Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt ,
29.06.2020 :
Polizei duldet Öcalan-Flaggen
Trotz der "Null-Toleranz-Strategie" von Innenminister Herbert Reul (CDU) führen Demonstranten gegen Polizeigewalt Symbole der verbotenen PKK mit sich
Bielefeld. Es sollte eine Demonstration gegen Polizeigewalt sein. Anmelder Hakan Firat (30) erklärte auf Nachfrage der NW noch kurz vor Beginn, worum es gehe: "1994 wurde in Hannover der damals 16-jährige Kurde Halim Dener beim Aufhängen von Plakaten durch einen Polizisten mit einem Schuss in den Rücken getötet."
Bei der Auftakt-Kundgebung auf dem Kesselbrink war das jedoch nur kurz Thema. Vor den etwa 250 Teilnehmern, darunter neben verschiedenen Kurden-Gruppen auch Antifa und die so genannte antinationale Linke ("Alibi"), rückte mögliche Polizeigewalt schnell in den Hintergrund. Thema waren auf der einen Seite, wie fast wöchentlich bei ähnlichen Protesten, der Grundkonflikt um Kurdistan und das Verbot der Untergrundorganisation PKK in Deutschland: "Dieses muss sofort aufgehoben werden."
Auf der anderen Seite stand der "Kampf gegen das Kapital" im Vordergrund. "Hey Leute, wir müssen über die Bullen reden", sagte ein Sprecher, während die Polizei rund um die Demo für einen friedlichen Ablauf sorgte. "Ohne Polizei könnte es keinen Kapitalismus geben", hieß es. Außerdem stelle die Polizei keinen Querschnitt der Gesellschaft dar, sondern ziehe "Menschen mit rechten und autoritären Einstellungen" an.
Am Rande der Kundgebung kam es zu einer kurzen Auseinandersetzung mit der Trinker-Szene am Kesselbrink, die von der Polizei aber schnell entschärft werden konnte. Nichts unternommen haben die Ordnungshüter indes gegen zahlreiche Flaggen mit dem verbotenen Konterfei des Kurden-Führers Abdullah Öcalan. Sie wurden zu Beginn des Demo-Zugs verteilt und waren noch kurz vor Ende am Jahnplatz zu sehen. Auch in Liedern, die über den völlig übersteuerten Lautsprecherwagen abgespielt wurden, kam immer wieder die PKK vor.
Eine Schweigeminute für Halim Dener legte der Protestzug direkt vor der Polizeiwache am Kesselbrink ein. Davor und danach wurde skandiert, dass der Tod Deners "Mord" gewesen sei.
In der Nacht zu Samstag indes haben Klima-Aktivisten am Regenrückhaltebecken Teutoburger Straße / Ravensberger Straße ein Transparent angebracht, mit dem sie sich für einen früheren Kohleausstieg aussprechen. "Das Kohleverlängerungsgesetz ist eine unglaubliche Dreistigkeit: Anstatt verantwortlich zu handeln, beugt sich die Politik abermals der Lobby der fossilen Energien", äußerte sich dazu schriftlich Kim Heitmann, eine der Aktivistinnen, in einer Pressemitteilung. Die Aktion fand bisher keine große Beachtung.
Bildunterschrift: Die Demonstranten führten verbotene Flaggen mit dem Konterfei des Kurden-Führers Abdullah Öcalan mit sich.
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In der Nacht vom 30. Juni 1994 wurde der kurdische Jugendliche Halim Dener - beim Plakatieren mit dem Symbol der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" - durch einen Zivilpolizisten - in Hannover erschossen.
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