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Blick nach Rechts , 25.01.2008 :

"Disziplin und Gehorsam" / Die neonazistische "Heimattreue Deutsche Jugend" drillt in ihren Lagern Kinder und Jugendliche in "soldatischer Erziehung"

Von Andrea Röpke

Am Telefon meldete sich Laurens Nothdurft, angehender Jurist aus Berlin. Für ein bevorstehendes "Pfadfinder-Familientreffen" buchte er die gesamte Burg Hohenberg im Landkreis Wunsiedel über Silvester Ende 2006. Auch das Vorgespräch mit Denis Schauer aus Berlin verlief freundlich. Erst bei der Ankunft der rund 90 Kinder, Jugendlichen und Betreuer wurde den Herbergsbetreibern klar, dass sie es mit Anhängern einer neonazistischen Gruppe zutun bekamen. Nothdurft und seine Frau gehörten zum langjährigen Führungspersonal der "Heimattreuen Deutschen Jugend", Schauer ist als Führer der "Einheit Preussen" einer der rührigsten Aktivisten.

Steffen Hörtler, der Geschäftsführer der Grenzlandbildungsstätte als Betreiber der Burg eilte sofort herbei. Am Eingang fielen ihm die Wachen am Tor auf. "Ich bin ja ein grundkonservativer Mensch, aber das ging zu weit", so Hörtler, "das hatte einen militärischen Charakter". "Halt! Stehen bleiben!" forderten ihn die Wachen auf. "Und das Schlimme war, sie hatten alle genau denselben Ton", berichtet er. Als der Hausherr sich vorstellte und nachhakte, was das solle, bekam er zu hören: "Sie sind nicht berechtigt, uns eine Frage zu stellen!" Hörtler informierte die Polizei, aber die hob nur die Schulter und sagte, das sei ein eingetragener Verein, "da könne man nichts machen". Am meisten erschütterten die Herbergsbetreiber die Bilder von den Kindern, die frierend in Uniform Fahnenwache schieben mussten und trotz der Kälte nicht reinkommen durften. "Die wollten ihre Kinder eindeutig abhärten."

"Liegestützen in uniformähnlicher Kleidung"

Als die braune Truppe dann Anfang 2007 in Richtung Wunsiedel abreiste, wurde in Hohenberg aufgeatmet. Jetzt allerdings taucht eine neue Konfrontation für Hörtler und seine Kollegen im Internet auf. Die HDJ hat ihren Aufenthalt in Burg Hohenberg ohne Genehmigung des Hausherrn gefimt und als Werbefilm ins Netz gestellt. "Wir geben uns selbst und suchen – DICH" heißt es in dem rund 4-minütigen Video der rechtsextremen Organisation. Es werden fröhliche Kinder in einheitlicher Kleidung beim Antreten und Runen zeichnen gezeigt. Eine Fahne wird gehisst und weiße Zelte stehen im Innenhof. Der Film ist auch bei Youtube abrufbar. Hörtler ist verärgert, er denkt über rechtliche Schritte nach. Die Burg gehört dem Freistaat Bayern und wird seit 1955 an den Trägerverein vermietet.

St. Goarshausen in Rheinland-Pfalz. Dietlind Naumann aus Eberbach mietet für 114 Kinder, Jugendiche und Betreuer einer „Familien- und Jugendgruppe“ über Silvester 2007 das "Turner- und Jugendheim". Zum Winterlager reisten Teilnehmer aus allen Teilen der Republik an, auch aus Berlin. "Die sagten Guten Morgen und hinterließen alles sauber", erzählt der Herbergsvater. Dennoch fiel auch ihm auf, dass hinter dieser harmlosen Gruppe die Heimattreue Deutsche Jugend steckte. "Es war alles sehr paramilitärisch", fügt er hinzu. Die seien in Marschordnung angetreten. Zwei Mann seien jeweils zur Bewachung abgestellt worden. Eine Mitarbeiterin erzählte von einer Beobachtung: Vor der Abreise am 2. Januar dieses Jahres hätten sich alle im Spalier aufgestellt, eine Kiste wurde hineingetragen, darin befanden sich vergessene und verlorene Dinge. Diejenigen, die nach vorne gerufen wurden, mussten vortreten und zur Strafe Liegestützen machen. "Es sah alles genauso aus wie im Werbevideo der HDJ", bestätigt der Herbergsvater, "die trugen auch alle uniformähnliche Kleidung".

"Militärischer Charakter"

Der Verfassungsschutz in Bayern hat Kenntnis vom Winterlager der HDJ in Franken vor einem Jahr, aber vom aktuellen Lager kennt man bisher nur die Ankündigung: "Zur Durchführung konnte die Fachabteilung bisher noch nichts sagen", heißt es. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz liegen keine Hinweise vor, dass ein Winterlager überhaupt stattgefunden hat. Auch das Bundesinnenministerium will zum aktuellen Winterlager der Rechtsextremisten "keine Stellung" nehmen.

Seit Mitte 2007 besteht ein vom Schäuble-Ministerium erlassenes Uniformverbot für die HDJ. Von der Organisation beantragte Ausnahmegenehmigungen wurden abgelehnt, weil "die politische die jugendpflegerische Betätigung überwiegt". Auch die von der HDJ Ende Oktober 2007 erhobene Klage gegen den Bescheid der Behörde ändert daran nichts, das Verbot gilt. Die Strafverfolgung sei Sache der Länder, heißt es vonseiten des Bundesinnenministeriums in Berlin. Zuwiderhandlungen gegen das Vereinsrecht können mit Strafen von bis zu 2 Jahren geahndet werden.

Die HDJ-Bundesführung zeigt sich allerdings "mäßig beeindruckt" von der Tatsache, dass "man uns in die stillose BRDisten-Uniform zwingen will. Wir entscheiden immer noch selbst, welche Kleidungsstücke wir tragen." Daran ändere auch "ein Stück Papier mit amtlichen Briefkopf" nichts.

Auch im neuen HDJ-Kalender "Unser Leben 2008" treten zahlreiche Kinder in den bei der Organisation üblichen Uniformstücken auf, als gebe es überhaupt keinen Erlass. In diesem Kalender, der auch im Internet beworben wird, gibt die braune Erzieher-Truppe "die Ideale soldatischer Erziehung" als "schwerwiegendes" Ziel an. Außerdem heißt es: "wir verlangen Disziplin und Gehorsam."


nandlinger@bnr.de

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