9 Artikel ,
13.10.2020 :
Pressespiegel überregional
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Übersicht:
Blick nach Rechts, 13.10.2020:
Gefängnisstrafe für rechtsextremen Politiker
Blick nach Rechts, 13.10.2020:
Kriminelle griechische Neonazis
Märkische Allgemeine Online, 13.10.2020:
Flüchtlingsunterkunft / Brandanschlag in Nauen: Versicherung will Millionen-Entschädigung von Ex-NPD-Mann
Potsdamer Neueste Nachrichten Online, 13.10.2020:
Brandanschlag in Nauen / Schadenersatzprozess gegen Ex-NPD-Politiker verschiebt sich
MiGAZIN, 13.10.2020:
"Jude" / Antisemitismus-Vorwürfe gegen Bereitschaftspolizei in Sachsen-Anhalt
Oberbayerische Volksblatt Online, 13.10.2020:
Verteidiger streitet alles ab / Hitler-Bilder und Nazi-Symbole im Dienstzimmer? / Traunsteiner Staatsschutzbeamter vor Gericht
Der Tagesspiegel Online, 13.10.2020:
Mindestens der vierte Vorfall in sieben Tagen / Erneut Hakenkreuz-Schmierereien an Neuköllner Sonnenallee
Mitteldeutsche Zeitung Online, 13.10.2020:
Polizei warnt vor Aktion / Rechtsextreme kündigen "nationale Streife" in Dessau an
Volksstimme Online, 13.10.2020:
Pasemann / AfD-Rechtsaußen nominiert
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Blick nach Rechts, 13.10.2020:
Gefängnisstrafe für rechtsextremen Politiker
Von Anton Maegerle
Marian Kotleba, Vorsitzender der rechtsextremen slowakischen Partei "Ľudová strana Naše Slovensko" ist zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das Spezialgericht für organisierte Kriminalität in Pezinok bei Bratislava hat den slowakischen Parlamentsabgeordneten und Anführer der rechtsextremen Partei "Ľudová strana Naše Slovensko" (ĽSNS; "Volkspartei - Unsere Slowakei"), Marian Kotleba, in erster Instanz zu vier Jahren und vier Monaten Gefängnis wegen der illegalen Verwendung von Neonazi-Symbolen verurteilt.
Kotleba (Jg. 1977) wurde vom Gericht der Unterstützung einer Ideologie für schuldig befunden, die die Bürgerrechte und die Demokratie gefährde. Es ist das erste Mal, dass ein Parlamentsabgeordneter in der Slowakei zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da Kotleba Berufung eingelegt hat und das Urteil beim Obersten Gericht anfechten will. Sollte das Urteil bestätigt werden, dürfte Kotleba auch sein Abgeordnetenmandat verlieren.
Aggressive Hetze gegen Roma, Homosexuelle und Migranten
Der Anklage war ein mehr als ein Jahr dauerndes Ermittlungsverfahren von Polizei und Staatsanwaltschaft vorangegangen. Zum Jahrestag der Gründung des von Hitler-Deutschland abhängigen slowakischen Marionettenstaates am 14. März 1939 hatte Kotleba im Jahr 2017 Spendenschecks mit der symbolischen Summe von 1.488 Euro an bedürftige Familien verteilt. Die Zahlenkombination, meist 14/88 geschrieben, gehört zu den einschlägigen Neonazi-Codes.
Die LSNS will die Mitgliedschaft der Slowakei in der Europäischen Union und der NATO beenden, versprüht Hass auf die Eliten in Bratislava und Brüssel und hetzt aggressiv gegen Roma, Homosexuelle und Migranten. Die rechtsextreme Partei verherrlicht den einst mit NS-Deutschland verbündeten Slowakischen Staat und fordert nach eigenen Angaben die Errichtung eines "neuen slowakischen Ständestaats auf nationaler, christlicher und sozialer Basis".
17 Sitze im slowakischen Parlament
Bei der Parlamentswahl im Februar war die Partei mit 7,97 Prozent viertstärkste politische Kraft des Landes geworden. Die LSNS zog im Jahr 2016 erstmals in das slowakische Parlament ein und hat derzeit 17 der insgesamt 150 Sitze im Parlament in Bratislava und zwei Sitze im Europäischen Parlament inne.
