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Neue Westfälische - Bünder Tageblatt , 26.03.2020 :

Ein Mord, der bis heute ungesühnt ist

Stolpersteine: Das Schicksal von Franziska Spiegel ist bis heute nur in Teilen geklärt / Ihre Mörder hinterließen auf der Leiche eine eindeutige Botschaft / Die Täter wurden nie zur Rechenschaft gezogen

Jasmin Hoymann

Bünde. Im Nationalsozialismus waren auch die Familien gefährdet, in denen ein Ehepartner jüdischer Herkunft war, so dass die Kinder als Halbjuden zählten. Sie durften keinen so genannten arischen Partner mehr haben. Die Ehen der Eltern waren vor den Nürnberger Rassengesetzen geschlossen worden. Alle danach geschlossenen Ehen zwischen Juden und als arisch geltenden Deutschen galten als nicht rechtskräftig. Der Alltag der Familien war von Ausgrenzung gezeichnet, da nun die Gesellschaft in Gruppen aufgeteilt war.

So wurde zwischen "Arier", "Juden" und "Mischlingen" unterschieden. Wobei die letzte Gruppe noch mal in Vierteljuden und Halbjuden eingeteilt war. Erstere hatten einen jüdischen Großelternteil. Halbjuden hingegen zwei jüdische Großelternteile. Dies beides galt allerdings nur, wenn die Person nicht dem jüdischen Glauben angehörte, sonst bezeichneten die Nazis sie als "Geltungsjuden", was auf einer Ebene mit dem "Volljuden" stand.

Nach Werfen gezogen, um dem Holocaust zu entgehen

Als Geltungsjude galt auch ein Viertel- oder Halbjude, der einen Ehepartner wählte, der jüdisch war. Viele Ehen zwischen "Ariern" und Juden wurden geschieden. Nicht selten brachte sich danach der jüdische Ehepartner um, denn nun war er vollkommen schutzlos seinen Mitmenschen und dem System ausgeliefert, dass ihm seinen Partner geraubt hatte.

Etwas anders war das Schicksal der Familie Spiegel. Gottfried Spiegel, der 1906 in Siegen geboren worden war, galt als arisch. Seine jüdische Frau Franziska Spiegel, geb. Goldschmidt, wurde am 6. Mai 1905 in Werl geboren. Die beiden heirateten 1928. Zusammen bekamen sie einen Sohn. Rolf Gottfried Spiegel wurde 1930 geboren. Er blickte in eine schwere Zukunft. Ab 1939 war das Studieren für Halbjuden verboten worden. 1942 auch der Besuch von höheren Schulen und im Oktober 1943 auch die Berufsschulen.

Auch wenn Rolf Gottfried Spiegel noch recht klein war, war klar, dass seine Möglichkeit einen Beruf auszuwählen unter dem Nazi-Regime in Zukunft sehr eingeschränkt sein würde. Allerdings wurden Halb- und Vierteljuden nicht aus der Hitlerjugend ausgeschlossen, ab 1943 waren sie sogar verpflichtet, dort einzutreten.

Halbjuden war es ausschließlich erlaubt, Juden zu heiraten. Nur die "Vierteljuden" wurden in die deutsche Volksgemeinschaft aufgenommen. Dies wahrscheinlich auch, da die Wehrmacht fürchtete, bei rund 308.000 Vierteljuden, viele Soldaten zu verlieren. Doch die Angst der so genannten "Mischlinge" wurde immer größer. Sie wurden von ihren Mitbürgern ignoriert und ausgeschlossen, wenn nicht sogar denunziert. Manche wurden in Zwangsarbeiterlager gesteckt.

Rolf Gottfried Spiegel zog mit seinen Eltern 1943, als die Deportation der Bünder Juden schon abgeschlossen war, nach Werfen. Dort bezogen sie einen Kotten bei einem hiesigen Bauern. Franziska durfte sich nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen und hatte schon ihren Vater und ihren Bruder durch die Nazis verloren. Ihre Nachbarn kannten sie allerdings und halfen ihr auch, da sie krank war. So stellten sie ihr manche Nacht Lebensmittel vor die Tür. Sie wussten, dass Franziska als Jüdin kaum Essen beziehen konnte und deshalb von ihrem Mann und Sohn mit ihren Rationen versorgt werden musste.

