www.hiergeblieben.de

Lippische Landes-Zeitung , 22.11.2019 :

Buch über Nazi-Opfer

Oerlinghausen (lob). Die dritte erweiterte Ausgabe des Erinnerungsbuches an die Opfer des Nationalsozialismus in Oerlinghausen ist erschienen. Der Historiker Jürgen Hartmann hatte im Gedenken an die aus Oerlinghausen stammenden Opfer des Nationalsozialismus im Jahr 2016 das Erinnerungsbuch erstellt, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Die Lebensgeschichten von mehr als 30 Frauen und Männern, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft wurden, seien darin dokumentiert. Seit der Veröffentlichung auf der Internetseite der Stadt könne das Erinnerungsbuch weltweit eingesehen werden und stelle eine wichtige Dokumentation nicht nur für künftige Generationen dar. In der dritten erweiterten Auflage wurde das Erinnerungsbuch um neue Informationen zu dem Schicksal der ehemaligen Mitbürger ergänzt und steht aktualisiert unter www.oerlinghausen.de im Internet zur Verfügung.

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Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt, 09./10.04.2016:

Als die braunen Horden herrschten

Erinnerungsbuch: Der Historiker Jürgen Hartmann stellt jüdische Schicksale aus Oerlinghausen in einer Dokumentation vor / Bürgermeister Dirk Becker will "Erinnerung an unsere Vergangenheit wach halten"

Von Horst Biere

Oerlinghausen. Ein Erinnerungsbuch schrieb der Historiker Jürgen Hartmann über frühere jüdische Bürger aus Oerlinghausen. Es solle den Opfern des Nationalsozialismus aus dem Stadtgebiet Oerlinghausens ein Gesicht geben, indem es die Stationen ihres Lebens und ihres Schicksals nachzeichnet, sagte er bei der Vorstellung im Bürgerhaus.

"Beklemmung und eine sehr emotionale Wirkung" beschleiche ihn, sagte Bürgermeister Dirk Becker bei der Schilderung von Lebensläufen aus den Dokumenten. "Aber wir müssen die Erinnerung an unsere Vergangenheit wach halten", stellte er in seiner Eröffnungsrede im Bürgerhaus fest, "denn es gibt heute wieder neue Versuche politischer Rattenfänger".

"Es sind Bürgerinnen und Bürger einer Stadt, in der sie bis zur nationalsozialistischen Zeit sicher und zu Hause waren. Zwölf Frauen, Männern und Kindern galten nachweislich als "Opfer aus Oerlinghausen", die zwischen 1933 und 1945 zumindest zeitweise in Oerlinghausen, Lipperreihe, Helpup oder Währentrup gemeldet waren und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zum Opfer fielen", referierte Jürgen Hartmann. Exemplarisch stellte er einige dramatische Lebensläufe von Menschen vor, deren Lebenswege ausnahmslos in Gefängnissen, Konzentrationslagern oder völliger menschlicher Isolation und Selbstmord endeten.

Folterung in Auschwitz

Walter Windmüller war erst durch einen Brief aus Ausschwitz in Jürgen Hartmanns Forschungsblickwinkel geraten. Hartmann: "Er war jüdischen Glaubens, aber wegen zahlreicher Betrugsdelikte schon vorher in vorbeugender Haft, unter anderem im Konzentrationslager Sachsenhausen." Sachsenhausen sei ein "El Dorado" gewesen gegenüber seinem vorherigen Aufenthaltsort in Ausschwitz, schrieb Walter Windmüllerin in einem herausgeschmuggelten Brief an einen Bekannten. Hartmann präsentierte Schrift- und Tondokumente aus einem Auschwitz-Prozess der 1960er Jahre, wonach Windmüller wohl zu Tode gefoltert wurde. Ein Fernschreiben wies lediglich aus: "Tod durch Herzklappenfehler".