Kotleba war bereits Anführer der 2006 verbotenen "Slowakischen Gemeinschaft - nationale Partei" ("Slovenska pospolitost - Narodna Strana"; SP); der bislang einzigen Partei, die seit der slowakischen Unabhängigkeit verboten wurde. Mitglieder der 1995 gegründeten SP traten häufig bei ihren Aufmärschen in schwarzen Uniformen auf, die an den slowakischen Ständestaat (1939 bis 1945) erinnern. Die ĽSNS wurde von Kotleba nach dem Verbot der Vorgängerpartei SP im Februar 2010 gegründet.
Mehrfach private Patrouillen in Zügen organisiert
2013 sorgte ĽSNS für Aufsehen, als Kotleba bei den Regionalwahlen zum Gouverneur des Bezirks Banska Bystrica gewählt wurde. 2016 lieferte die ĽSNS erneut Schlagzeilen. Mehrfach hatte die rechtsextreme Partei private Patrouillen in Zügen organisiert, nachdem über einen Raubüberfall durch einen Roma-Angehörigen berichtet worden war. Im Oktober des Jahres wurden die "Eisenbahnwachen" dann vom Parlament verboten.
In einem Interview mit dem NPD-Parteiorgan "Deutsche Stimme" im Oktober 2017 führte Kotleba auf die Frage nach "außerparlamentarischen Aktivitäten bezüglich der öffentlichen Sicherheit" aus, dass die Patrouillen ins Leben gerufen wurden, "als die Polizei sich als unfähig erwies, Zug-Gäste wirkungsvoll gegen die um sich greifende Zigeuner-Aggression zu schützen".
Der seit den 90er-Jahren politisch aktive Kotleba war in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Rassismus und rechtsextremer Aktivitäten angeklagt, aber nie rechtskräftig verurteilt worden.
Bildunterschrift: Slowakischer Parlamentsabgeordneter zu Haftstrafe verurteilt (Screenshot).
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Blick nach Rechts, 13.10.2020:
Kriminelle griechische Neonazis
Von Horst Freires
Ein Strafgericht in Athen hat Anfang Oktober die rechtsextreme Partei "Chrysi Avgi" ("Goldene Morgenröte") am Ende eines mehr als fünfjährigen Mammutprozesses als kriminelle Vereinigung eingestuft. Aus der deutschen Neonazi-Szene gibt es Freundschaftsbekundungen an die braunen Gesinnungsgenossen in Griechenland.
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" titelte für die Zukunft der griechischen Neonazi-Partei mit dem Mäander-Logo in Anspielung an ihren Namen lyrisch-ironisch: Goldene Sonnenfinsternis. Mit dem Schuldspruch sehen viele Beobachter das definitive Ende der "Goldenen Morgenröte" eingeläutet.
Ausgangspunkt für den Gerichts-Marathon war der tödliche Messerangriff auf einen linksgerichteten Rapper durch Aktivisten der Neonazi-Partei im Jahr 2013 in Piräus. Gestartet war der Prozess im Frühjahr 2015 mit ursprünglich 69 Angeklagten, von denen einer seither verstarb. Mehr als 40 Parteimitglieder, darunter 18 Führungskader samt Chef Nikolaos Michaloliakos, wurden nun verurteilt. Der Messerangreifer wurde wegen Totschlags abgeurteilt, mit ihm 15 Partei-Anhänger als Mittäter. Unter den Verurteilten ist auch Ioannis Lagos, der im Vorjahr die Partei verließ. Er sitzt mittlerweile fraktionslos als Einzelkämpfer für "Ethniki Laiki Syneidisi" (ELS / Nationales Volksbewusstsein) im Europaparlament. Das genaue Strafmaß soll in diesen Tagen noch verkündet werden.
Höhenflug bei den Europawahlen 2014
Acht Jahre vor Gründung von "Chrysi Avgi" 1993 gab es bereits eine rechtsradikale Gruppierung gleichen Namens. Als Parteihymne gilt eine griechische Version des Horst-Wessel-Liedes. Der Aufstieg der Partei erfolgte 2012 mit dem Einzug ins Athener Parlament mit 21 Sitzen und 6,97 Prozent der Stimmen. Bei der Folgewahl eineinhalb Monate später bestätigte sie den Stimmenanteil mit 6,92 Prozent und 18 Mandaten. Ihren Höhenflug erlebte die Neonazi-Partei 2014 bei den Europawahlen mit 9,3 Prozent. Damit war sie landesintern drittstärkste Kraft geworden. 2015 folgten bei den zwei Wahlen in Griechenland noch einmal 6,3 Prozent und 17 beziehungsweise 7,0 Prozent und 18 Sitze, jeweils als drittstärkste Kraft im griechischen Parlament. Vier Jahre später folgte dann der jähe Abstieg mit 2,97 Prozent und dem Scheitern an der nationalen Drei-Prozent-Hürde. Schwindende Finanzen zwangen die Partei landesweit zur Schließung mehrerer Büros.
