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Neue Westfälische , 21.02.2020 :

Verbindung zur mutmaßlichen Terror-Zelle "Gruppe S." wird geprüft

Ein fremdenfeindliches Motiv des blutigen Anschlags in Hanau gilt als erwiesen / Doch gibt es auch Parallelen zur Reichsbürger-Bewegung? / Ein Experte analysiert das Bekennerschreiben und das Video des mutmaßlichen Schützen

Lukas Brekenkamp

Bielefeld / Hanau. Nach dem Blutbad in Hanau mit insgesamt elf Toten kursieren verschiedene Gerüchte und Informationen durchs Netz. So sollen etwa Parallelen zwischen dem Täter und der Reichsbürger-Bewegung erkennbar sein. Doch was ist dran an den Berichten?

Jan Rathje von der Amadeu Antonio Stiftung beschäftigt sich mit dem Thema Reichsbürger. Er hat sowohl das Bekennervideo als auch das Bekennerschreiben (liegt auch dieser Redaktion vor) ausgewertet. "Klar ist: Der mutmaßliche Täter hat ein verschwörungstheoretisches Weltbild", sagt Rathje. "Er glaubt etwa, er würde gegen eine Geheimorganisation vorgehen." Demnach schreibt er in seinem Bekennerschreiben von einer "Überwachung", die schuld daran sei, dass er nie mit einer Frau intim wurde.

Wie die Bild berichtet, soll sich der mutmaßliche Schütze wegen der "Überwachung" gar schriftlich an den Generalbundesanwalt gewendet haben. Er hätte demnach Informationen darüber, dass Tausende Deutsche überwacht würden.

Nur wenige Reichsbürger-Bezüge erkennbar

Der Experte Rathje sagt jedoch: "Für mich geht das nicht primär in Richtung Reichsbürger-Bewegung." Zwar seien solche Verschwörungstheorien ein typisches Element in der Szene. Andere Merkmale der Reichsbürger-Bewegung erkennt der Experte dagegen nicht. Der mutmaßliche Täter zweifele laut Rathje zum Beispiel nicht die Existenz der Bundesrepublik als Staat an.

Dass das Motiv jedoch besonders durch das Video sowie das Schreiben des mutmaßlichen Täters als fremdenfeindlich einzustufen ist, daran ließ auch die Bundesanwaltschaft in einer Mitteilung keine Zweifel: "Es liegen gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund der Tat vor." Auch Rathje ordnet den mutmaßlichen Todesschützen klar dem Rechtsextremismus zu.

Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sagte dieser Redaktion, dass nach der Tat in alle Richtungen ermittelt werde - etwa nach möglichen Unterstützern oder Mitwissern. Es werde auch eine mögliche Verbindung zwischen dem mutmaßlichen Schützen und der mutmaßlichen rechtsextremen Terrorzelle "Gruppe S." geprüft.

In der vergangenen Woche kam es in ganz Deutschland zu Durchsuchungen sowie Verhaftungen - auch im Kreis Minden-Lübbecke. Gibt es tatsächlich einen Zusammenhang? "Das ist hochgradig spekulativ", sagt Rathje. Immerhin sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht erkennbar, dass sich der mutmaßliche Schütze mit einschlägigen Organisationen vernetzt hätte.


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