Opfer der Reichskristallnacht

Familie Herz, die an der Hauptstraße 78 in der Nähe des Essener Hofes (heute Stadtschänke) ein kleines Textilwarengeschäft besaß, wurde in der so genannten "Reichskristallnacht" am 10. November 1938 von den "braunen Horden" heimgesucht. Man zerschlug ihre Fensterscheiben und ihre Auslagen. Später willigten Irma und Heinrich Herz in den Verkauf ihres Hauses ein, die Familie zog nach Hamburg und lebte unter ärmlichen Verhältnissen in einer kleinen Wohnung. "Den vorhandenen Transportlisten der Hamburger Gestapo zufolge wurden Heinrich Herz am 8. November 1941 und Irma sowie die Kinder Manfred und Uriel am 18. November 1941 ins Ghetto nach Minsk deportiert", berichtete Jürgen Hartmann. Dort wurden offenbar alle ermordet.

Deportiert nach Riga

Die jüdischen Eheleute Eduard und Else Kulemeyer besaßen ein Haus an der Bahnhofstraße 41 (heute Rathausstraße). Sie wurden gegen Ende der 1930er Jahre immer mehr vom öffentlichen Leben ausgegrenzt. Er schrieb seinem Bruder in Argentinien häufig Briefe: "Wie bereits mitgeteilt, müssen wir uns jetzt zur Auswanderung entschließen, da sie uns hier nicht mehr länger haben wollen. ( ... ) Das Grundstück habe ich bislang deswegen noch nicht verkauft und kann es auch nicht tun, bevor wir nicht wissen, nach wohin wir auswandern."

Nach Kriegsbeginn schikanierte die SA die Eheleute verschiedene Male. Ende November 1941 erhielten Eduard und Else Kulemeyer die Aufforderung zur Vorbereitung für die "Evakuierung in den Osten". Am Nachmittag brachte sie der Deportationszug von Münster über Osnabrück mit insgesamt rund 1.000 jüdischen Frauen und Männern nach Riga, wo sie drei Tage später eintrafen. Am "Rigaer Blutsonntag", dem 30. November, und am 8. und 9. Dezember 1941 wurden ungefähr 27.500 Männer, Frauen und Kinder im Rigaer Ghetto ermordet. Vom Ehepaar Kulemeyer gab es seither kein Lebenszeichen mehr.

KPD-Mann Berke

Ein politischer Fall war der des Oerlinghausers Eduard Berke. Als bekannter Funktionär der Kommunistischen Partei (KPD) in Oerlinghausen wurde Berke nach der Machtübernahme 1933 mehrere Male in "Schutzhaft" genommen. In einem großen Verfahren gegen 65 Kommunisten aus Lippe wegen Vorbereitung zum Hochverrat wurde Eduard Berke durch das Oberlandesgericht Hamm im September 1934 zu einem Jahr und fünf Monaten Zuchthaus verurteilt.

Nach der Entlassung im Dezember 1935 stand Berke, der wieder als Schleifer bei der Firma Benteler in Bielefeld arbeitete, unter Überwachung. 1942 bildeten sich in Bielefelder Betrieben vereinzelt lose "Radio-Kreise". Dabei handelte es sich um Gegner des Nationalsozialismus, die bei englischen, russischen und Schweizer Sendern abgehörte Nachrichten austauschten und diskutierten.

Neben Berke gehörten Gustav Meier und Richard Hofmann aus Oerlinghausen, direkte Nachbarn im Wellenbruch, dazu. Der Kreis flog auf. In einem Verfahren wurde Eduard Berke im November 1943 zum Tode verurteilt. Am 4. Januar 1944 wurde Eduard Berke im Gefängnis in Dortmund durch das Fallbeil hingerichtet.

Das Buch im Internet

Das "Erinnerungsbuch", das der Historiker Jürgen Hartmann (der früher Ratsmitglied im Oerlinghauser Stadtrat war) bereits im Jahre 2014 herausgegeben hat, ist auf der Homepage der Stadt Oerlinghausen zu finden und kann heruntergeladen werden.

www.oerlinghausen.de

Bildunterschrift: Erinnerungskultur: Historiker Jürgen Hartmann (r.) stellte seine Dokumentation über frühere jüdische Mitbürger im Bürgerhaus vor. Bürgermeister Dirk Becker hielt die Eröffnungsrede.