Dann kam der Tag, an dem Franziska mit ihrem Sohn von der Polizei weggebracht wurde, zunächst nach Bielefeld. Drei Tage später wurden die beiden nach einer Verfügung des Landrats aus der Staatspolizeistelle entlassen. Doch schon sechs Wochen später wurde Franziska Spiegel ermordet. Bis heute ist die Tat nicht restlos aufgeklärt, aber sie lässt sich in Teilen rekonstruieren, da 1948 die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder aufgenommen hatte.

Zur Zeit des Mordes waren SS-Männer in Hunnebrock stationiert. Franziska Spiegel wurde offenbar von einem Mitbürger verraten. Nachmittags am 4. November 1944 erkundigten sich drei SS-Männer, wo Franziska Spiegel wohnte. Zwei von ihnen passten draußen bei den Fahrrädern auf. Der dritte ging in den Kotten der Familie Spiegel. Franziska war alleine zu Hause und wurde von dem Mann gezwungen, mit ihm mit zugehen. Zwei von den SS-Männern führten sie über einen Feldweg zum Hückerholz.

Auf ihrem Rücken befand sich ein Zettel: "Sie war eine Jüdin"

Dort wurde sie von einem der beiden durch einen Schuss in den Hals ermordet. Ihr Mann kam gegen 16.50 Uhr nach Hause und fand das Haus leer vor. Ihm wurde davon erzählt, wie die SS-Männer Franziska fortgeführt hatten. Er brachte seinen Sohn zu seinen Eltern nach Bünde. Laut Gottfried Spiegels Aussage im Jahr 1948 / 1949 habe der damalige Ortsgruppenleiter der NSDAP gesagt, dass er froh sein solle, von seiner Ehefrau "befreit" worden zu sein.

Am Abend wurde die Leiche von Franziska Spiegel von zwei jungen Leuten gefunden. Sie lag auf dem Bauch - und auf ihrem Rücken befand sich ein Zettel, auf dem "Sie war eine Jüdin" stand. Die Ermittlungen wurden relativ schnell eingestellt und die Täter unbehelligt gelassen.

Gottfried Spiegel wurde mit seinem Sohn von der Gestapo überwacht, trotzdem versuchte er, Klarheit über den Tod seiner Frau zu bekommen. Doch trotz Zeugen, die die Täter benennen konnten, wurden diese nie ermittelt. So blieb Franziska Spiegels Tod bis heute ungesühnt. Seit Anfang der 1990er Jahre erinnert im Hückerholz ein Gedenkstein an sie.

Zusätzlich liegen Stolpersteine an der Lenastraße 7, die ihren Namen, aber auch die Namen von Gottfried und Rolf Gottfried Spiegel tragen.

Bildunterschrift: Eines der wenigen Fotos, die von Franziska Spiegel noch vorhanden sind. Das kleine Foto zeigt den Gedenkstein an dem Ort, an dem sie erschossen wurde.

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Neue Westfälische - Bünder Tageblatt, 19.03.2020:

Die letzte Überlebende des Holocaust

Stolpersteine: Willy und Erna Spanier wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert / Sie werden 1945 durch die Rote Armee befreit und kehren nach der NS-Zeit als einzige Bünder Juden in ihre Heimat zurück

Jasmin Hoymann

Bünde. Die Familie Spanier, die am Goetheplatz lebte, ist den meisten Bündern ein Begriff. Schon lange wird über ein Denkmal diskutiert, dass an sie und an die in Bünde gelebten Juden erinnern soll. Doch bisher liegen dort nur drei Stolpersteine, die an die Familienmitglieder erinnern, die die Gefangenschaft unter den Nationalsozialisten nicht überlebten.

Otto Spanier wird am 22. Januar 1893 in Bünde geboren. Sein Bruder Willy ist vier Jahre älter. Beide führen eine Gastwirtschaft und ein Manufakturwarengeschäft, bis der Erste Weltkrieg kommt. Willy wird Hauptmann bei der Artillerie in der Kaiserlichen Armee. Von einer Granate getroffen, kommt er schwer verwundet ins Lazarett. Dort verliert er sein linkes Bein. Nach einer Behandlungszeit von 18 Monaten wird er aus dem Militärdienst entlassen und kümmert sich wieder um das Geschäft, denn sein Bruder Otto wird Anfang Mai 1915 ebenfalls zum Militärdienst eingezogen. Im Krieg wird er zweimal verwundet und kommt erst um das Jahr 1918 nach Bünde zurück.

