Nachrichten ,
25.11.2021 :
Tages-Chronologie von Donnerstag, 25. November 2021
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Pressespiegel überregional
die tageszeitung Online, 25.02.2021:
Prozess gegen KZ-Wachmann / SS-Mitgliedschaft bestritten
Jüdische Allgemeine Online, 25.11.2021:
Sachsenhausen-Prozess fortgesetzt
Blick nach Rechts, 25.02.2021:
Alain de Benoists: Der Antiliberalismus der Neuen Rechten
Neue Westfälische, 25.11.2021:
Extremisten horten Waffen
Jüdische Allgemeine Online, 25.11.2021:
Social Media / Stiftung warnt vor Antisemitismus in Sozialen Netzwerken
Jüdische Allgemeine Online, 25.11.2021:
Generalstaatsanwalt nimmt Ermittlungen gegen Sucharit Bhakdi wieder auf
tagesschau.de, 25.11.2021:
Antisemitische Aussagen / Ermittlungen gegen Bhakdi wieder aufgenommen
Mitteldeutscher Rundfunk, 25.11.2021:
Thüringer AfD-Chef Björn Höcke offenbar mit Corona infiziert
MiGAZIN, 25.11.2021:
NS-Losung / Abgeordneten-Immunität von Thüringens AfD-Chef Höcke aufgehoben
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www.hiergeblieben.de - Zusammenfassung - Donnerstag, 25. November 2021
Vom 15. bis 29. November 2021 zeigt die "Landsmannschaft der Oberschlesier" - "Kreisgruppe Herford" in Herford (Paulus-Kirche) die geschichtsrevisionistische Ausstellung "Das Kreuz im Schatten der Diktaturen".
Am 13. April 2021 wurde beim OLG Stuttgart der Prozess gegen die terroristische Vereinigung "Gruppe S.", auch gegen die Akteure Thomas Niemann (einer der Haupttäter) und Markus Krüper aus Minden eröffnet.
Am 4. November 2020 hat die Bundesanwaltschaft vor dem Staatsschutzsenat des OLG Stuttgart Anklage, gegen "elf mutmaßliche Mitglieder" - so wie "einen mutmaßlichen Unterstützer" der "Gruppe S.", erhoben.
Am 13. Juli 2020 wurde der am 14. Februar 2020 in Porta Westfalica - wegen mutmaßlicher Unterstützung der terroristischen Vereinigung "Gruppe S." - verhaftete Ulf Rösener tot in der JVA Dortmund aufgefunden.
Am 14. Februar 2020 wurden zwölf Neonazis der in Alfdorf gegründeten "Gruppe S." beziehungsweise "Der harte Kern", dabei Thomas Niemann, Markus Krüper, Minden; Ulf Rösener aus Porta Westfalica, verhaftet.
Am 25. November 2021 berichtete Lukas Brekenkamp in der Online-Ausgabe der "Neue Westfälische(n)", dass der NRW-Verfassungsschutz - "etwa 450 Personen" in OWL der "Reichsbürger"-Bewegung zuschreibt.
Am 11. November 2021 wurden in Blomberg-Tintrup DIN A5-Flyer mit Reichsflagge - vom "Vaterländischen Hilfsdienst" ("VHD") - einem bundesweiten Zusammenschluss aus der "Reichsbürger"-Bewegung, entfernt.
Am 2. November 2021 gewann ein der "Reichsbürger"-Szene nahe stehender 57-jähriger Maschinenbauer, der bei der Arbeit keine Maske trägt, eine Klage am Arbeitsgericht Herford - es sei kein Kündigungsgrund.
Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes, die Zahl der "Reichsbürger" in "sonstige Orte" mit 54.
Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes die Zahl der "Reichsbürger" im Kreis Paderborn mit 39.
Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes, die Anzahl der "Reichsbürger" im Kreis Höxter mit 26.
Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes, die Anzahl von "Reichsbürgern" im Kreis Lippe mit 56.
Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes, die Zahl der "Reichsbürger" im Kreis Gütersloh mit 59.
Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutz die Zahl der "Reichsbürger" in der Stadt Bielefeld mit 23.
Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Polizeilichen Staatsschutzes die Anzahl der "Reichsbürger" im Kreis Herford mit 81.
Am 22. Juni 2021 bezifferte Polizeipräsidentin Dr. Katharina Giere, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" des Staatsschutz, die Zahl der "Reichsbürger" im Kreis Minden-Lübbecke mit genau 57.
Am 22. Juni 2021 teilte das Polizeipräsidium Bielefeld mit, dass für das Jahr 2020, gesamt 395 Personen, in der "Jahresbilanz Politisch Motivierte Kriminalität 2020" - der "Reichsbürger-Szene" zugeordnet wurden.
Von Oktober 2020 bis Mitte April 2021 erfasste der NRW-Verfassungsschutz 136 Corona-Demonstrationen im Regierungsbezirk Detmold (OWL), das ist ein Anteil von 19 Prozent an sämtlichen Zusammenkünften.
Am 23. November 2021 referierte die Journalistin Andrea Röpke in Dörentrup über "Ökologie und Esoterik von Rechts, die Anastasia-Bewegung und völkische Netzwerke", veranstaltet von: "Mobile Beratung OWL".
Am 10. November 2021 referierte Sascha Schmittutz (Landesprogramm NRWeltoffen, Koordinierungsstelle des Kreises Lippe) in der "Freien Waldorfschule Lippe-Detmold" über die völkische "Anastasia"-Bewegung.
