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Neue Westfälische Online , 25.11.2021 :

Reichsbürger sorgen für Belastung bei Behörden in OWL

Stand 25.11.2021 - 17.38 Uhr

Einblick in die Region

Die Ämter in ganz OWL haben bereits so manche Erfahrung mit Anhängern der Bewegung gemacht. Ein Kreis offenbar ganz besonders. Doch wie genau? Ein Blick in die Region.

Lukas Brekenkamp

Bielefeld. Alleine in OWL rechnen Sicherheitsbehörden und Verfassungsschutz Hunderte Personen der Reichsbürger-Szene zu. In NRW gilt die Region zwischen Minden und Paderborn gar als regelrechter Hotspot. Die Anhänger kosten die Behörden und Ämter einige Nerven. Doch wie genau?

Im Fokus der Behörden stehen so genannte Reichsbürger und Selbstverwalter erst seit ein paar Jahren. Mittlerweile geht man alleine in NRW davon aus, dass 3.200 Personen zur Szene rund um die Staatsleugner gehören. Die meisten Reichsbürger sind männlich, zwischen 40 und 60 Jahren alt. Der NRW-Verfassungsschutz sieht OWL als einen Reichsbürger-Hotspot. Hier werden etwa 450 Personen der Szene zugerechnet. Besonders im ländlichen Raum sind die Personen vertreten - vor allem in den Kreisen Herford, Gütersloh und Minden-Lübbecke.

Verschiedene Gruppen in der Region aktiv

Die Szene wird als stetig im Wandel beschrieben. Es gibt kleine Gruppen, zum Teil sektenartig. In OWL ist die "Justiz-Opfer-Hilfe" aufgefallen, die Szene-Anhänger mit vermeintlichen juristischen Ratschlägen unterstützt. Früher hatte die Gruppierung ihren Sitz in Löhne, mittlerweile im niedersächsischen Rinteln. Der Einfluss über die Grenze nach OWL sei laut NRW-Verfassungsschutz jedoch allgegenwärtig.

Eine andere Gruppe: der Verein "Geeinte Völker und Stämme", der 2020 verboten wurde. Dabei gab Durchsuchungen in Bünde und Preußisch Oldendorf. Ex-Mitglieder seien seitdem damit aufgefallen, dass sie durch Schreiben vor einer angebliche Zwangsimpfung warnen. Daneben gibt es in der Region viele Einzelpersonen. Generell fallen Reichsbürger damit auf, sich an Behörden zu wenden und dabei dem Staat die Legitimation absprechen.

Wöchentliche Anfragen in Bielefeld

In Bielefeld berichtet die Stadt gegenüber nw.de, dass sich einige Personen regelmäßig auf diese Art an die hiesigen Behörden wenden. Über genaue Inhalte wolle man nichts verraten - aus Sorge vor Nachahmern. Nur so viel: Solche Kontaktaufnahmen geschehen nahezu wöchentlich.

Im Kreis Minden-Lübbecke erhält man immer wieder Schreiben, "die offensichtlich dem Spektrum der Reichsbürger zuzuordnen sind", berichtet eine Sprecherin. Dabei handele es sich vor allem um Flyer, auf denen es darum geht, dass die Verordnung von Masken- und Test-Pflicht oder aber die Schulpflicht "Zwangsmaßnahmen an Kindern" seien. Die wirre Begründung: Die Gesetze und Verordnungen der BRD seien nicht gültig, bei der BRD würde es sich um eine Firma handeln.

Im Kreis Lippe spricht man von vereinzelten Reichsbürger-Zwischenfällen im Zusammenhang mit allgemeinen Verwaltungsakten. Von vereinzelten Mails aus der Szene berichtet auch der Kreis Paderborn. Von einem vermehrten Aufkommen während der Pandemie berichtet kein Kreis und auch nicht die Stadt Bielefeld.

Einblicke in den "Hotspot"

Im Kreis Herford, einer Hochburg der Szene, sieht es extremer aus. Hier ist eine "höhere zweistellige Anzahl an Personen" bekannt, die mit verschiedenen Anliegen an die Kreisverwaltung herantreten und dem Milieu der Reichsbürger zuzuordnen sind. "In den meisten Fällen wurde die Kreisverwaltung nur einmal kontaktiert, eine gewisse Anzahl an Personen tut dies mehrfach", berichtet ein Sprecher.

Solche Schreiben oder Anrufe richten sich an verschiedene Bereiche der Verwaltung. In den meisten Fällen sind sie aber an Ordnungsamt oder Ausländerbehörde adressiert. Der Grund: Es "wird beispielsweise die Ausstellung nicht existierender "preußischer" Ausweisdokumente gefordert. Vereinzelt kommt es auch zu Klagen gegen den Kreis", berichtet der Sprecher. Solche Erfahrungen hätten während der Corona-Pandemie leicht zugenommen.