Möglicherweise ahnend, dass irgendwann ein staatliches Verbot drohen könnte, ist Anfang 2014 parallel die neue Partei "Ethniki Avgi" ("Nationale Morgendämmerung") gegründet worden, die nun zu einem Auffangbecken werden dürfte. Als weiterer Ersatz könnte sich auch die 2019 ins Leben gerufene ELS erweisen.
Langjährige Verbindungen zu deutschen Neonazis
Zu den langjährigen Deutschland-Kontakten zählt die NPD, die noch am 7. Oktober auf ihrem Telegram-Messenger-Dienst postete: "Den griechischen Kameraden gilt die volle Solidarität." Bereits 2005 und 2007 sprach "Chrysi Avgi"-Mitglied Nick Giohalas von der international vernetzten NSBM-Band "Der Stürmer" bei dem unter NPD-Regie stehenden Rechtsrock-Meeting "Fest der Völker" in Jena. Im Februar 2011 folgte eine griechische Delegation einer NPD-Einladung zum Neonazi-Aufmarsch in Dresden. 2016 führte das von der NPD online betriebene "Deutsche Stimme-TV" ein Interview mit dem ehemaligen "Chrysi-Avgi"-Europa-Abgeordneten Georgios Epitideios. Dieser bestritt bis zum Vorjahr manch gemeinsamen Termin mit dem früheren EU-Abgeordneten der NPD, Udo Voigt. Dessen so genannter "Freundeskreis" hatte den früheren griechischen General 2016 auch zum Sommerfest nach Guthmannshausen an den Sitz des Vereins Gedächtnisstätte e.V. eingeladen.
Eine stete Verbindung gab es auch zwischen dem 2014 verbotenen "Freien Netz Süd" (FNS) und "Chrysi Avgi". Schon 2012 und 2013 war in Medienberichten von Begegnungen die Rede. Die in der FNS-Nachfolgerolle gegründete Splitterpartei "Der III. Weg" setzte die enge Connection fort, vorangetrieben von Matthias Fischer. Aktuell vermeldete man das drohende juristische Schicksal der griechischen Gesinnungsfreunde. Anfang Februar wurde kurz über den jährlichen neonazistischen "Imia"-Marsch im Januar in Athen berichtet, der in den vergangenen Jahren auch mehrfach deutsche Aktivisten anlockte. 2013 nahm auch eine Abordnung der rechtsextremen Mini-Partei "Die Rechte" am "Imia"-Aufzug teil und veröffentlichte anschließend Aufnahmen davon im Internet.
Ein internationaler Solidaritäts-Sampler für die griechische Neonazi-Partei mit Rechtsrock-Aufnahmen von Bands aus verschiedenen Ländern war 2014 bei PC Records in Chemnitz erschienen.
Bildunterschrift: Ehemals im griechischen Parlament vertretene Neonazi-Partei als kriminelle Vereinigung eingestuft (Foto: Symbol).
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Märkische Allgemeine Online, 13.10.2020:
Flüchtlingsunterkunft / Brandanschlag in Nauen: Versicherung will Millionen-Entschädigung von Ex-NPD-Mann
13.10.2020 - 12.28 Uhr
Fünf Jahre nach dem Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Nauen fordert die Versicherung 2,9 Millionen Euro Entschädigung. Doch der Prozess gegen den Neonazi Maik Schneider verschiebt sich, weil eine Richterin krank ist.
Nauen / Potsdam. Der Prozess um Schadenersatz in Millionenhöhe gegen den ehemaligen NPD-Politiker Maik Schneider und einen Mittäter verschiebt sich erneut. Die zuständige Richterin sei erkrankt, sagte ein Gerichtssprecher am Dienstag. Ein neuer Termin ist demnach noch nicht bekannt.
In dem Zivilprozess müssen sich die mutmaßlichen Brandstifter des Feuers an einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Nauen einer Millionenforderung stellen. Die Ostdeutsche Kommunalversicherung verlangt von dem Ex-NPD-Politiker Maik Schneider und einem bereits rechtskräftig verurteilten Mittäter knapp 2,9 Millionen Euro Schadenersatz.