Am 9. Oktober 2021 berichtete die "Lippische Landes-Zeitung" - über die Nähe der "Lebensgemeinschaft" der "Rawaule" - ein "Begegnungsort für Denkfreiheit" - in Hillentrup zur völkischen "Anastasia"-Bewegung.
Am 14. September 2021 berichtete Oliver Jürgens in den WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe - dass die antisemitische / völkische "Anastasia"-Bewegung - "jetzt auch im Kreis Lippe Fuß zu fassen" versuche.
Am 13. September 2021 berichtete die "Lokalzeit OWL" des Westdeutschen Rundfunks - in einem Beitrag über die "Anastasia"-Bewegung als eine "völkische Gruppierung" - in Ostwestfalen-Lippe (06.42 Minuten).
Am 6. August 2021 berichtete die "Neue Westfälische" - Lukas Brekenkamp -, dass die rechts-esoterische "Anastasia-Bewegung", die völkische und antisemitische Gedanken vertritt, im Kreis Lippe Fuß fassen will.
Am 21. Dezember 2020 hatte die Wintersonnenwende-Feier der völkischen "Anastasia"-Bewegung an den Externsteinen ihren Ausgangspunkt an der "Rawaule", ein "Begegnungsort für Denkfreiheit", in Hillentrup.
Am 21. Dezember 2020 feierten über 30 Anhängende - zum überwiegenden Teil aus Ostwestfalen-Lippe - der antisemitischen und völkischen "Anastasia"-Bewegung, die Wintersonnenwende an den Externsteinen.
Vom 28. bis 31. Oktober 2021 fand die "Jahrestagung" mit "Vortragsprogramm", des völkisch orientierten "Forschungskreises Externsteine e.V.", in dem "Landhotel-Cafe Haus Weber", in Horn-Bad Meinberg statt.
Am 28. Oktober 2021 nahm Dirk Müller vom "Arbeitskreis gegen Nazis - Horn-Bad Meinberg", in Horn-Bad Meinberg, am Eröffnungsvortrag der Jahrestagung des völkischen "Forschungskreis Externsteine e.V." teil.
Am 28. Oktober 2021 begann im "Landhotel-Cafe Haus Weber" in Horn-Bad Meinberg die "Jahrestagung" mit "Vortragsprogramm" des völkisch orientierten "Forschungskreises Externsteine" mit circa 30 Personen.
Am 17. August 2021 publizierte die "Lippische Landes-Zeitung" eine Antwort von der "Schutzgemeinschaft Externsteine", wonach gegen rechte Aktivitäten "ein Schutzdienst rund um die Uhr anwesend sein" müsse.
An dem 13. Februar 2018 erschien das Buch "Die Externsteine. Zwischen wissenschaftlicher Forschung und völkischer Deutung" bei der Historischen Kommission für Westfalen, Landschaftsverband Westfalen-Lippe.
Für den 3. Dezember 2021, um 18.00 Uhr, rufen die Pandemie-Leugnenden von "Bielefeld steht auf!", zu einer Demonstration - das Motto: "Für ein Ende der Corona-Maßnahmen" - auf, Altes Rathaus, Niederwall.
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Artikel-Einträge in der Datenbank:
Spiegel Online, 25.11.2021:
Terror-Prozess gegen "Gruppe S."
Westdeutscher Rundfunk Köln, 25.11.2021:
Terror-Gruppe S.: Zwei weitere Treffen in OWL?
Neue Westfälische Online, 25.11.2021:
Reichsbürger sorgen für Belastung bei Behörden in OWL
Lippische Landes-Zeitung, 25.11.2021:
Völkische sind auf dem Vormarsch
Lippische Landes-Zeitung, 25.11.2021:
Vermeintlich harmlos
Lippische Landes-Zeitung, 25.11.2021:
Wo rohe Kräfte sinnlos walten
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Spiegel Online, 25.11.2021:
Terror-Prozess gegen "Gruppe S."
25.11.2021 - 20.10 Uhr
Altruistisch, ausgeglichen, sozial kompetent - die Selbstwahrnehmung des Rechtsextremisten E.
Tony E. gilt als Mitanführer einer Gruppe mutmaßlicher Rechtsterroristen. Vor Gericht zeichnet er ein harmloses Bild von sich. Doch die Ermittlungen sprechen eine andere Sprache.
Von Julia Jüttner, Stuttgart
Der "Seelenbruder" hat Muffensausen. Zwei Justizwachtmeister führen Tony E. zum Zeugenstand und nehmen ihm die Handfesseln ab. Er hat heute im Saal des Oberlandesgerichts Stuttgart auf dem Gelände des Hochsicherheitstraktes in Stammheim seinen großen Auftritt. Es ist seine Chance, die Richter von seiner Version zu überzeugen.
Die Anklage geht davon aus, dass E. mit der "Gruppe S." einen Bürgerkrieg anzetteln und ein Staats- und Gesellschaftssystem nach seinen menschenverachtenden Vorstellungen etablieren wollte. Tony E. war dem Generalbundesanwalt zufolge die "rechte Hand" des Rädelsführers Werner S., sein "Seelenbruder"; bereit, für die Ziele der Gruppe sein Leben zu opfern.
Der Staatsschutzsenat hat schon durchblicken lassen, dass er zwar Gründungsort und -zeitpunkt anders sieht als die Anklagebehörde, aber ebenso davon ausgeht, dass sich mit der "Gruppe S." tatsächlich eine terroristische Vereinigung zusammenfand.