Überschneidungen mit Corona-Kritikern

Bereits in der Vergangenheit hat die Bielefelder Polizei zudem von verschiedenen Formen berichtet, durch die Reichsbürger in der Region aufgefallen sind. Mit bis zu 50 Seiten langen Schreiben haben sich demnach Personen der Szene bereits an Behörden gewandt, um aus der "GmbH" Deutschland auszutreten. Auch Bußgelder oder Gebühren seien von manchen Personen nicht gezahlt worden. Und: "In einigen Fällen wurde versucht, Gerichtsvollzieher oder andere Verwaltungsbeamte zu erpressen, von der Vollstreckung oder anderen Maßnahmen zurückzutreten", hieß es in der Vergangenheit von der Polizei.

In OWL gibt es laut Polizei Bielefeld Überschneidungen zwischen Reichsbürgern und Corona-Kritikern. Der Staatsschutz berichtet: "Mit Beginn der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie stieg die Zahl der Sachverhalte mit Reichsbürgern an. Derzeit ist sie, wie auch die Gesamtzahl der Sachverhalte mit Corona-Bezug rückläufig."

Mails an Politiker und Co.

Zudem berichtet die Polizei in Bielefeld, dass es zuletzt zu einer großen Menge an Spam-Mails gekommen sei. Absender war die selbsternannte S.H.A.E.F.-Regierung (Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force). Die Mails seien an Behörden, Politiker und anderer Institutionen gerichtet. Ihnen sei mit Verhaftung und Geldforderungen gedroht worden, "um sie zu zwingen, den angeblich andauernden Besatzungszustand anzuerkennen". Dafür verantwortlich scheint eine Gruppe von Personen "unter Führung eines Mannes aus Niedersachsen" zu sein.

Generell sei in OWL zu beobachten, dass die Aktivitäten der Szene überwiegend von "verbaler Agitation" gegen den Staat geprägt sei. "Allerdings geht hiervon die Gefahr aus, dass sich Einzelpersonen oder Kleingruppen radikalisieren und letztlich Gewalttaten begehen", so der Staatsschutz.

Dem NRW-Verfassungsschutz sind darüber hinaus Beteiligungen von Reichsbürgern an Verteil-Aktionen von Corona-kritischen Flyern in OWL bekannt. Zum Beispiel im Raum Detmold. Oder auch in Bünde - hier haben mutmaßliche Anhänger die Flyer sogar an Schulen verteilt.

Bildunterschrift: Vor allem der Kreis Herford gilt in OWL als Hochburg für Reichsbürger.

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Neue Westfälische, 25.11.2021:

Extremisten horten Waffen

Mehr als 200 Personen aus dem extremistischen Spektrum oder der Reichsbürger-Szene haben in NRW eine entsprechende Erlaubnis / Viele wurden aber schon "entwaffnet"

Lukas Brekenkamp

Bielefeld. In Nordrhein-Westfalen dürfen mehr als 200 Extremisten und Reichsbürger verschiedene Waffen besitzen. Das geht aus Zahlen hervor, die der NRW-Verfassungsschutz mitgeteilt hat. Und viele haben offenbar tatsächlich eine Schusswaffe.

Alleine im Bereich Rechtsextremismus besitzen 188 Personen eine waffenrechtliche Erlaubnis. Etwa den Kleinen Waffenschein oder eine Waffenbesitzkarte, durch die man Schusswaffen besitzen darf. Ein großer Teil der Personen fallen in das Spektrum der Reichsbürger und Selbstverwalter - konkret 153 Personen. Doch auch Personen, die der Partei Die Rechte (13 Extremisten), dem Verein Identitäre Bewegung (12) oder der NPD (6) zugerechnet werden, dürfen offiziell Waffen besitzen. Sogar ein Extremist aus dem Ku-Klux-Klan hat in NRW eine entsprechende Erlaubnis. Die Zahlen stammen aus dem Dezember 2020.

Doch auch in anderen Phänomenbereichen besitzen einige zugerechnete Personen die offizielle Erlaubnis, Waffen wie Schreckschuss- und Reizstoffwaffen oder sogar Schusswaffen zu besitzen. Im Bereich des Linksextremismus sind das neun Personen, hinzu kommen 36 Islamisten (Stand: Februar 2021).

Entziehung der Erlaubnis möglich

Wie viele Personen tatsächlich eine Waffe besitzen, ist unklar. Experten vermuten eine hohe Dunkelziffer an illegalen Waffen in Deutschland. Allerdings: 74 rechtsextreme Personen (davon 63 Reichsbürger) haben laut NRW-Verfassungsschutz eine Waffenbesitzkarte, auf der die Schusswaffen im eigenen Besitz eingetragen werden. Jeweils vier weitere Personen gehören zur Identitären Bewegung und zur Partei Die Rechte, drei Extremisten mit Waffenbesitzkarte werden der NPD zugerechnet. Hinzu kommt ein Linksextremist sowie sechs Islamisten.