Mehr als neun Jahre Haft für NPD-Mann
Die Turnhalle in Nauen war im August 2015 niedergebrannt. Die Versicherung fordert die Kosten für den Wiederaufbau zurück. Für diesen Brandanschlag und weitere Delikte wurde Schneider im Oktober vergangenen Jahres in einem Revisionsprozess zu einer Gesamtstrafe von neun Jahren und einem Monat verurteilt.
Sein Anwalt hat dagegen erneut Rechtsmittel eingelegt. Der Mittäter war im ersten Prozess im Februar 2017 rechtskräftig zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.
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Potsdamer Neueste Nachrichten Online, 13.10.2020:
Brandanschlag in Nauen / Schadenersatzprozess gegen Ex-NPD-Politiker verschiebt sich
13.10.2020 - 11.53 Uhr
Ex-NPD-Politiker Maik Schneider wurde wegen Brandstiftung zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Am Dienstag sollte der Schadenersatzprozess stattfinden. Doch die zuständige Richterin ist krank.
Von Anna Kristina Bückmann
Potsdam. Der Prozess um Schadenersatz in Millionenhöhe gegen den ehemaligen NPD-Politiker Maik Schneider und einen Mittäter verschiebt sich erneut. Die zuständige Richterin sei erkrankt, sagte ein Gerichtssprecher am Dienstag. Ein neuer Termin ist demnach noch nicht bekannt.
Die beiden Männer sollen im August 2015 eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Nauen angezündet haben. Die leere Halle brannte komplett nieder. Für den Wiederaufbau verklagte die Ostdeutsche Kommunalversicherung die beiden mutmaßlichen Brandstifter auf Schadenersatz in Höhe von insgesamt rund 2,9 Millionen Euro.
Für den Brandanschlag und weitere rassistisch-motivierte Taten wurde Schneider im Oktober 2019 zu mehr als neun Jahren Haft verurteilt. Schneiders Verteidiger und die Staatsanwaltschaft legten Revision gegen das Urteil ein. Der Mittäter war im ersten Prozess im Februar 2017 rechtskräftig zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.
Bereits im März sollte der Zivilprozess vor dem Landgericht Potsdam beginnen, musste jedoch wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Schneider ist seit Januar 2019 wegen überlanger Verfahrensdauer auf freiem Fuß.
Bildunterschrift: Die Sportstätte in Nauen war als Notunterkunft für etwa 100 Geflüchtete geplant.
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MiGAZIN, 13.10.2020:
"Jude" / Antisemitismus-Vorwürfe gegen Bereitschaftspolizei in Sachsen-Anhalt
13.10.2020 - 05.24 Uhr
Eine Kantine der Sicherheitsbehörde soll über Jahre hinweg intern als "Jude" bezeichnet worden sein. Die komplette Dienststelle wisse davon und habe nichts dagegen unternommen. Innenminister Stahlknecht kündigte eine Sonderkommission und eine Rassismus-Studie an. Zuletzt stand er selbst in der Kritik.
Gegen die Landesbereitschaftspolizei in Sachsen-Anhalt sind Antisemitismus-Vorwürfe erhoben worden. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) berichtete am Montag in Magdeburg von einer anonymen E-Mail, die ihm am 9. Oktober bekannt geworden sei. Darin heißt es, dass ein Imbiss in der Bereitschaftspolizei als "Jude" bezeichnet worden sei.
In der E-Mail hieß es weiter, die komplette Dienststelle habe diesen Umstand gekannt und nichts dagegen unternommen. Stahlknecht erklärte, er habe dies zum Anlass genommen, unverzüglich erste Ermittlungen einzuleiten. Die Vorwürfe hätten sich bestätigt.
Stahlknecht kündigte am Montag die Einsetzung einer Sonderkommission zu institutionellem Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Landespolizei Sachsen-Anhalt an. Zudem werde sich Sachsen-Anhalt der niedersächsischen Studie zu extremistischen Denkweisen in der Polizei anschließen und einen Extremismus-Beauftragten einsetzen. Die Landespolizeipfarrerin Thea Ilse werde zielgruppenorientiert Fortbildungsmaßnahmen gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus konzipieren und durchführen, so Stahlknecht.