Alltagspfleger "mit viel Freude"
Tony E. putzt sich die Nase. Er trägt ein blaues Hemd, darüber ein blaues Sakko. Vor sich legt er einen dicken Stapel Papiere, getippt und beidseitig bedruckt. Rechts von ihm setzt sich sein Verteidiger Heiko Hofstätter. "Stellungnahme zu Person und Sache", liest E. ab. Sein Vortrag wird mehrere Stunden dauern und an diesem Tag nicht beendet werden.
Der eine oder andere werde ihn für einen "Verräter" halten, sagt Tony E. an die elf Mitangeklagten gerichtet. Das könne er nur "entschieden negieren", betont E. "Es gibt nichts zu verraten." Es ist der Prolog eines Geständnisses, mit dem er sich selbst in ein gutes Licht rücken will.
Tony E., geboren im thüringischen Nordhausen, zuletzt wohnhaft in Wriedel in der Lüneburger Heide, ist 41 Jahre alt, Vater von zwei kleinen Söhnen und gelernter Industriekaufmann mit beruflicher Achterbahn: Erst war er Zeitsoldat, anschließend arbeitete er als selbstständiger Versicherungsmakler, Ladendetektiv, Sicherheitskraft und als Angestellter in einem Büro. Er jobbte nebenbei als Türsteher und Security-Mitarbeiter und ließ sich nach seiner Elternzeit zum Alltagsbetreuer ausbilden. Bis zu seiner Festnahme arbeitete er bei einem ambulanten Pflegedienst, "mit viel Freude", wie er sagt.
Vom "Querdenker" zum "Freigeist"
Seine Ehefrau sei nach seiner Inhaftierung Anfeindungen ausgesetzt gewesen und habe Zweifel gehegt, wen sie da offensichtlich geheiratet habe; inzwischen habe sie die Scheidung eingereicht.
E. aber beschreibt sich als "ausgeglichenen Zeitgenossen", altruistisch, zuverlässig, prinzipien-, wort- und werttreu; als loyal, sozial kompetent und voller positiver Lebenseinstellung mit der Neigung, Menschen mit "gleicher Einstellung" zu voreilig einen Vertrauensvorschuss zu geben. Er betrachte sich als "Querdenker", sagt E., aber seit Corona sei dieser Begriff negativ besetzt, daher passe wohl besser: "Freigeist".
E. ist nicht vorbestraft, aber ein Rechtsextremist. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft sind seine Feindbilder klar definiert: Menschen jüdischen Glaubens, dunkelhäutige Personen, Asylsuchende und Politiker, die nicht seiner Meinung sind. Auf seinem Handy wurde rechtsextremes Gedankengut sichergestellt, darunter menschenverachtende Karikaturen, Hakenkreuze und Dokumente zur Leugnung des Holocaust.
Anhänger der "Reichsbürger"-Szene
Er bedauere "scharfzüngige Äußerungen", die er in der Vergangenheit getätigt habe, betont E. im Gericht. Welche genau er meint, sagt er nicht. Als einer, der das System der DDR ebenso wie das der BRD kenne, habe ihn ab 2014 "die Entwicklung Deutschlands tiefgreifend bewegt". Mit "aller Vehemenz" aber distanziere er sich von Terrorismus und Nationalsozialismus. Er verurteile Anschläge wie den in Hanau, aber eben auch die islamistischen Anschläge auf den Berliner Weihnachtsmarkt oder in Würzburg im Juni.
E. gehört nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft der "Reichsbürger"-Szene an. Er war Führungsmitglied der rechtsextremen Gruppierung "Freikorps Heimatschutz Division 2016" und Anhänger anderer Gruppen wie der "Bruderschaft Deutschland", einem bürgerwehrähnlichen Zusammenschluss von Rechtsextremisten, Türstehern, Hooligans und Kampfsportlern.
Im Gericht zählt E. namentlich seine Freundschaften zu Menschen mit Migrationshintergrund auf und schwärmt, wie gern er beim Pakistaner einkaufe, sich beim Orientalen frisieren lasse, beim Asiaten esse und die Thai-Massage besuche. In Untersuchungshaft helfe er Mitgefangenen beim Verfassen von Schreiben. Er habe "ein Problem mit der zunehmenden Islamisierung" und fürchte eine Bedrohung für Deutschland und Europa, trotzdem sei er ein Befürworter der Demokratie. Er gibt sich Mühe, glaubhaft zu klingen und er genießt es, seine Eloquenz zur Schau zu stellen.
Im Chat herrschte Hitler-Verbot
Seinen Kontakt zum mutmaßlichen Initiator der "Gruppe S.", Werner S., redet E. klein. So hätten sie anfangs lediglich Gespräche am Telefon geführt, "es ging um Hunde und Politik". Anschlagspläne und Waffen seien kein Thema gewesen. Erst im Juli 2019 sei man sich erstmals persönlich begegnet.
Über unterschiedliche Messenger-Dienste soll sich Tony E. mit Werner S. und anderen über Pläne zum Umsturz des Staatssystems ausgetauscht haben. Die Regeln waren strikt: Keine Bilder von Waffen oder Adolf Hitler, keine Nazi-Sprüche oder Aufrufe. Die Codewörter für Waffen lauteten "E-Bike", "Akku" oder "Hardware".