Mittlerweile dürfte sich die Zahl allerdings tatsächlich verringert haben. Denn seit dem Februar 2020 - durch eine Änderung des Waffengesetzes - ist es möglich, im Rahmen der Eignungsprüfung für den Waffenbesitz den hiesigen Verfassungsschutz ins Boot zu holen. So kann geprüft werden, ob Personen mit Waffenerlaubnis der extremistischen Szene zugerechnet werden oder sicherheitsrelevante Hinweise vorliegen. Auch später gewonnenen Hinweisen zu den betroffenen Personen sollen laut Gesetz an die zuständige Waffenbehörde weitergegeben werden. So soll es leichter sein, Extremisten eine waffenrechtliche Erlaubnis zu verwehren - oder gar zu entziehen.

Und genau das ist in NRW auch schon häufig passiert, wie aus Zahlen des NRW-Innenministeriums hervor geht: So wurden Mitte des Jahres bereits 28 Rechtsextremen die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen, hinzu kommen 135 Reichsbürger. Allerdings sind einige dieser Maßnahmen vor Gericht gelandet - manche Verfahren laufen noch.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Marc Lürbke, sagt: "Die konstant rückläufige Anzahl waffenrechtlicher Erlaubnisse von Extremisten zeigt, dass wir in NRW auf dem richtigen Weg sind. Unsere Sicherheitsbehörden haben in NRW in den letzten Jahren bereits bei Hunderten Rechtsextremisten und Reichsbürgern konsequent den Waffenschrank geleert." Dabei hebt er die hohe Zahl an Reichsbürgern, die ihre Waffenerlaubnis verloren haben, hervor. "Dieser Kurs ist richtig und muss besonders angesichts der weiter steigenden Zahlen von Reichsbürgern hartnäckig fortgesetzt werden. Wer unsere freiheitlich-demokratische Verfassung bekämpft, darf nicht legal in den Besitz einer Waffe gelangen."

Lürbke betont: "Waffen gehören nicht in die Hände von Verfassungsfeinden." Er warnt: "Ein weiteres Augenmerk muss zudem künftig verstärkt auch auf so genannten "Hybridwaffen" liegen - also Schusswaffen, die ganz oder zum Teil zu Hause mit dem privaten 3D-Drucker gefertigt werden können." Dies sei "ein gefährlicher Trend". Und: "Gerade diese Waffen tauchen genauso wie illegale Waffen in den Statistiken ja gar nicht auf."

Bildunterschrift: Vor allem Anhänger der Reichsbürger-Szene gelten als waffenaffin, teils horten die Personen gar ganze Arsenale. Die Polizei zeigt im Polizeipräsidium Wuppertal sichergestellte Waffen aus Solingen.

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Am 25. November 2021 berichtete Lukas Brekenkamp in der Online-Ausgabe der "Neue Westfälische(n)", dass der NRW-Verfassungsschutz - "etwa 450 Personen" in OWL der "Reichsbürger"-Bewegung zuschreibt.

Am 11. November 2021 wurden in Blomberg-Tintrup DIN A5-Flyer mit Reichsflagge - vom "Vaterländischen Hilfsdienst" ("VHD") - einem bundesweiten Zusammenschluss aus der "Reichsbürger"-Bewegung, entfernt.

Am 2. November 2021 gewann ein der "Reichsbürger"-Szene nahe stehender 57-jähriger Maschinenbauer, der bei der Arbeit keine Maske trägt, eine Klage am Arbeitsgericht Herford - es sei kein Kündigungsgrund.

Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes, die Zahl der "Reichsbürger" in "sonstige Orte" mit 54.

Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes die Zahl der "Reichsbürger" im Kreis Paderborn mit 39.

Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes, die Anzahl der "Reichsbürger" im Kreis Höxter mit 26.

Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes, die Anzahl von "Reichsbürgern" im Kreis Lippe mit 56.

Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes, die Zahl der "Reichsbürger" im Kreis Gütersloh mit 59.

Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutz die Zahl der "Reichsbürger" in der Stadt Bielefeld mit 23.

Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes die Anzahl der "Reichsbürger" im Kreis Herford mit 81.

Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Staatsschutz, die Zahl der "Reichsbürger" im Kreis Minden-Lübbecke mit genau 57.

Am 22. Juni 2021 teilte das Polizeipräsidium Bielefeld mit, dass für das Jahr 2020, gesamt 395 Personen, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" - der "Reichsbürger-Szene" zugeordnet wurden.

Von Oktober 2020 bis Mitte April 2021 erfasste der NRW-Verfassungsschutz 136 Corona-Demonstrationen im Regierungsbezirk Detmold (OWL), das ist ein Anteil von 19 Prozent an sämtlichen Zusammenkünften.

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