Zwischen 1931 und 1933 renovieren die Brüder ihren Laden. 1932 heiratet Otto die Würzburgerin Ilse Schiff. Ihr Sohn Manfred wird 1933 geboren. Drei Jahre später zieht auch Willys Freundin Erna Mildenberg zu der Familie. Sie bringt ihre zehnjährige Tochter Lotte mit. Drangsalierungen durch die Nationalsozialisten sind da schon Alltag.

Am 4. Dezember 1937 wird das Glastransparent über der Eingangstür durch einen Stein zertrümmert. 14 Tage später werden Flugblätter vor dem Geschäft verteilt. Willy Spanier spricht den Mann an und fragt ihn, warum er ihm das antue, obwohl er im Kampf für das Vaterland sein Bein verloren habe. Daraufhin wird er beleidigt.

In der darauffolgenden Nacht werden Schaufenster, Schaukästen und Eingangstür zum Geschäft mit antijüdischen Parolen und Beschimpfungen beschmiert. Es kommt zu Gewalt gegenüber Kunden, die das Geschäft betreten wollen.

Auch von Boykottmaßnahmen, mit denen auch die anderen jüdischen Geschäftsleute zu kämpfen haben, werden sie nicht verschont. Willy und Otto Spanier melden diese allerdings der Gestapo, woraufhin die Boykottmaßnahmen überraschend aufhören. Die Täter werden mündlich verwarnt, aber zu weiteren Konsequenzen kommt es nicht.

Trotzdem stellen die Spaniers keinen Strafantrag. Am Morgen des 10. November 1938 werden Otto und Willy von der Polizei abgeholt und in Gewahrsam an der Bachstraße genommen. Willy wird wegen seiner Beinprothese entlassen. Sein Bruder wird hingegen über Wochen im KZ Buchenwald festgehalten.

Spanier ist zu der Zeit das letzte jüdische Geschäft in Bünde. Angetrunkene SA- und SS- Männer dringen in das Haus ein und zerstören die Einrichtung. Ware wird auf die Straße geworfen. Männer halten Frauen und Kinder im Herrenzimmer fest. Sie werden später zur Polizei gebracht. Erna ist in Sorge um ihre Tochter, die im Tumult verschwunden ist. Denn Lotte hat gedroht, sich umzubringen, solle in Bünde dasselbe passieren, wie in der Reichspogromnacht in anderen deutschen Städten. Daraufhin suchen Polizisten das Mädchen und finden sie bei einem Freund der Familie.

Genauso wie auch andere jüdische Bünder werden die Spaniers zur Villa der Familie Levinson gebracht und dort festgehalten. Plötzlich sehen sie von draußen Feuerschein. Dieser kommt von ihrem Haus, das um 2 Uhr nachts von zwei Feuerwehrmännern, die auch in der NSDAP sind, angesteckt. Die Versicherung weigert sich, für den Schaden aufzukommen. Die Spaniers sind daraufhin mittellos. Auch verkaufen können sie das Grundstück nicht, Bürgermeister Rattay kündigt die Enteignung an.

Er will das Gelände in einen Park umwandeln. So mindert er auch den Wert des Grundstücks und verhindert einen Verkauf. So wird das Grundstück 1942 nach der Deportation der Familie vom Deutschen Reich eingezogen.

Zuerst werden am 10. Dezember 1941 Otto mit seiner Frau und seinem Kind deportiert und nach Stutthof gebracht, wo sie ermordet werden. Noch im selben Jahr haben Erna und Willy Spanier, die inzwischen geheiratet haben, ihrer Tochter Lotte die Flucht nach Amerika ermöglicht. Sie entkommt den Nationalsozialisten.