Er habe sich für die Inhalte der verschiedenen Chat-Gruppen nicht interessiert, behauptet Tony E. Das erste Treffen mit anderen, späteren Unterstützern der "Gruppe S." Ende September 2019 am Grillplatz "Hummelgautsche" im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald spielt E. herunter. Auf Grund des steigenden Alkoholpegels sei am ersten Abend keine Konversation möglich gewesen. Auch am Tag darauf sei nicht wirklich etwas besprochen worden.
"Tief in die Augen sehen"
Beim Treffen in Minden im Februar 2020 sei S. der Tonangebende gewesen, sagt E. Dieser habe auf dem Weg zu der Verabredung angekündigt, er werde allen Teilnehmern "eine Frage stellen und ihnen tief in die Augen sehen". E. will nicht nachgefragt haben. Auch will er "irritiert" gewesen sein, als S. der Truppe mitgeteilt habe, man sei längst aus dem Stadium raus, mit Plakaten und Flyern etwas zu bewegen. E. spricht von "Stimmungswechsel" und veränderter "Atmosphäre". Paul-Ludwig U., der fragwürdige Kronzeuge in diesem Verfahren, habe schließlich eine Debatte ausgelöst, indem er gerufen habe, man müsse Moscheen anzünden. Eine Zustimmung habe es dafür jedoch nicht gegeben.
Vielmehr habe S. nach einer Runde Brötchen mit Mett und Käse zweimal gefragt, wer wie viel Geld zur Verfügung habe und wer Waffen besorgen könne. Mehr sei nicht passiert. Seine Schilderung widerspricht massiv den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft, die dem rechtsgesinnten Dutzend die Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten zurechnet. Nach Ansicht der Ankläger bestand eine reale Terrorgefahr: Die Männer sollen Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant haben, um möglichst viele Menschen zu töten und einen Bürgerkrieg zu entfachen.
Als Tony E. auf Seite 57 seiner Stellungnahme ist, unterbricht ihn der Senatsvorsitzende. Einem der anderen Angeklagten gehe es nicht gut. Die Verhandlung wird für diesen Tag beendet. Die restlichen 29 Seiten dürften vermutlich auch anderen Prozessbeteiligten noch auf den Magen schlagen.
Bildunterschrift: Angeklagte in Stuttgart-Stammheim: Wollte die "Gruppe S." das Staats- und Gesellschaftssystem stürzen?
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Westdeutscher Rundfunk Köln, 25.11.2021:
Terror-Gruppe S.: Zwei weitere Treffen in OWL?
25.11.2021 - 14.58 Uhr
Mitglieder der so genannten Terror-Gruppe S. sollen sich zwei weitere Male in OWL getroffen haben. Das berichtete einer der Angeklagten heute beim Prozess am Oberlandesgericht Stuttgart.
Die so genannte Terror-Gruppe S. soll im Februar 2020 nach weiteren möglichen Mitgliedern in OWL Ausschau gehalten haben. Ein Angeklagter berichtete heute am Oberlandesgericht in Stuttgart, dass es neben dem bisher bekannten Treffen in Minden zwei weitere Zusammenkünfte gegeben haben soll.
Erstmals Aussagen von Tony E. vor Gericht
Mit Spannung war die Aussage von Tony E. vor Gericht erwartet worden. Er gilt als "rechte Hand" des mutmaßlichen Chefs der Gruppe, Werner S. Zwei Stunden berichtete E. über sich und die Vorwürfe aus der Anklageschrift. Der gelernte Industriekaufmann war zuletzt Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes. Er bestätigte, dass bei dem Treffen in Minden darüber gesprochen worden sei, Moscheen anzugreifen.
Auch Geld sollte gesammelt werden und über Waffenkäufe sei gesprochen worden - letzteres allerdings nicht im Zusammenhang mit Terrorakten, sondern, um sich zu verteidigen, sollte es einen "Tag X" geben. Er selber habe sich eher gewundert über die Inhalte, die bei dem Treffen besprochen worden seien und sich zurückgehalten.
"Gegen Gewalt und Terrorismus"
Wie schon andere Angeklagte stellte sich E. gegen den Vorwurf, rechtsradikal zu sein. Er sei gegen Terrorismus und Nationalsozialismus und würde niemals zu Gewalt aufrufen. Er habe aber ein Problem mit zunehmender Islamisierung, weil der Islam nicht ohne weiteres mit "unserer Kultur" zu vereinbaren sei.
Gleichzeitig gab E. in seiner Aussage aber an, Führungsmitglied und Geschäftsführer des Freikorps Heimatschutz gewesen zu sein, einer mutmaßlich gewaltbereiten, bürgerwehrähnlichen Gruppe. Sie stellt sich in ihren Aussagen "gegen Migranten und für das deutsche Volk".
E.: Treffen mit möglichen Kandidaten
Überraschend ist auch E.s Aussage über den Tag nach dem Mindener Treffen: Werner S. und er hätten sich demnach in Minden und Bad Oeynhausen mit möglichen weiteren Kandidaten für die Gruppe getroffen. Die beiden Männer aus OWL wären aus Sicht von S. interessant gewesen. Die Treffen seien aber eher oberflächlich und unspektakulär verlaufen. Wenige Tage später nahm die Polizei S. und elf weitere Männer fest.
Gutachter berichtet über den Polizeiinformanten
Zuvor hatte ein psychiatrischer Gutachter aus Bielefeld über Paul U. berichtet - den Polizeiinformanten, dessen Aussagen die Gruppen hatten auffliegen lassen. Er hatte U. vor sechs Jahren als forensischer Patient begutachtet.