Stahlknecht zuletzt in der Kritik
Er sei über die Vorwürfe zutiefst betroffen und erschüttert, sagte Stahlknecht: "Mein persönlicher Wertekanon steht für uneingeschränkte Religionsfreiheit und für ein friedliches Miteinander und die Freiheit der Kulturen. Dafür stehe ich ein."
Der Innenminister war zuletzt selbst in Kritik geraten, weil er als Grund für Personalengpässe bei der Polizei die verstärkten Schutzmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen genannt hatte. Stahlknecht hatte bei einem Besuch des Polizeireviers Dessau-Roßlau vor einer Woche erklärt, dass die Beamten dort monatlich 1.500 Arbeitsstunden zusätzlich leisten müssten, um die Bewachung jüdischer Einrichtungen in Dessau abzusichern. Es könne deshalb sein, dass die Polizei nicht bei jeder anderen Anforderung pünktlich zur Stelle sei. Der CDU-Politiker habe wörtlich erklärt: "Diese 1.500 Stunden fehlen woanders."
Schuster kritisiert Stahlknecht scharf
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat daraufhin die Eignung von Holger Stahlknecht für dessen Amt in Frage gestellt. Schuster sagte, Stahlknecht suggeriere, Juden seien schuld daran, wenn sich die Polizei um die Belange der übrigen Bevölkerung nicht mehr angemessen kümmern könne. "Ein Landesinnenminister scheut sich nicht, Juden als privilegiert darzustellen und sie gegen andere Bevölkerungsgruppen auszuspielen. Damit befördert er Antisemitismus. Das ist ein Armutszeugnis", sagte der Zentralratspräsident.
Stahlknecht zeigte sich anschließend erschüttert, "dass meine Äußerungen für ein Missverständnis gesorgt haben": "Mein Ziel ist es, deutlich zu machen, dass die erhöhte Polizeipräsenz zum Schutz der jüdischen Einrichtungen nicht verhandelbar ist und oberste Priorität in meinem Handeln hat." (epd/mig)
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Oberbayerische Volksblatt Online, 13.10.2020:
Verteidiger streitet alles ab / Hitler-Bilder und Nazi-Symbole im Dienstzimmer? / Traunsteiner Staatsschutzbeamter vor Gericht
13.10.2020 - 06.38 Uhr
Von Monika Kretzmer-Diepold
Er soll nicht nur versucht haben, einen Kollegen nach volksverhetzenden Äußerungen zu schützen, die dieser über WhatsApp versendet habe. Der Angeklagte soll auch Hitler-Bilder und Nazi-Symbole in seinem Dienstzimmer haben: Ein Kripobeamter (53) aus Traunstein muss sich seit Montag, 12. Oktober, vor Gericht verantworten.
Traunstein. Eine Collage mit Nazi-Symbolen und Hitler-Bildern im Dienstzimmer eines Staatsschutzbeamten (53) der Kripo Traunstein soll lediglich "Anschauungsmaterial" gewesen sein. Eine "Strafvereitelung im Amt" - um einen Kollegen nach volksverhetzenden Äußerungen im Internet vor einem Strafverfahren zu schützen - liege ebenfalls nicht vor, ließ der Polizeibeamte seinen Verteidiger am Montag (12. Oktober) vor dem Schöffengericht Traunstein mit Richter Thilo Schmidt erklären.
Ermittlungsergebnis manipuliert?
Staatsanwältin Barbara Dallmayer wirft dem Angeklagten vor, als zuständiger Sachbearbeiter im Frühjahr 2018 das Ermittlungsergebnis gegen einen Kollegen wegen Volksverhetzung mit unzutreffenden Informationen manipuliert zu haben. Nach Bezahlung einer Geldauflage wurde das Verfahren gegen den Kollegen im Mai 2018 endgültig eingestellt.
Darin war es um eine Textnachricht gegangen, die der Mann am 24. Februar 2018 an vier Einzelpersonen und eine WhatsApp-Gruppe mit elf Mitgliedern versandt hatte. Von "Terrorisieren ganzer Stadtviertel", von "Primatenkultur mit mittelalterlichen Unsitten" war zum Beispiel bezüglich Zuwanderern die Rede. Wörtlich hieß es in dem Text: "Es wird geraubt, überfallen, vergewaltigt und gemordet, als wäre dies das Selbstverständlichste von der Welt." "Bitte teilen" und das Symbol des in die Höhe gereckten Daumens folgte.