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Lippe aktuell, 06.12.2014:

Das Erinnern ist nie zu Ende

Stadt Oerlinghausen ehrt Opfer des Nationalsozialismus

Oerlinghausen (kd). Mit einem "Erinnerungsbuch" im Internet (www.oerlinghausen.de) gedenkt die Stadt Oerlinghausen jener Bürger, die während des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. Die meisten waren jüdischen Glaubens. In jahrelanger Arbeit hat der Historiker Jürgen Hartmann die Angaben zu den biographischen Skizzen recherchiert. Bürgermeisterin Dr. Ursula Herbort sagte, das "Erinnerungsbuch" sei eine würdige Form, um den Opfern ein Gesicht zu geben.

Seit mehr als 25 Jahren beschäftigt sich der Historiker mit der Regionalgeschichte und hat bereits etliche Publikationen verfasst. 2012 erhielt er den Auftrag von der Stadt Oerlinghausen, nachdem der Rat auf "Stolpersteine" vor den früheren Wohnhäusern der Opfer verzichtet hatte. Hartmann rekonstruierte die Biographien von Menschen, die zwischen 1933 und 1945 in Oerlinghausen wohnten und vom NS-Staat verfolgt und ermordet wurden.

Er besuchte nicht nur Archive, Bibliotheken und Standesämter, korrespondierte mit Nachfahren und recherchierte im Internet. Er spürte auch entfernte Verwandte der Opfer auf, die ihm erstmals Informationen und Fotos anvertrauten. "Die Arbeit hat mich äußerst beschäftigt und ist mir im Laufe der Zeit zu einer Herzensangelegenheit geworden", bekannte Hartmann.

"Nicht eine der mitunter alteingesessenen Oerlinghauser Familien jüdischen Glaubens hatte keine Opfer zu verzeichnen", fand der Historiker heraus. An der Hauptstraße 78 führten Irma und Manfred Herz ein Textilgeschäft. Sie waren eine der letzten beiden Familien, die 1938 noch zur Synagogengemeinde Oerlinghausen gehörten. Als Vorsteher verkaufte Manfred Herz die Synagoge im Juli 1938. Am 10. November 1938 verwüsteten SA-Männer den Laden, Manfred Herz wurde festgenommen und in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar gebracht.

14 Tage später wurde er entlassen. Die geplante Ausreise nach Uruguay wurde jedoch verhindert, in Hamburg kam das Ehepaar im April 1939 wegen angeblichen Devisenvergehens in Haft. Der Vorwurf erwies sich als haltlos, die Lage der Familie verschlechterte sich jedoch stetig.

Eine Deportationsliste belegt, dass Irma und Manfred Herz am 18. November 1941 in das Ghetto Minsk transportiert wurden. In der weißrussischen Stadt wurden Tausende von Juden erschossen, in "Gaslastwagen" erstickt oder kamen durch Hunger und Krankheit zu Tode. Das genaue Schicksal der Familie Herz ist nicht bekannt, aber nur sehr wenige Menschen haben überlebt. Wie in anderen ungeklärten Fällen wurden Irma und Manfred Herz später offiziell für tot erklärt.

Der Historiker Hartmann erinnert auch an politisch Verfolgte wie Eduard Berke, der wegen Abhörens von ausländischen Radiosendern 1944 hingerichtet wurde.

Hartmann hält seine Arbeit keineswegs für abgeschlossen. Er hofft, dass er aus der Bevölkerung weitere Hinweise, Dokumente oder Fotos erhält (Erinnerungsbuch@erlinghausen.de).

Bürgermeisterin Dr. Ursula Herbort dankte für seine umfangreiche wissenschaftliche Arbeit. "Damit ehrt die Stadt ihre früheren Mitbürger. So können wir den Menschen irgendwie Heimat zurückgeben", sagte sie. "Denn das Erinnern ist nie zu Ende."

Bildunterschrift: Anstelle von "Stolpersteinen": Der Historiker Jürgen Hartmann präsentierte der Oerlinghauser Bürgermeisterin Dr. Ursula Herbort die Ergebnisse seiner jahrelangen Recherchen.

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Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt, 27.11.2014:

Historiker gibt Opfern ein Gesicht / Erinnerungsbuch der Opfer des Nationalsozialismus im Internet veröffentlicht

Von Karin Prignitz

Oerlinghausen. Zweimal haben sich die Politiker der Bergstadt in den vergangenen zehn Jahren gegen "Stolpersteine" in der Stadt ausgesprochen. Jene Pflastersteine mit individuell beschrifteter Messingplatte, die vor Häusern in den Boden eingelassen werden, in denen vor den Gräueltaten der Nationalsozialisten jüdische Mitbürger gelebt haben. Statt der Steine gibt es jetzt eine andere Form der würdigen Erinnerung. Eine, die weltweit einsehbar ist und jederzeit ergänzt werden kann.

