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Schwarzwälder Bote Online , 17.02.2018 :

Akte Altermedia nicht geschlossen

17.02.2018 - 03.50 Uhr

Von Marc Eich

Schwarzwald-Baar-Kreis. Es schien nur Formsache, nun ist es klar: Die Akte Altermedia kann noch nicht geschlossen werden. Beim Oberlandesgericht in Stuttgart wurde Revision eingelegt. Somit ist das Urteil gegen die Betreiber der mittlerweile stillgelegten Neonazi-Plattform noch nicht rechtskräftig.

"Es sind mehrere Revisionen eingegangen", erklärt eine Sprecherin des Gerichts am Freitag auf Anfrage des Schwarzwälder Boten. Welcher der Angeklagten gegen das Urteil des 5. Strafsenats unter dem Vorsitz von Herbert Anderer vorgehen, ist allerdings noch nicht klar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch der St. Georgener Ralph-Thomas K., der wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, seine Verurteilung anfechten wird.

Revision schon angekündigt

Die hatte sein Verteidiger beim Plädoyer bereits angekündigt. Der Grund: Er sah es als problematisch an, dass "nur Personen mit rechter politischer Gesinnung" die Gründung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird. Dies sei "verfassungsrechtlich problematisch", da ein Gesetz nicht willkürlich oder nur gegen eine bestimmte Personengruppe angewendet werden dürfe. Ob die damalige Begründung auch bei der Revision eine Rolle spielt, ist jedoch noch unklar.

Innerhalb eines Monats muss die Revision nun begründet werden. Anschließend wird entschieden, ob die Revision wegen Unzulässigkeit verworfen wird oder ob das Gericht eingelegte Revision für begründet hält und das Urteil aufhebt.

Neben dem 29-jährigen St. Georgener wurden nach insgesamt 13 Verhandlungstagen die 49 Jahre alte Jutta V. aus Nordrhein-Westfalen sowie zwei weitere Frauen zu Bewährungsstrafen zwischen acht Monaten und zwei Jahren verurteilt.

Bildunterschrift: Der 29-Jährige Ralph-Thomas K. (links, hier mit seinem Verteidiger) wurde vergangene Woche Donnerstag zu einer Haftstrafe verurteilt. Nun wurde gegen das Urteil Revision eingelegt.

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Blick nach Rechts, 12.02.2018:

"Kriminelle Vereinigung "Altermedia""

Von Sebastian Lipp

Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat vergangene Woche gegen vier Neonazis für den Betrieb des Internetportals "Altermedia-Deutschland" Haft- beziehungsweise Bewährungsstrafen ausgesprochen.

Der 29 Jahre alte Neonazi Ralph-Thomas K. wurde wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung in mehreren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine 49-jährige Komplizin hatte sich nach Auffassung des Staatsschutzsenats zwar in ähnlich tragender Rolle als Kopf der Vereinigung erwiesen. Trotzdem erhielt Jutta V. eine deutlich mildere Freiheitsstrafe, die zudem zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das habe sie, so der dem Senat vorsitzende Richter Herbert Anderer ihrer umfangreichen Kooperation während des Verfahrens zu verdanken. Wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an der kriminellen Vereinigung "Altermedia" und Volksverhetzung droht der 64-jährigen Irmgard T. eine 15-monatige Freiheitsstrafe, wenn sie innerhalb der nächsten drei Jahre erneut straffällig werden sollte. Der 62 Jahre alten Talmara Sch. wies das Gericht ebenfalls die Mitgliedschaft sowie die Beihilfe zur Volksverhetzung nach. Auch ihre achtmonatige Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Dem Urteil waren 13 Verhandlungstage seit dem 14. September 2017 voraus gegangen. Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte der Senat unter anderem mehrere Bild- und Videodokumente in Augenschein genommen und eine Vielzahl von Texten eingeführt. Nach den Feststellungen des Senats betrieben die Angeklagten seit dem Jahr 2012 in teils wechselnder Besetzung und unter Beteiligung weiterer unbekannt gebliebener Täter die Internetseite "altermedia-deutschland.info". Auf der für jedermann zugänglichen Seite wurden bis zur Abschaltung im Januar 2016 fortlaufend Nachrichten, Informationen und Propagandaschriften veröffentlicht, die für die Anhänger rechtsextremem und nationalsozialistischem Gedankenguts von Interesse waren. Damit schufen die Angeklagten in den Worten der Bundesanwaltschaft eine "braun-zensierte Berichterstattung zu tagesaktuellen Themen" und eine Art rechtsextremer Gegenöffentlichkeit. Das Gericht folgte mit dem Urteil weitgehend der Argumentation der Karlsruher Anklagebehörde.