Der Gutachter schilderte ihn als intelligenten, reflektierenden und glaubhaften Menschen. Dennoch attestierte er ihm damals eine gestörte Persönlichkeit und eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit. Durch ein anderes Gutachten wurde U. aber frei gelassen und kam Jahre später in Kontakt zur so genannten Gruppe S.
Zwölf Männer sind in Stuttgart angeklagt, weil sie in Minden Terroranschläge geplant haben sollen. Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt.
Wenige Tage später flog die mutmaßliche Terror-Gruppe auf. Zwölf Männer sitzen seit April in Stuttgart vor Gericht.
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Neue Westfälische Online, 25.11.2021:
Reichsbürger sorgen für Belastung bei Behörden in OWL
Stand 25.11.2021 - 17.38 Uhr
Einblick in die Region
Die Ämter in ganz OWL haben bereits so manche Erfahrung mit Anhängern der Bewegung gemacht. Ein Kreis offenbar ganz besonders. Doch wie genau? Ein Blick in die Region.
Lukas Brekenkamp
Bielefeld. Alleine in OWL rechnen Sicherheitsbehörden und Verfassungsschutz Hunderte Personen der Reichsbürger-Szene zu. In NRW gilt die Region zwischen Minden und Paderborn gar als regelrechter Hotspot. Die Anhänger kosten die Behörden und Ämter einige Nerven. Doch wie genau?
Im Fokus der Behörden stehen so genannte Reichsbürger und Selbstverwalter erst seit ein paar Jahren. Mittlerweile geht man alleine in NRW davon aus, dass 3.200 Personen zur Szene rund um die Staatsleugner gehören. Die meisten Reichsbürger sind männlich, zwischen 40 und 60 Jahren alt. Der NRW-Verfassungsschutz sieht OWL als einen Reichsbürger-Hotspot. Hier werden etwa 450 Personen der Szene zugerechnet. Besonders im ländlichen Raum sind die Personen vertreten - vor allem in den Kreisen Herford, Gütersloh und Minden-Lübbecke.
Verschiedene Gruppen in der Region aktiv
Die Szene wird als stetig im Wandel beschrieben. Es gibt kleine Gruppen, zum Teil sektenartig. In OWL ist die "Justiz-Opfer-Hilfe" aufgefallen, die Szene-Anhänger mit vermeintlichen juristischen Ratschlägen unterstützt. Früher hatte die Gruppierung ihren Sitz in Löhne, mittlerweile im niedersächsischen Rinteln. Der Einfluss über die Grenze nach OWL sei laut NRW-Verfassungsschutz jedoch allgegenwärtig.
Eine andere Gruppe: der Verein "Geeinte Völker und Stämme", der 2020 verboten wurde. Dabei gab Durchsuchungen in Bünde und Preußisch Oldendorf. Ex-Mitglieder seien seitdem damit aufgefallen, dass sie durch Schreiben vor einer angebliche Zwangsimpfung warnen. Daneben gibt es in der Region viele Einzelpersonen. Generell fallen Reichsbürger damit auf, sich an Behörden zu wenden und dabei dem Staat die Legitimation absprechen.
Wöchentliche Anfragen in Bielefeld
In Bielefeld berichtet die Stadt gegenüber nw.de, dass sich einige Personen regelmäßig auf diese Art an die hiesigen Behörden wenden. Über genaue Inhalte wolle man nichts verraten - aus Sorge vor Nachahmern. Nur so viel: Solche Kontaktaufnahmen geschehen nahezu wöchentlich.
Im Kreis Minden-Lübbecke erhält man immer wieder Schreiben, "die offensichtlich dem Spektrum der Reichsbürger zuzuordnen sind", berichtet eine Sprecherin. Dabei handele es sich vor allem um Flyer, auf denen es darum geht, dass die Verordnung von Masken- und Test-Pflicht oder aber die Schulpflicht "Zwangsmaßnahmen an Kindern" seien. Die wirre Begründung: Die Gesetze und Verordnungen der BRD seien nicht gültig, bei der BRD würde es sich um eine Firma handeln.
Im Kreis Lippe spricht man von vereinzelten Reichsbürger-Zwischenfällen im Zusammenhang mit allgemeinen Verwaltungsakten. Von vereinzelten Mails aus der Szene berichtet auch der Kreis Paderborn. Von einem vermehrten Aufkommen während der Pandemie berichtet kein Kreis und auch nicht die Stadt Bielefeld.
Einblicke in den "Hotspot"
Im Kreis Herford, einer Hochburg der Szene, sieht es extremer aus. Hier ist eine "höhere zweistellige Anzahl an Personen" bekannt, die mit verschiedenen Anliegen an die Kreisverwaltung herantreten und dem Milieu der Reichsbürger zuzuordnen sind. "In den meisten Fällen wurde die Kreisverwaltung nur einmal kontaktiert, eine gewisse Anzahl an Personen tut dies mehrfach", berichtet ein Sprecher.
Solche Schreiben oder Anrufe richten sich an verschiedene Bereiche der Verwaltung. In den meisten Fällen sind sie aber an Ordnungsamt oder Ausländerbehörde adressiert. Der Grund: Es "wird beispielsweise die Ausstellung nicht existierender "preußischer" Ausweisdokumente gefordert. Vereinzelt kommt es auch zu Klagen gegen den Kreis", berichtet der Sprecher. Solche Erfahrungen hätten während der Corona-Pandemie leicht zugenommen.