Den Ausschlag, gegen das Projekt zu stimmen, hatte im Jahr 2011 wohl die Stellungnahme des Kunstvereins Oerlinghausen, vertreten durch Gisela Burkamp, gegeben. Die Kunsthistorikerin hatte argumentiert, dass Pflastersteine "dem ungeheuerlichen Geschehen in keiner Weise gerecht werden können" und sich zudem ein Unbehagen einstellte, wenn Menschen mit Füßen getreten würden. Mit der geretteten und wunderbar erhaltenen Synagoge gebe es bereits einen Ort der Erinnerung.

Nach ausführlichen politischen Beratungen und vielen kontroversen Stimmen in der Bevölkerung hatte die Stadt im Jahr 2012 Jürgen Hartmann beauftragt. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hat der Historiker ein Erinnerungsbuch für die aus Oerlinghausen stammenden Opfer des Nationalsozialismus erstellt. Eines, dessen Texte gestern im Internet veröffentlicht worden sind. Gleich auf der ersten Seite der Homepage der Stadt ist der Hinweis zu finden. "Von dort aus gelangt man zum Buch", das kostenfrei heruntergeladen werden kann. Dort, wo bisher das Helpuper Baustellen-Tagebuch gestanden habe, finde sich jetzt das Erinnerungsbuch, konkretisierte die Bürgermeisterin.

Jürgen Hartmann hat für seine wissenschaftliche Arbeit "recherchiert wie ein Detektiv". Zuvor galt es einen Rahmen abzustecken. Im Erinnerungsbuch sind deshalb jene jüdischen Mitbürger erfasst, "die direkt oder indirekt durch Maßnahmen ums Leben gekommen sind".

Wahrlich nicht einfach war es, an Informationen zu kommen, um den Opfern ein Gesicht zu geben, die Stationen ihres Leben und ihrer Schicksale nachzuzeichnen. Vor allem deshalb, weil viele Akten vernichtet worden sind. Auch Fotos ließen sich nicht zu allen Personen finden. Mit der bewusst gewählte Publikation im Internet können, das hofft der Historiker sehr, womöglich noch "viele Leerstellen oder Lücken in einzelnen Biographien gefüllt werden".

Die Lebensgeschichten von 30 Frauen und Männern finden sich im Buch. "Sie alle stehen in Bezug zu Oerlinghausen, sei es als Geburts- oder Wohnort oder als Ort ihrer Bestattung", berichtete Hartmann, der in zahlreichen Archiven geforscht hat und von Linda Baus Unterstützung bei der Auswertung alter Meldeunterlagen im Rathaus bekommen hat. Ausführlich erzählt Hartmann, der heute in Rheine lebt, aber Oerlinghauser Wurzeln hat, von der akribischen Arbeit, um die beklemmenden Schicksale nachzeichnen zu können.

Im Hauptteil des Buches hat er an Hand von zwölf ausführlicheren und zwanzig kleineren biografischen Skizzen an die ausgelöschten Leben erinnert. Frauen, Männern und Kinder, "die zwischen 1933 und 1945 zumindest zeitweise in Oerlinghausen, Lipperreihe, Helpup oder Währentrup gemeldet waren und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zum Opfer fielen". Vieles, sagt Hartmann, "geht nicht spurlos an einem vorüber". Dass Buch sei eine Herzenssache. Bürgermeisterin Ursula Herbort geht davon aus, dass das Erinnerungsbuch auch überregional auf Resonanz stoßen und womöglich Anlass für andere Städte sein könnte, ähnlich zu verfahren.