Weitergeleitete Textnachrichten
Gemäß Anklage stammte die weitergeleitete Textnachricht ursprünglich von einem zweiten, anderweitig verfolgten Kollegen - was der 53-Jährige gewusst haben soll. Dennoch leitete er laut Anklage pflichtwidrig gegen diesen keine Ermittlungen ein.
Die gerahmte große Collage mit Nazi-Symbolen in seinem Dienstzimmer soll der 53-Jährige vor März 2015 angefertigt haben. In dem Büro führte eine Kollegin (54) von März 2015 bis Herbst 2018 Vernehmungen und Gefährderansprachen, teils mit Dolmetschern, durch. Der Angeklagte soll dort auch selbst Personen vernommen haben. Weitere Dienstangehörige sollen den Raum genutzt haben. Somit war die Collage "für eine nicht überschaubare Zahl von Personen wahrnehmbar", so die Staatsanwältin.
Der nahe Traunstein wohnende Angeklagte gehört der Kripo seit 2008 an - erst beim Kriminaldauerdienst, dann beim Staatsschutz. Seit März 2019 ist er vom Dienst suspendiert, hat Hausverbot, Dienstwaffe und Ausweise wurden ihm abgenommen, wie Verteidiger Dr. Andreas Kastenbauer aus Traunstein berichtete. Der 53-Jährige werde sich in dem Prozess nicht selbst äußern.
Der Anwalt verlas eine eineinhalbstündige Erklärung. Die Nazi-Embleme hätten andere Mitarbeiter gesammelt, der Angeklagte habe sie nur auf einer Tafel zusammengefügt. Kollegen wie der Vorgesetzte hätten die Collage gesehen, jedoch nichts gesagt. Einzig die 54-Jährige habe sich daran gestört. Bei der Textnachricht habe sein Mandant "Fehler in der Ermittlungsarbeit" gemacht - aber aus mangelnder Fachkenntnis und Ausbildung heraus.
Inhalt laut Verteidiger vielmehr ein "Kulturvergleich"
Das Gericht müsse sich selbst ein Bild machen, ob der Inhalt der Nachricht "Volksverhetzung" sei, hob Dr. Kastenbauer heraus. Der Text sei Jahre im Internet kursiert, gelte nicht der Abwertung von Gruppen, sei vielmehr ein "Kulturvergleich". Der Verteidiger berief sich auf zahlreiche Urteile zu Rechtsfragen. Darunter war, ob elf Chat-Mitglieder schon eine "unkontrollierbare, nicht mehr überschaubare Verbreitung" bedeuteten.
Ein Zeuge vom Bayerischen Landeskriminalamt informierte über Nachermittlungen des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd im März 2019, bei denen im Fall der Textnachricht "Unregelmäßigkeiten aufgetaucht" waren. Die Überprüfung ergab: Die rechtsradikale Nachricht war verschickt und binnen Minuten weitergeleitet worden. Der ursprüngliche Absender konnte nachträglich herausgefunden werden. Der LKA-Zeuge zu dem zweiten Anklagevorwurf: "Zu einem derartigen Bild im Büro des Staatsschutzes hätte ich mir jetzt nichts gedacht, Außenstehende aber vielleicht schon."
"Erfahren und zuverlässig"
Der Dienststellenleiter bezeichnete den Angeklagten gestern als "erfahren und zuverlässig". Mit der Auswertung von Chat-Verkehr sei dieser vertraut gewesen. Von Spannungen zwischen dem Angeklagten und seiner Kollegin habe er anfangs nichts, erst später bemerkt, "dass die Chemie zwischen beiden nicht stimmte".
Die 54-Jährige schilderte einige Punkte, in denen sie ab etwa 2017 Differenzen mit dem Angeklagten wegen dessen Arbeitsweise hatte. "Warum haben Sie nicht früher mit jemand gesprochen?" Auf die Frage des Vorsitzenden antwortete die Zeugin: "Ich weiß, ich kriege kein Gehör."
Der Prozess wird am Mittwoch, 14. Oktober, fortgesetzt.
Bildunterschrift: Laut Staatsanwältin soll der Polizeibeamte (53) unter anderem einen Kollegen geschützt haben, der volksverhetzende Texte per WhatsApp verbreitet haben soll.
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Der Tagesspiegel Online, 13.10.2020:
Mindestens der vierte Vorfall in sieben Tagen / Erneut Hakenkreuz-Schmierereien an Neuköllner Sonnenallee
13.10.2020 - 16.22 Uhr
Innerhalb einer Woche sind rund um die Sonnenallee in Berlin-Neukölln an mindestens vier Hauseingängen und Fassaden Neonazi-Symbole aufgetaucht.