Feste Organisationsstruktur zum Betrieb der Seite

Die Nutzer der Seite hatten die Möglichkeit, diese Inhalte mit öffentlich sichtbaren Kommentaren zu versehen und sich untereinander in verschiedenen Foren auszutauschen. Ein besonderes, auch von den Nutzern geschätztes Merkmal der Seite war es, dass auch solche Inhalte und Kommentare veröffentlicht wurden, durch die in einer strafbaren Weise gegen Ausländer, Flüchtlinge, Muslime oder Juden gehetzt und diese beispielsweise Schädlingen, Schmarotzern, Unrat oder Krankheiten gleichgesetzt wurden. Auch Stellungnahmen, die die Ermordung hunderttausender Juden im Konzentrationslager Auschwitz oder andere unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Verbrechen leugneten, wurden gezielt auf der Seite veröffentlicht. Kommentare wie "es müsste so was wie eine deutsche völkische Mafia geben", die zeige "wo der Hammer hängt", klingen in diesem Zusammenhang wie ein Ruf nach weiteren rechten Terrorzellen nach dem Vorbild des NSU.

Zum Betrieb der Seite ordneten sich die Angeklagten nach Auffassung des Gerichts in eine feste Organisationsstruktur ein. Die Gruppe unterstand der Führung der beiden Angeklagten Jutta V. und Ralph-Thomas K., die eine Doppelspitze bildeten und deren Weisungen sich die anderen Personen, die am Betrieb der Seite mitwirkten, unterzuordnen hatten. Die Angeklagte Jutta V. sei insbesondere dafür zuständig gewesen, die Inhalte auszuwählen, die auf der Startseite veröffentlicht wurden, und prägte damit maßgeblich die thematische Ausrichtung der Seite. Der Angeklagte Ralph-Thomas K. übernahm vorwiegend technische Aufgaben wie etwa die Konfiguration der Server, fiel aber auch durch inhaltliche Beteiligung auf. Er entstammt dem Umfeld der "Freien Kräfte Schwarzwald-Baar-Heuberg", deren Internetpräsenz nicht mehr bedient wird, seit die Behörden gegen "Altermedia" zugriffen. Eine weitere Person, die sich an beiden Organisationen beteiligte, konnte von den Ermittlungsbehörden nicht identifiziert werden. Sie wird von den Angeklagten bis heute gedeckt (Blick nach Rechts berichtete 23.10.2017).

Fast 20 Jahre lang braune Propaganda im Netz verbreitet

Die zwei weiteren Angeklagten hatten als so genannte Moderatorinnen vor allem darauf zu achten, dass die Nutzer der Seite die Forenrichtlinien beachteten, nach denen beispielsweise "antideutsche Beiträge, Kommentare oder Haltungen" nicht geduldet wurden und die "Verherrlichung von semitischen Religionen" untersagt war, zitiert das Gericht in seiner Urteilsbegründung aus dem Forum. Erklärtermaßen sei "entartete" Kunst nicht geduldet worden. Die Mitgliedschaft erforderte allerdings "eine offene Grundhaltung gegenüber dem nationalen Widerstand und der nationalsozialistischen Weltanschauung".

