-Abschottungspolitik ist ein entschlossener Protest gegen diese Zustände notwendiger denn je! Trotzdem wird einzelnen BlockiererInnen der "HudL-Aktion" jetzt der Prozess gemacht. Diese Kriminalisierung linken Protestes und die damit einhergehende Legitimierung von Polizeigewalt werden wir nicht hinnehmen! Deshalb solidarisieren wir uns mit den von Repression betroffenen AntifaschistInnen und fordern die sofortige Einstellung aller Prozesse! Unterstützt uns und lasst die Leute nicht alleine!

Betroffen sind Einzelne - Gemeint sind wir Alle!

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Westfalen-Blatt Online, 28.02.2017:

Heftiger Protest gegen AfD-Veranstaltung im HudL - Polizisten räumen Bürgerzentrum

Demonstranten ketten sich in Herford fest

Von Ralf Meistes

Herford (WB). Von heftigen Protesten begleitet, fand am Dienstagabend eine Veranstaltung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Haus unter den Linden (HudL) in Herford statt. Die Vorstellung des AfD-Landtagskandidaten Markus Wagner (Wahlkreis 90) begann mit erheblicher Verspätung, weil sich etwa 30 Demonstranten im HudL festgekettet hatten.

Nach Angaben der Polizei hatten sich etwa 30 Personen außerhalb der Öffnungszeiten Zutritt zum Begegnungszentrum verschafft. "Die Personen aus dem linksautonomen Bereich haben sich an der Treppe hinauf zur 1. Etage und in einigen Räumen im ersten Stock angekettet", sagte Polizeisprecher Uwe Maser.

Die Polizei Herford, die von Kräften einer Hundertschaft aus Dortmund verstärkt wurde, transportierte die Demonstranten einzeln ab. Drei Polizisten wurden bei dem Einsatz verletzt, einer trug eine Bisswunde davon, zwei erlitten Prellungen durch Schläge.

Begleitet wurde die Szenerie von etwa 50 AfD-Anhängern, die zum Teil mit ihren Handys den Polizeieinsatz filmten. Draußen, vor dem HudL, wurden die abgeführten Protestler von etwa 100 Gegendemonstranten bejubelt.

Wie kamen Linksautonome ins Gebäude?

Eigentlich sollte ab 20 Uhr Markus Wagner als AfD-Direktkandidat zur Landtagswahl im Wahlkreis 90 (Herford I - Minden-Lübbecke III) zu seinen Anhängern sprechen. Doch auch um 20.30 Uhr trug die Polizei noch Linksautonome aus dem Gebäude. Die AfD hatte den Saal im ersten Stock gemietet und wollte offenbar auch nicht auf das HudL-Café im Erdgeschoss ausweichen. Die Versammlung musste mit einer Stunde Verspätung stattfinden.

Unklar war am Abend noch, wie die Demonstranten außerhalb der Öffnungszeiten ins Gebäude gelangen konnten. Türen wurden nicht aufgebrochen. "Wir wollen auf jeden Fall wissen, wer die Störer hier reingelassen hat", sagte Hans-Ulrich Kalb von der AfD in Herford. Am Nachmittag hatte eine HudL-Gruppe noch einen Raum benutzt.

"Es gab von Seiten einiger Demonstranten, die wir aus dem Gebäude entfernt haben, heftigen Widerstand gegen Polizeibeamte. Davon wird einiges zur Anzeige gebracht", sagte Uwe Maser. Strafverfahren wegen Hausfriedensbruch, Nötigung und Widerstand gegen Polizeibeamte würden vorbereitet.

Friedliche Demo vor der Tür

Draußen demonstrierten etwa 100 Herforder mit Plakaten friedlich gegen die AfD. Bereits ab 19 Uhr hatte man sich hier versammelt. Unter ihnen waren etliche Lokalpolitiker aus dem Kreis sowie Freunde und Nutzer des Hauses unter den Linden. Auf ihren Transparenten war zu lesen "Hilfe statt Hass" oder "AfD - braune Politik in blauer Farbe".

Zur Demo aufgerufen hatte Volker Stumpf, Mitglied im Seniorenbeirat und im HudL-Förderverein. Er hatte bereits im Vorfeld die Stadt Herford als Trägerin der Einrichtung dafür kritisiert, dass sie die HudL-Räume zur Verfügung gestellt hatte.

Die Stadt hatte sich als Trägerin gezwungen gesehen, der AfD die Räume zu überlassen. Schließlich, so Stadtpressesprecherin Susanne Körner, handele es sich um eine nach dem Parteiengesetz zugelassene Partei. Diese sei verfassungsrechtlich geschützt. Es habe keine juristischen Gründe gegeben, der AfD die Räume zu verwehren. "Andernfalls hätte die Partei gegen die Stadt klagen können", hatte Bürgermeister Tim Kähler am Freitag im Rat noch einmal betont.

AfD-Kreistagsmitglied verurteilt Proteste

AfD-Kreistagsmitglied Herbert Weber konnte am Dienstagabend nicht an der Veranstaltung im HudL teilnehmen. In einer Pressemitteilung verurteilte er aber die Proteste gegen die AfD-Veranstaltung.

In seiner Stellungnahme wies Weber noch einmal auf die Vorkommnisse vom Mai 2016 hin, als Vermummte den AfD-Kreisparteitag in einem Herforder Hotel gestört haben. "Da wird mit allen Mitteln versucht, denjenigen den Mund zu verbieten, die sich in einer städtischen Einrichtung friedlich aber kritisch versammeln, um auf Missstände und Rechtsbruch hinzuweisen", schreibt Weber.

Nach Protesten von linken Gruppierungen im Jahr 2015 hatten etliche Gastronomen in Herford davon Abstand genommen, die AfD zu bewirten. Auch deshalb ist wohl die Wahl aufs HudL als Veranstaltungsort gefallen.

Bildunterschrift: Mehrere Polizisten bändigen einen jungen Mann, der sich weigert, das Bürgerzentrum zu verlassen.


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