Von Madlen Haarbach
Unbekannte haben in den vergangenen Tagen mehrere NS-Symbole an Fassaden und Hauseingänge in Neukölln geschmiert. In der Nacht zu Dienstag entdeckte ein Zeuge im Innenhof eines Wohnhauses in der Sonnenallee zwischen Schönstedt- und Fuldastraße eine brennende Mülltonne, die er selbst löschen konnte.
Anschließend entdeckte er im Hausflur an der Decke ein Hakenkreuz. Das ist mindestens der vierte entsprechende Vorfall in der direkten Nachbarschaft in den vergangenen sieben Tagen.
Allerdings unterscheidet sich der Vorfall am Dienstag durch ein Detail: Wie die Polizei auf Nachfrage erklärt, wurde in diesem Fall - im Gegensatz zu den Vorfällen der vergangenen Woche und auch ähnlichen Schmierereien in der Vergangenheit - keine rote Farbe verwendet.
In der Nacht zu vergangenem Mittwoch wurde, wie berichtet, ein Hauseingang in der Sonnenallee mit einem Hakenkreuz und SS-Runen in roter Farbe besprayt. Im selben Haus befindet sich die syrische Bäckerei "Damaskus", die bereits mehrfach Ziel mutmaßlich rechtsextremer Anschläge wurde.
In derselben Nacht sprayten ein oder mehrere unbekannte Täter auch ein Hakenkreuz an eine Hauswand in der Elbe- / Ecke Laubestraße. Alarmierte Polizeikräfte machten es unkenntlich.
Am Donnerstagmorgen dokumentierten Anwohner ein weiteres großes Hakenkreuz am Rathaus Neukölln in der Karl-Marx-Straße. Unklar war, ob dieses erst in der Nacht zu Donnerstag oder bereits zuvor gesprayt worden war. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt in allen Fällen und prüft einen Zusammenhang - auch zu früheren Fällen.
In Neukölln kommt es immer wieder zu mutmaßlich rechtsextremen Übergriffen, Angriffen und Brandanschlägen. 72 Vorfälle werden einem Tatkomplex zugerechnet, in dem aktuell eine von Innensenator Andreas Geisel (SPD) eingesetzte Expertenkommission die Ermittlungen neu aufrollt.
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Mitteldeutsche Zeitung Online, 13.10.2020:
Polizei warnt vor Aktion / Rechtsextreme kündigen "nationale Streife" in Dessau an
13.10.2020 - 07.00 Uhr
Dessau-Roßlau. Die rechtsextreme Partei "Der III. Weg" hat angekündigt, im Stadtgebiet von Dessau-Roßlau "in unregelmäßigen Abständen" Streife zu laufen. Bei der Polizei sieht man die Pläne kritisch und warnt vor derartigen Aktionen.
Das kommt im konkreten Fall nicht von ungefähr. Laut des sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzberichts von 2019 sind die Führungsaktivisten der Partei seit Jahren "fest im rechtsextremistischen Spektrum verankert", so agitiere die Partei "antisemitisch, ausländerfeindlich und revisionistisch".
Konkret nimmt "Der III. Weg" in Dessau in einer Ankündigung auf seiner Webseite Bezug auf einen Vorfall am 26. September 2020, bei dem ein 25-Jähriger gegen 23.30 Uhr von zwei Angreifern in der Dessauer Weststraße mit einem Messer am Gesäß verletzt wurde. Beide Männer hätten ein arabisches Aussehen gehabt und seien nach dem Angriff geflüchtet.
"Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sind zentrale Aufgaben von Sicherheitsbehörden und Polizei"
Als Reaktion sei man in Dessau mit einer "nationalen Streife" im Bereich Mitte und Leipziger Tor rund um den Tag der Deutschen Einheit patrouilliert und plane dies auch zukünftig immer wieder zu tun.
""Streifgänge" von Privatpersonen, unabhängig vom jeweiligen Personenkreis, bedarf es in Dessau-Roßlau nicht", versichert Polizeisprecher Robert Niemann. "Gefahrenabwehr und Strafverfolgung und folglich die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind zentrale Aufgaben von Sicherheitsbehörden und Polizei."