Überschneidungen mit Corona-Kritikern
Bereits in der Vergangenheit hat die Bielefelder Polizei zudem von verschiedenen Formen berichtet, durch die Reichsbürger in der Region aufgefallen sind. Mit bis zu 50 Seiten langen Schreiben haben sich demnach Personen der Szene bereits an Behörden gewandt, um aus der "GmbH" Deutschland auszutreten. Auch Bußgelder oder Gebühren seien von manchen Personen nicht gezahlt worden. Und: "In einigen Fällen wurde versucht, Gerichtsvollzieher oder andere Verwaltungsbeamte zu erpressen, von der Vollstreckung oder anderen Maßnahmen zurückzutreten", hieß es in der Vergangenheit von der Polizei.
In OWL gibt es laut Polizei Bielefeld Überschneidungen zwischen Reichsbürgern und Corona-Kritikern. Der Staatsschutz berichtet: "Mit Beginn der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie stieg die Zahl der Sachverhalte mit Reichsbürgern an. Derzeit ist sie, wie auch die Gesamtzahl der Sachverhalte mit Corona-Bezug rückläufig."
Mails an Politiker und Co.
Zudem berichtet die Polizei in Bielefeld, dass es zuletzt zu einer großen Menge an Spam-Mails gekommen sei. Absender war die selbsternannte S.H.A.E.F.-Regierung (Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force). Die Mails seien an Behörden, Politiker und anderer Institutionen gerichtet. Ihnen sei mit Verhaftung und Geldforderungen gedroht worden, "um sie zu zwingen, den angeblich andauernden Besatzungszustand anzuerkennen". Dafür verantwortlich scheint eine Gruppe von Personen "unter Führung eines Mannes aus Niedersachsen" zu sein.
Generell sei in OWL zu beobachten, dass die Aktivitäten der Szene überwiegend von "verbaler Agitation" gegen den Staat geprägt sei. "Allerdings geht hiervon die Gefahr aus, dass sich Einzelpersonen oder Kleingruppen radikalisieren und letztlich Gewalttaten begehen", so der Staatsschutz.
Dem NRW-Verfassungsschutz sind darüber hinaus Beteiligungen von Reichsbürgern an Verteil-Aktionen von Corona-kritischen Flyern in OWL bekannt. Zum Beispiel im Raum Detmold. Oder auch in Bünde - hier haben mutmaßliche Anhänger die Flyer sogar an Schulen verteilt.
Bildunterschrift: Vor allem der Kreis Herford gilt in OWL als Hochburg für Reichsbürger.
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Lippische Landes-Zeitung, 25.11.2021:
Völkische sind auf dem Vormarsch
Bei einem gut besuchten Vortrag berichtet die Journalistin und Buchautorin Andrea Röpke im Dörentruper Bürgerhaus von der "Landnahme" der so genannten Anastasia-Bewegung
Hajo Gärtner
Dörentrup. Die Zahlen sprechen für sich: Elf Millionen Mal sollen die zehn erschienenen Bücher über Anastasia, die "Tochter der Taiga", bislang verkauft worden sein. Die zentrale Romanfigur der Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre ist eine "wunderschöne blonde Prinzessin, die mit Tieren sprechen kann" - und eine raffinierte Marketing-Strategie, um die "völkische Landnahme" einer sektenhaften, esoterisch-rassistischen Bewegung voranzutreiben, sagt Andrea Röpke. Die Journalistin gilt als Kennerin der rechten Szene. Am Dienstagabend hat sie einen gut besuchten Vortrag im Dörentruper Bürgerhaus gehalten.
Nicht ohne Grund, sorgte doch die Hillentruper "Lebensgemeinschaft Rawaule" vor kurzem für Aufsehen. Die "Lebensgemeinschaft", vor wenigen Jahren eingezogen in der alten Schule, steht im Verdacht, der Anastasia-Bewegung zumindest in Teilen anzugehören (die LZ berichtete).
Röpke hat das Buch "Völkische Landnahme" geschrieben, zugleich der Titel ihres Dörentruper Vortrags. Organisiert wurden der Abend von der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus OWL". Die Journalistin und Autorin beobachtet, wie "rechte Ökos" in ländliche Regionen drängen, um Land aufzukaufen, Häuser zu bauen und eigene Wirtschaftsnetze zu flechten. Die "Aussteiger von rechts" betreiben demnach ökologische Landwirtschaft, pflegen altes Handwerk und nationales Brauchtum.
Teilnehmer der Vortragsveranstaltung berichteten in der anschließenden Diskussion, dass sich die alte Schule wohl "zu einer Art Fortbildungszentrum" entwickelt habe. Jedenfalls hingen dort Zettel mit Einladungen zu Seminaren aus. Das halte sie für durchaus möglich, antwortete die Referentin, wisse dazu aber nichts Genaues.
Ihre Daten beziehen sich vielmehr auf viele Dörfer, in denen sie ausgiebig recherchiert hat. Fündig geworden ist sie vor allem in Jamel (Mecklenburg). Mitten im Dorf zeige zum Beispiel ein Wegweiser nach Braunau, dem Geburtsort Adolf Hitlers.
Das Verhalten der "rechten Ökos" klingt zunächst nach einem Eskapismus, wie er in der Hippie-Kultur auffällig in Erscheinung getreten ist. Der neuen, völkisch-nationalistischen Variante geht es nach Andrea Röpkes Erkenntnissen aber nicht um "Love and peace all over the world", sondern um das glatte Gegenteil: Sie wollen keinesfalls die Welt retten, sondern einzig radikalen "Volksschutz" betreiben. Langwierige Recherchen und Analysen von Schriften belegen laut Röpkes Worten: Diese neuen Aussteiger siedeln in "Wehrdörfern" mit dem Konsens, unter "Gleichen" leben zu wollen. Viele hängen der "Blut-und-Boden"-Ideologie der Nazis an und verbreiten ein elitäres Vokabular gegen "Überfremdung".