Im darauffolgenden Jahr werden Willy und Erna Spanier nach Theresienstadt deportiert. Sie überleben beide das Konzentrationslager und werden nach der Befreiung durch die Rote Armee im Juli 1945 nach Bünde gebracht. Sie sind die einzigen Bünder Juden, die zurückkehren. Übergangsweise werden sie in dem Haus des ehemaligen SS-Obersturmführers Bültermann in der Winkelstraße untergebracht. Sie bekommen Ausweise, mit denen sie Bedarfsgüter und Hilfe erhalten. Zu dem bekommen sie Unterstützungszahlungen und Sonderleistungen.

Willy Spanier wird im Dezember 1949 eine Entschädigung von 150 DM pro Haftmonat zugestanden. Schon wenig später, am 10. Januar 1952, stirbt er an den Folgen der Haft. Sechs Monate später verkauft seine Frau das Grundstück und erhält im Tauschverfahren unter anderem das Grundstück Eschstraße 32 und wohnt in dem Geschäftshaus.

1954 sieht sie ihre Tochter Lotte in Amerika wieder. Diese besucht ihre Mutter ein paar Jahre später auch in Bünde. Es ist für sie eine große Überwindung und sie versteht nicht, wie ihre Mutter den Mitbürgern verzeihen kann, die sie damals im Stich gelassen haben. Lotte Spanier meidet damals bestimmte Menschen und Geschäfte an der Eschstraße, die an den Maßnahmen gegen ihre Familie mitgewirkt haben.

Am 5. Januar 1983 stirbt Erna Spanier. In den letzten Jahren kann sie nur noch mit Beruhigungsmitteln schlafen, da sie an Angstzuständen leidet. Sie ist die letzte Überlebende des Holocausts aus Bünde.

Bildunterschrift: Erna Spanier wurde gemeinsam mit ihrem Mann nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte das Konzentrationslager und starb am 5. Januar 1983.

Bildunterschrift: Überlebte den Holocaust: Willy Spanier starb 1952.

Bildunterschrift: Das Haus Feldmann in der Eschstraße steht noch heute. Hinten ist das Haus der Familie Spanier zu erkennen.

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Neue Westfälische - Bünder Tageblatt, 27.02.2020:

Die KZ-Folter bleibt

Stolpersteine: Ernst Friedlich litt bis zuletzt unter den gesundheitlichen Schäden / Seinen Beruf als Zahnarzt konnte er nicht ausüben - weil er Jude war

Jasmin Hoymann

Bünde. Der jüdische Kaufmann Siegmund Friedlich lebte mit seiner Frau Mathilde, die eine geborene Marcus war, in Bünde, Auf’m Tie 3. Ihre Tochter Anna wurde ein Jahr nach dem Umzug nach Bünde am 9. November 1909 geboren. Das junge Paar bekam ihren ersten Sohn Ernst ein Jahr später Dieser sollte die Schrecken der Herrschaft der Nationalsozialisten am eigenen Leib erfahren.

Der junge Ernst bestand seine Abitur-Prüfung im Jahr 1930 am Real-Gymnasium und begann gleich danach mit dem Studium der Zahnmedizin. Nachdem er die Vorprüfung an der Universität Marburg bestanden hatte, ging er von 1932 bis 1933 für drei Semester an die Universität Münster. Während des Studiums starb sein Vater und seine Schwester wanderte nach Paris aus. Sie heiratete in Nizza und lebte dort bis in die 1980er Jahre.

Ihr Bruder legte, bevor er nach Bünde zurückkehrte, das zahnärztliche Staatsexamen ab. Doch da er Jude war, durfte er seinen Traumberuf nicht ausüben. Seine Doktorarbeit wurde auf Grund eines Gesetzes aus dem Jahr 1933 nicht anerkannt. Dies besagte, dass er das Doktordiplom nur erhalten könne, wenn er gleichzeitig die deutsche Staatsangehörigkeit ablege. Dies war ein herber Rückschlag für ihn.

Da er keine Zukunft in Bünde sah, zog er 1934 mit Margarete Heymer, die er wahrscheinlich in Paris heiratete, zu seiner Schwester nach Frankreich. Dort bewarb er sich an einer Zahnarzt-Schule, wurde dort auf Grund der fehlenden Dokumenten jedoch nicht angenommen.