Durch den Betrieb der Seite schufen die Angeklagten die Möglichkeit dafür, dass die Nutzer in einer Vielzahl von Fällen solche strafbaren Inhalte veröffentlichen konnten. Bis zur Abschaltung wurde die Seite nach den Ermittlungen der Polizei im Schnitt pro Tag mehr als 7.000 Mal aufgerufen. Von den Nutzern waren insgesamt mehr als 209.000 Kommentare und Beiträge eingestellt worden. Damit konnte "Altermedia" zeitweise als bedeutendste Informationsplattform der deutschsprachigen extremen Rechten gelten. Als die Ermittler zugriffen, dürfte das Angebot seinen Zenit allerdings längst überschritten haben. Angesichts moderner Sozialer Netze, in die menschenverachtende Hetze in den letzten Jahren verlagert wurde, hatte auch "Altermedia" an Bedeutung für die Szene verloren. Rechnet man Axel Möllers seit 1997 bestehendes Vorgängerprojekt "Störtebeker-Netz" ein, konnte die Plattform unter wechselnder Führung fast 20 Jahre lang braune Propaganda im Internet verbreiten.

Strafmilderung für Angeklagte wegen Zuarbeit an die Ermittler

Die trotz Rädelsführerschaft gewährte besondere Strafmilderung der Angeklagten Jutta V. begründete das Gericht damit, dass sie den Ermittlungsbehörden noch am Tag ihrer Festnahme das Passwort des Internetservers offenbart hatte, auf dem die Seite gehostet war. Hierdurch ermöglichte sie dem Bundeskriminalamt nicht nur eine sofortige Abschaltung der Seite, sondern auch die Sicherung umfangreicher Daten. An Hand dieser Daten konnte sodann in einer Vielzahl von Fällen nachvollzogen werden, in wessen Verantwortung die Veröffentlichung einzelner strafbarer Inhalte fiel. Später übergab sie freiwillig einen Laptop an die Ermittlungsbehörden, der bei den Durchsuchungen nicht gefunden wurde und weiter zurückreichende den Ermittlern bis dato unbekannte Datensicherungen enthielt. Unklar bleibt, ob ein derart detaillierter Tatnachweis ohne diese Zuarbeit überhaupt möglich gewesen wäre.

Ursprünglich wollte sich der Staatsschutzsenat des Oberlandesgericht Stuttgart mit fünf Mitgliedern von "Altermedia" befassen. Der Angeklagte Uwe P. ließ zum ersten Prozesstag allerdings nur seinen Rechtsanwalt erscheinen. Dieser erklärte, sein Mandant halte sich in Spanien auf und sei verhandlungsunfähig erkrankt. Noch ist unklar, ob auch P. sich der Anklage wird stellen müssen.

Das Urteil vom 8. Februar 2018 ist nicht rechtskräftig. Den Angeklagten und dem Generalbundesanwalt steht jeweils das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.

Bildunterschrift: Nach 13 Verhandlungstagen ist im "Altermedia"-Prozess das Urteil gefallen.

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Autonome Antifa Freiburg, 08.02.2018:

Urteile gegen Altermedia

Ralph Kästner wurde am 8. Februar vom Oberlandesgericht Stuttgart wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB sowie Rädelsführerschaft und Verbreitung volksverhetzender Äußerungen zu 2 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt. Die Strategie seines Nazi-Anwalts Alexander Heinig auf Freispruch zu plädieren ist somit gescheitert. Die drei Altermedia-Mitbetreiberinnen Jutta Valentin, Irmgard Thomas und Talmara Schulze wurden zu Bewährungsstrafen zwischen acht Monaten und zwei Jahren verurteilt. Der NPDler Jan Zimmermann kommentierte das Urteil auf Facebook: "Bei der Judikative steckt der Jud schon im Namen drin."


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