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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West , 18.07.2013 :

Neues Heim für Flüchtlinge kommt / Stadt will auch zwei weitere Sozialarbeiter einstellen

Von Ansgar Mönter

Bielefeld. Asylsuchende Flüchtlinge sollen in Zukunft in Bielefeld würdiger untergebracht werden; zudem werden sich zwei Sozialarbeiter zusätzlich um sie kümmern. Das ist der Inhalt zweier Vorlagen, die das Sozialamt dem Sozialausschuss kurzfristig vorgelegt hat. Die Entscheidung darüber soll am 26. September im Stadtrat gefällt werden. Karin Schrader, Vorsitzende des Sozialausschusses, geht fest davon aus, dass die Vorhaben, nach langem hin und her, Zustimmung finden: "Es gibt einen Konsens."

Wie berichtet herrscht derzeit extreme Raumknappheit für Asylbewerber, die der Kommune zugewiesen werden, ebenso ein Betreuungsnotstand. Die Übergangsheime - eines befindet sich im Stadtbezirk Mitte, ein weiteres in Brackwede - sind auch noch in einem sehr schlechten Zustand. "Baulich dringend sanierungsbedürftig" heißt es in der Vorlage. Sie sollen zugunsten eines alten Fabrikgebäudes am Brackweder Bahnhof endgültig aufgegeben werden. Dieses wurde 1983 im Auftrag der Stadt durch die BGW zu einem Wohnhaus umgebaut und soll als Übergangsheim für die Flüchtlinge saniert werden, um 2015 in Betrieb genommen werden zu können. Der Komplex würde 183 Flüchtlingen Platz bieten. Bisher hat die Stadt 172 Plätze zur Verfügung. Die jährlichen Kosten liegen laut Sozialdezernent Tim Kähler bei diesem Modell rund 100.000 Euro niedriger als bei der Weiternutzung der bisherigen Standorte, falls auch diese saniert würden.

Um die soziale und psychologische Betreuung der Asylbewerber kümmern sich demnächst mehrere Sozialarbeiter auf 3,6 Stellen, statt wie bisher vor allem ein Mitarbeiter, der diese extrem wichtige Aufgabe kaum schaffen kann. 2012 kamen 287 Flüchtlinge nach Bielefeld, für 2013 rechnet die Stadt mit 332 zugewiesenen Asylbewerbern in 116 Haushalten. Einige davon werden auch zukünftig entweder in Wohnungen vermittelt oder speziellen Unterkünften, zum Beispiel für alleinstehende Männer, zugewiesen.

Bildunterschrift: Umbau nötig: Mögliches neues Übergangsheim in Brackwede.

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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 16.07.2013:

Kommentar / Unterbringung zugewiesener Flüchtlinge in Bielefeld / Recht und Pflicht

Ansgar Mönter

Flüchtlinge würdig unterzubringen und zu betreuen ist mehr als eine menschliche Selbstverständlichkeit; es ist eine Pflicht. Es ist das Recht der Asylsuchenden. Zudem ist es klug. Denn etliche derjenigen, die vor Kriegen wie in Syrien oder Bomben wie im Irak, ethnischen Diskriminierungen oder anderen Gefahren für Leib und Leben fliehen, werden bleiben, werden Bielefelder Bürger.

In Bielefeld gibt es Menschen, die sich um sie kümmern. Ohne die städtische Politik und Verwaltung ist das Problem mit dem untragbaren Mangel an Platz und Betreuung für die Asylsuchenden aber nicht zu lösen. Die offensichtliche Wunschvorstellungen einiger Verantwortlicher, dass sich die Sache von alleine löst, wird kaum in Erfüllung gehen.

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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 16.07.2013:

Das verborgene Elend / Raum- und Personalnot: Viele Flüchtlinge leben unter unzumutbaren Bedingungen

Von Ansgar Mönter

Bielefeld. Elendsviertel gibt es in Bielefeld nicht; zumindest keine öffentlich sichtbaren. Sehr wohl aber gibt es Menschen, die im verborgenen Elend hausen müssen: zu Fünft oder mehr in winzigen Zimmern, mitunter ohne warmes Wasser, ohne Waschgelegenheit und Waschmaschine, mit Sammelklos für Dutzende, Tür an Tür mit Menschen aus vollkommen unterschiedlichen Kulturen. Es sind Flüchtlinge, Asylbewerber. Für sie fehlen Raum und Betreuer.

In Bielefeld gibt es drei Arten der Flüchtlingsaufnahme:

Erstens: An der Gütersloher Straße stehen 250 Plätze in der Erstaufnahmestelle des Landes bereit. Die Menschen dort werden innerhalb von Wochen auf Kommunen im Land verteilt.