Verhaftet in einem Krankenhaus in der Ukraine

Überraschend bekam er von einer amerikanischen Gesellschaft das Angebot, als Angestellter in Russland zu arbeiten. Doch dort konnte er nicht lange bleiben. Er berichtete, nach nur zwei Monaten in der Ukraine und nach nur vier Wochen Arbeit in einem Krankenhaus, der Spionage bezichtigt worden zu sein. Daraufhin wurde er vier Monate festgehalten und dann nach Deutschland ausgewiesen.

Noch am Tag seiner Ankunft in Deutschland wurde er in so genannte Schutzhaft genommen. Vier Wochen wurde er von der Gestapo in Bielefeld verhört und gefoltert, da sie hofften, von ihm Namen von NS-Gegnern in Frankreich zu erfahren. Nach diesen Wochen kam er 1936 in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Durch die Folter war er zu schwach zum Arbeiten und kämpfte zudem mit einem Leistenbruch, den ein Fußtritt verursacht hatte. Trotzdem wurde er zur Arbeit gezwungen.

Wenn er nicht mehr konnte, stachen ihm die Wärter Augenzeugen-Berichten zufolge mit Bajonetten in den Oberschenkel. Die so entstandenen Wunden wurden hinterher mit Salz und Pfeffer eingerieben. Dadurch blieben Narben. Seine Wirbelsäule verkrümmte sich immer mehr, seine gesamte Gesundheit verschlechterte sich. Seine tägliche Todesangst äußerte sich später in einem Magengeschwür. In einer Nacht, als alle Lagerinsassen zur Strafe in der Kälte strammstehen mussten, holte er sich eine Lungenentzündung, von der die Lunge dauerhaft vernarbt blieb.

Seelische Folgen der Schutzhaft blieben bis zum Lebensende

Schließlich kam Ernst Friedlich 1937 zunächst nach Dachau, anschließend in das KZ Buchenwald, wo er sich Erfrierungen an Beinen und Füßen zu zog. Die Taubheit in den betroffenen Gliedmaßen blieb bis zu seinem Tode. Zudem wurden Nahrungsmittel-Experimente an ihm durchgeführt, dessen Folgen ihn sein Leben lang begleiteten.

Während der Schutzhaft lebte seine Frau bei seiner Mutter, die allerdings im Jahr 1938 gezwungen wurde, nach Kassel zu ziehen. Als Ernst Friedlich im Jahr 1939 entlassen wurde, zog er nach kurzem Aufenthalt in Bünde mit seiner Frau ebenfalls nach Kassel. Dort stellte er für sich und seine Frau einen Auswanderungsantrag, denn wenn er nicht innerhalb von 14 Tagen ausgewandert sein sollte, wäre er wieder in Schutzhaft gekommen, so sagten es ihm hochrangige Nationalsozialisten. Heute ist nicht ganz klar, ob er nach Mexiko oder direkt nach Singapur ausgewandert ist. Dort blieb er, bis er 1941 nach Australien emigrierte, wo er den Namen Frey annahm. Im selben Jahr wurde seine Mutter nach Riga deportiert und starb dort.

Seine Ehe litt unter den Folgen der Schutzhaft und zerbrach schließlich im Jahr 1943. Ein Jahr später heiratete er Karla Martha Franz, die aus Hamburg stammte. Mit ihr bekam er zwei Söhne. Die Rechtsanwälte von Ernst Frey stellten 1954 einen Antrag auf Entschädigung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Bearbeitung zog sich über sieben Jahre hin.

Schließlich bekam er Entschädigungszahlungen für seine Haftzeit und die Monate, die er nicht hatte arbeiten können. Auch eine Rente wurde ihm zugesichert, die allerdings zu niedrig war, um die Kinder zu ernähren. Als seelische Folgen seiner Schutzhaft kämpfte er mit Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Schwindelanfällen. Er starb mit fast 70 Jahren in Australien.

Die gesundheitlichen Schäden, die ihm die Nationalsozialisten zugefügt hatten, hatten sein gesamtes Leben bestimmt.

Bildunterschrift: Die Stolpersteine erinnern an das Schicksal von Ernst und seiner Mutter Mathilde Friedlich.

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Am 4. November 1944 wurde die Jüdin Franziska Spiegel (6. Mai 1905) von SS-Männern im Hücker­holz in der Nähe von Spenge hingerichtet (Halsschuss), auf ihren Rücken war der Zettel "Sie war Jüdin" geheftet.

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