Andrea Röpke stuft die Bewegung als durchaus gefährlich ein; nicht umsonst werde sie jetzt auch in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet. In ihrem Vortrag zeigte sie die Präsenz prominenter Köpfe der rechtsextremen Szene, denn völkische Ideologie breite sich auch in Parteisatzungen wie der der AfD aus.
Bei der direkten Landnahme vor Ort gehe es um Akzeptanzgewinn: Die neuen Rechten dringen ihr zufolge in örtliche Vereine vor, unterwandern die lokale Politik und Schulen. Sie versuchen, Umweltschutz mit völkischer Gesinnung zu verbinden. Ihre Strategie nennen sie auch "nationale Graswurzelarbeit".
Woher haben die das Geld? Röpke ist sich sicher, dass auch russische Geldgeber dahinter stecken. Derweil ist die völkische Szene auch in Ostwestfalen-Lippe angekommen. Die Externsteine üben eine geradezu magische Anziehungskraft auch auf rechtsesoterische Kreise aus, zeigte Röpke auf. Hier gebe es Verbindungen zu völkischen Siedlern. Hochbelastete Begriffe wie "Rasse" werden chiffriert, sie reden zum Beispiel von "Artgemeinschaft".
Das durchaus entsetzte Publikum wollte wissen, was man dagegen unternehmen könne. Sich allein auf staatliche Maßnahmen zu berufen, davon hält Andrea Röpke nicht viel. Die rechte Szene habe sich professionalisiert, vermeide vor Ort Straftaten in der Öffentlichkeit. Da habe die Polizei wenig Handhabe. Viel effektiver ist ihrer Ansicht nach "zivilgesellschaftliches Engagement": Deutlich Gegenposition zu beziehen, wenn die "völkische Landnahme" sich ausweitet und verhindern, dass rechtsradikale Aktivisten weiterhin Land, alte Höfe und Häuser aufkaufen.
Bildunterschrift: Andrea Röpke vor der ersten Folie ihres Powerpoint-Vortrags: Ihr Buch "Völkische Landnahme" hat eine breite Öffentlichkeit aufgerüttelt.
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Lippische Landes-Zeitung, 25.11.2021:
Vermeintlich harmlos
Vortrag über die "Anastasia-Bewegung"
Detmold. Um die "Anastasia-Bewegung" ging es in einem Vortragsabend der Freien Waldorfschule Lippe-Detmold. Sascha Schmittutz von "NRWeltoffen" ist Extremismus-Experte des Kreises Lippe sowie des Projektes "Demokratie leben".
Die "Anastasia-Bewegung", die in den 90er Jahren in Russland entstand, versucht laut einem Bericht der Schule aktuell auch in unserer Region mit ländlichen Wohnprojekten Fuß zu fassen. Sascha Schmittutz informierte ausführlich über die Struktur und den Hintergrund dieser Bewegung, die auf den ersten Blick "harmlos" erscheine, jedoch bei näherer Betrachtung dem rechtsesoterischen und demokratiefeindlichen Spektrum zuzuordnen sei. Er sensibilisierte die Zuhörenden und regte zu einem intensiven Austausch mit dem Ziel an, wachsam zu sein und sich für die Demokratie stark zu machen. Die Waldorfschule bedankt sich beim Kreis für die Veranstaltung mit dem Präventions-Beauftragten und den Beitrag zur Demokratie-Förderung.
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Lippische Landes-Zeitung, 25.11.2021:
Wo rohe Kräfte sinnlos walten
Die Externsteine sind nicht nur Touristenmagnet, sie gelten als Kraftort und ziehen dadurch Esoteriker, Rechte und Querdenker an / Es gibt immer wieder Ärger und Müll im Schutzgebiet
Silke Buhrmester
Horn-Bad Meinberg / Holzhausen-Externsteine. Jährlich pilgern rund 600.000 Besucherinnen und Besucher zu den Externsteinen nahe Horn. Das Naturdenkmal ist bundesweit und darüber hinaus bekannt und als Kraftort beliebt. Doch unter den Gästen sind auch Störenfriede aus unterschiedlichen Lagern. Eine kleine Minderheit, Reichsbürger, naturverbundene Nazis, Spirituelle, Esoteriker, Einsiedler und andere Menschen, die nicht darüber nachdenken, was sie der Natur antun. Dem Landesverband Lippe und der Schutzgemeinschaft Externsteine bescheren sie viel Arbeit.