Zweitens: Minderjährige Flüchtlinge ohne Begleitung werden in speziellen Unterkünften unter der Obhut des Jugendamtes betreut.

Drittens: Asylsuchenden, die Bielefeld regulär zugewiesen bekommt. Und um die geht es. Die Umstände ihres Daseins in der Stadt nennt Katrin Dallwitz - teilweise - "katastrophal". Dallwitz arbeitet beim Arbeitskreis (AK) Asyl. Der kümmert sich um Flüchtlinge. "Viele davon sind traumatisiert", sagt Dallwitz. Sie haben meist eine mehrmonatige Reise von einem Ort zum anderen hinter sich.

Ruhe aber finden sie hier oft nicht. Sie hängen in den engen städtischen Unterkünften fest oder werden in Wohnungen eingewiesen ohne Möbel, Küche oder ausreichenden Gelegenheiten für Hygiene, so dass die Kinder mitunter einen verwahrlosten Eindruck in Kindergarten oder Schule machen. "Es herrscht Chaos", sagen die, die sich um diese Menschen kümmern. Hochschwangere sollen schnell umziehen, Familien mit Klein- und Schulkindern werden aus ihrem ersten gewohnten Umfeld herausgenommen und in entfernte Stadtteile verlegt.

Das Grundproblem Nummer eins: Es mangelt an Raum. Zwischen 300 und 400 Asylsuchende werden Bielefeld jährlich zugewiesen, Tendenz steigend. Die 172 Plätze in den Übergangsheimen der Stadt sind komplett belegt, ebenso die Ausweichquartiere in den Obdachlosenheimen und anderen Notunterkünften.

Zur Zeit werden Wohnungen von der Stadt beschlagnahmt, es gibt sogar Überlegungen, Hotels und Pensionen zwangsweise zu belegen. Die Flüchtlinge werden in der akuten Not um Raum hin und her geschoben, ohne das Rücksicht auf Familiensituationen und Krankheiten genommen wird – oder werden kann.

In der Verwaltung und der Politik haben einige Akteure die prekäre Lage für die Flüchtlinge längst erkannt. Sie drängen auf Veränderung. Die Übergangsheime müssten dringend saniert werden, heißt es. Seit etwa zwei Jahren zum Beispiel plädieren Fachleute und Helfer der Flüchtlinge, ein substantiell gut erhaltenes Fabrikgebäude in Brackwede so umbauen zu lassen, dass endlich würdiger Lebensraum entsteht für die Asylbewerber. Pläne dazu gibt es. Sie liegen bei der BGW.

Perfekt wäre die Situation danach nicht, aber weitaus besser als jetzt, so die Einschätzung. Doch immer wieder wurde die Entscheidung im Rathaus vertagt. Auch gibt es die eindringliche Empfehlung, das Stellenkontingent für die soziale und psychologische Betreuung der Flüchtlinge zu erhöhen. Ohne die kommen sie hier nicht klar. Momentan kümmert sich nur eine Person um die Betroffenen, die im gesamten Stadtgebiet verteilt sind. Mindestens zwei weitere Sozialarbeiter wären nötig. Das kostet Geld. Genauso wie der Umbau des Fabrikgebäudes.

Die adäquate Betreuung und Versorgung der Flüchtlinge ist eine Pflichtaufgabe der Kommune. Sie bekommt dafür eine Pauschale pro Kopf vom Land bezahlt. Am heutigen Dienstag gäbe es abermals die Chance, eine Änderung der Verhältnisse auf den Weg zu bringen. Der Sozialausschuss tagt. Doch die Angelegenheit steht wieder nicht auf der Tagesordnung.

So werden viele Flüchtlinge - sie kommen aus dem Kaukasus, vom Balkan, aus Syrien und dem restlichen Nahen Osten, aus Afghanistan und Afrika - in Bielefeld auf unbestimmte Zeit weiter in elendigen Verhältnissen hausen müssen.

Bildunterschrift: Stapeln sich: Diese Familie, fünfköpfig, aus Armenien muss extrem beengt leben, essen und schlafen - über Monate.

Bildunterschrift: Ohne Spüle: Koch- und Essstelle für eine vierköpfige Familie.

Bildunterschrift: Überlastet: Dusche für dutzende Flüchtlinge.

Bildunterschrift: Eine mögliche Lösung: Dieses ehemalige Fabrikgebäude in Brackwede an der Eisenstraße könnte viele Probleme mindern oder beseitigen. Es steht bereit. Doch es müsste für die Flüchtlingsaufnahme saniert werden.


bielefeld@neue-westfaelische.de

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