Bürger sollen "verdächtige Wahrnehmungen" direkt der Polizei melden
So gäbe es zwar die "Jedermannsrechte" (u.a. § 127 der StPO), auf die sich Bürgerwehren und private Streifen oft berufen, allerdings gelten diese laut Niemann nur für nicht vorhersehbare und außergewöhnliche Notsituationen, "sie stellen jedoch keine Befugnisnormen dar, sich zum Zwecke eines privaten "Streifengangs" zusammenzuschließen". Vielmehr solle man als Bürger "verdächtige Wahrnehmungen, aber auch Wahrnehmungen in Bezug auf derartige Aktionen der Polizei melden".
Diese Feinheit scheint man auch bei "Der III. Weg" zu kennen. Während man zunächst angekündigt hatte, mit den Streifen gegen die "Gewalt gegen Deutsche" und den "Multikultiwahn" vorgehen zu wollen, teilt man ganz am Ende der Mitteilung mit, man wolle "mit Infomaterial und persönlichen Gesprächen präventive Arbeit (leisten), um die Bevölkerung für mehr Acht- und Aufmerksamkeit zu sensibilisieren". Doch auch die Broschüren der Partei werden vom Verfassungsschutz zum Teil als kritisch angesehen.
"Der III. Weg" hat etwa zehn Mitglieder in Sachsen-Anhalt
Die Partei "Der III. Weg" ist 2013 als Reaktion auf einen Streit innerhalb der NPD in Rheinland-Pfalz gründeten worden. Nachdem 2014 in Bayern das Neonazi-Netzwerk "Freies Netz Süd" verboten wurde, schlossen sich einige der Mitglieder der Partei an.
"Sie nutzen somit die Partei (Schutz des Parteienprivilegs) als Auffangstruktur, um staatlichen Exekutiv- und Verbotsmaßnahmen zu entgehen", heißt es im Verfassungsschutzbericht.
Demnach hat die Partei in Sachsen-Anhalt etwa zehn, bundesweit rund 580 Mitglieder. Über verschiedene Gebietsverbände wird versucht Aktionen der Partei wie die "nationalen Streife" lokal zu koordinieren.
In Dessau war "Der III. Weg" zuletzt Anfang September in Erscheinung getreten, als man sich mit einer Spontandemo gegen die Forderungen von "Fridays for Future" stellte, Geflüchtete aus dem abgebrannten Lager in Moria aufzunehmen.
Bildunterschrift: Mitglieder der Partei "Der III. Weg".
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Volksstimme Online, 13.10.2020:
Pasemann / AfD-Rechtsaußen nominiert
Rolle rückwärts bei der AfD im Umgang mit Frank Pasemann. Der Rechtsaußen solle jetzt wieder in den Bundestag.
Von Michael Bock
Magdeburg. Sachsen-Anhalts AfD will den aus der Partei geworfenen Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann wieder in den Bundestag bringen. Am Wochenende stellten 41 Delegierte aus dem Wahlkreis 69 (Magdeburg und Teile des Salzlandkreises) den Magdeburger einstimmig als Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2021 auf.
Pasemann gehörte dem inzwischen offiziell aufgelösten rechten "Flügel" an. Das Landesschiedsgericht der AfD hatte im August den vom alten Landesvorstand beantragten Rauswurf bestätigt. Pasemann werden etwa antisemitische Äußerungen, Unregelmäßigkeiten als Schatzmeister und eine fehlende Distanzierung zu NPD-Mitgliedern zur Last gelegt. Laut Nachrichtenagentur dpa sprach Pasemann gestern von einer Kampagne einiger weniger, die nicht die Meinung der Mehrheit wiedergäben. Das hätten die Abwahl seiner Gegner aus dem Landesvorstand gezeigt und die Entscheidung des neuen Vorstands, das Ausschlussverfahren rückgängig zu machen. Der Ende September neu gewählte Landesvorstand hatte am 15. Oktober beschlossen, den Ausschluss Pasemanns zurücknehmen zu wollen. Nach Volksstimme-Informationen stimmten sieben Vorstandsmitglieder dafür, drei votierten mit Nein, drei enthielten sich. Inzwischen hat sich die Bundespartei in das Verfahren eingeschaltet. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Pasemann kann in Berufung gehen. Es verstehe sich von selbst, "dass eine solche Inszenierung und versuchte Ehrverletzung" nicht ohne Antwort bleibe, teilte er mit. "Politisch, aber auch juristisch."
Bildunterschrift: Frank Pasemann.
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