Das Naturdenkmal
Es gibt ein Schutzkonzept, das sowohl die einzigartigen Externsteine als auch die Flora und Faune in der Umgebung schützen soll. Landesverbandsvorsteher Jörg Düning-Gast betont, dass es darum gehe, dieses einzuhalten. Doch die Zahl derer, die sich nicht an die Regeln halten wollten, steige. So ist das Zelten und Campieren ebenso verboten wie Grillen oder offenes Feuer. Hunde müssen an der Leine geführt werden, Überflüge über das Gelände mit Drohnen sind verboten. Auf den Steinen darf nicht geklettert, Absperrungen dürfen nicht überstiegen werden. Weil sich nicht alle an die Vorgaben hielten, komme es immer wieder zu Zwischenfällen, sagt der Geschäftsführer der Denkmalstiftung, Ralf Noske. Er kann sich an einen besonderen Feuerwehreinsatz erinnern: Jemand war bei Nacht auf einem der Felsen über die Absperrung geklettert und hatte dort etwas Undefinierbares aufgestellt: "Weil die Drehleiter nicht an die Stelle dran reichte, musste ein Kletterer aus Paderborn kommen." Auch Zerstörungen sind ein Thema: Mit Kreide bemalte Stufen oder durchtrennte Kabel an der Info-Stele. Und manchmal bedrohten Besucher, die keinen Eintritt entrichten wollten, die Mitarbeiter, sagt Düning-Gast: "Die Menschen reagieren zunehmend aggressiv." Das kann Robin Jähne von der Schutzgemeinschaft Externsteine bestätigen - ihm seien sogar schon Schläge angedroht worden. Wegen der Zwischenfälle hätten manche Angst, die Nachtführungen ohne Begleitung durchzuführen.
Das Infozentrum
Corona-Leugner, Querdenker, Impf-Gegner - warum sie sich alle an den Externsteinen sammeln? Der Platz gilt als magisch. Doch nicht alle kommen in friedlicher Absicht. Zerstörte Parkautomaten und Schmierereien am Infozentrum zeugen von Nacht- und Nebelaktionen. Gegen wen sich Sprüche wie "Der Drache ist frei" richten, ist unklar, aber die Leidtragenden sind die Mitarbeiter, die alles mühsam entfernen oder reparieren und sich gegen aggressive Besucher wehren müssen.
Der Uhu-Felsen
Ein Stück weiter im Wald befindet sich der Uhu-Felsen. Das Areal rund um den Nistplatz der Vögel sei aus biologischer Sicht besonders wertvoll und schützenswert, unterstreicht Jähne. Doch der Stein sei auch als Frauenfelsen bekannt: "Wenn sich weibliche Wesen dort hinsetzen, kommt es zur Jungfernzeugung, so der Glaube", berichtet Jähne. Esoteriker und Anhänger bestimmter Kulte würden sich ausgerechnet dieses Areal aussuchen, um sich dort breit zu machen, sagt Jähne und deutet auf eine Stelle mit Feuerholz. In der Nähe gibt es auch eine Opferstelle, wo Unbekannte alles mögliche abladen - Käsebrote, Hanfpflanzen oder anderer Müll, der für die Tiere gefährlich ist. Einmal hätten Mitarbeiter mit bunten Glückwünschen bemalte Folien für ein Hochzeitspaar gefunden, die um etliche Bäume gespannt waren, berichtet Noske. Über den Umweltfrevel hätten sich die Initiatoren wohl keine Gedanken gemacht. Regelmäßig schmücken Unbekannte das Areal auch mit bunten Fähnchen, Federn und Masken. Rehe und Vögel können sich leicht in den gespannten Leinen verfangen. Jähne versteht es nicht: "Oftmals gelten die Spirituellen ja als naturverbunden, aber warum lassen sie dann ihren Müll da?"
Die Waldmenschen
Im Naturschutzgebiet werden immer wieder selbst gebaute Behausungen, Zelte und "Wohnsitze" in Höhlen entdeckt. Die Unterkünfte inklusive Plastik- und Glasmüll würden entfernt, aber an anderer Stelle neu errichtet. Geschätzt sechs bis zwölf Menschen leben im Wald, manche überwintern sogar und machen Lagerfeuer, um sich zu wärmen. Für Jähne ein Wunder, dass es rund um das Naturdenkmal noch nicht gebrannt hat. Nächstes Ärgernis: Die frei laufenden Hunde der Waldmenschen, die aggressiv gegenüber Besuchern seien, weil sie ihr vermeintliches Revier verteidigten.
Die Zukunft
Düning-Gast will das Gespräch mit allen Betroffenen suchen, darunter Stadt, Anwohner, Naturschutzorganisationen, Schutzgemeinschaft und Polizei. Er empfiehlt Besuchern, denen ein grober Verstoß auffällt, die Polizei zu alarmieren - um sich selbst nicht in Gefahr zu bringen und damit alle Vorfälle dokumentiert werden.
Kontakt zur Autorin: sbuhrmester@lz.de.
Bildunterschrift: Die imposanten Externsteine ziehen mehr als eine halbe Million Touristen im Jahr an - darunter auch einige Randgruppen, die Müll und Ärger machen.
Bildunterschrift: Fröhliche Hochzeitsbotschaften im Wald auf umweltschädlicher Folie.
Bildunterschrift: Fähnchen, Federn und anderer Schmuck stellen Gefahren für Tiere dar.
Bildunterschrift: Grillen und Lagerfeuer verboten, viele "Naturfreunde" kümmert’s nicht.
Bildunterschrift: Fantasievolle Kreidezeichnungen auf den Stufen der Externsteine.
Bildunterschrift: Feuerwehreinsatz nach einem auf den Steinen errichteten "Werk".
Bildunterschrift: Immer wieder stoßen die Waldarbeiter auf illegale Behausungen.
Bildunterschrift: Die Umweltfrevel dokumentiert: Ralf Noske, Robin Jähne und Jörg Düning-Gast beim Ortstermin.
Bildunterschrift: Wirre Botschaft in Knallrot: Schmierereien am Infozentrum der Externsteine bereiten viel Arbeit.
Bildunterschrift: Im Wald an den Externsteinen hausen Menschen und hinterlassen Müll - mitten im Naturschutzgebiet.
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