Weltweit verfügbar

"Der Weg einer Veröffentlichung im weltweit verfügbaren Internet wurde auch deshalb gewählt", erläuterte Jürgen Hartmann, "um dieses Buch von Zeit zu Zeit zu aktualisieren". Bürger, die noch verwendbare Fotoaufnahmen, Briefe oder andere Dokumente der genannten Menschen oder Anregungen haben, können sich wenden an: erinnerungsbuch@oerlinghausen.de oder an die Stadt Oerlinghausen, Stichwort Erinnerungsbuch. Gisela Burkamp kündigte an, dass anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Kunstvereins im Jahr 2016 Arbeiten der jüdischen Malerin Käthe Loewenthal gezeigt werden.

Bildunterschrift: Auch im Netz: Historiker Jürgen Hartmann mit den Seiten des Buches, das an die Opfer des Nationalsozialismus aus Oerlinghausen erinnert und einem Foto von Manfred Herz aus dem Jahr 1938, der Ende 1945 für tot erklärt worden ist. Bürgermeisterin Ursula Herbort hofft auf eine große und auch überregionale Resonanz.

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Lippische Landes-Zeitung, 21.11.2012:

Ausschuss für Gedenkbuch

Online-Version begrüßt

Oerlinghausen. Einstimmig hat sich der Kulturausschuss dafür ausgesprochen, auch öffentlich der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in der Bergstadt zu gedenken. In der jüngsten Sitzung fiel dazu ein Beschluss.

Grundgedanke von Gisela Burkamp war, eine weitere Gedenktafel an der Fassade der ehemaligen Synagoge anzubringen. Letztlich wurde jedoch die Lösung eines Online-Gedenkbuches favorisiert (die LZ berichtete). Bei der Diskussion im Ausschuss regte Monika Scheler (CDU) an, den Antrag zu erweitern und Ausdrucke aus dem Online-Gedenkbuch zu erstellen, die dann in der Synagoge und im Rathaus ausgelegt werden sollen. Oliver Kaiser (Grüne) schlug ferner vor, eine kleine Gedenktafel am Rathaus anzubringen, die mit einem QR-Code versehen ist. Solche Codes können mit Smartphones gescannt werden. Es wird dann sofort ein Link ausgeführt, der den Nutzer auf die Seite des Online-Gedenkbuches bringt. Zur Finanzierung des Gedenkbuches sollen 8.000 Euro in den Haushaltsplan 2013 aufgenommen werden.

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Lippische Landes-Zeitung, 07.11.2012:

Virtuelle Gedenktafel im Gespräch

Für Nazi-Opfer

Oerlinghausen. Tafel oder Buch - in welcher Form der Opfer des Nationalsozialismus in Oerlinghausen gedacht wird, diskutiert der Schul- und Kulturausschuss am heutigen Mittwoch. Die Sitzung beginnt um 18.30 Uhr in der Aula der Grundschule Lipperreihe.

Auslöser der Debatte ist ein Antrag von Gisela Burkamp, eine weitere Gedenktafel an der Fassade der ehemaligen Synagoge anzubringen. Dazu beschloss der Hauptausschuss im Juni, dass Kontakt zu dem ehemaligen Oerlinghauser und jetzigen Pressesprecher des Landrates des Kreises Grafschaft Bentheim aufgenommen werden soll. Dabei sollten Varianten der Namenseinträge und der Standort einer Gedenktafel erörtert werden. Ein Gespräch zwischen Verwaltung, Gisela Burkamp und Jürgen Hartmann fand Anfang September statt. Dabei kristallisierte sich die Variante eines Online-Gedenkbuches heraus.

Besonders Hartmann favorisierte die virtuelle Gedenktafel im Internet. Nur dort bestehe die Möglichkeit, das Leben der Opfer ausführlich mit Lebenserzählungen, Fotos und Briefen zu dokumentieren und das Gedenkbuch wachsen zu lassen. In diesem Zusammenhang wurden auch Fragen angesprochen, wie der Opferkreis definiert werden soll. Für ein Online-Gedenkbuch spricht nach Ansicht von Jürgen Hartmann auch, dass man mit dieser Form Menschen in aller Welt erreichen kann. Laut Beschlussvorschlag der Stadt sollen 2013 8.000 Euro bereitgestellt werden.

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Stadt Oerlinghausen
Die Bürgermeisterin

22.10.2012

Drucksachen-Nr.: 443/IX/N1

Schul- und Kulturausschuss
Sitzungstermin: 07.11.2012

Beratungsgegenstand:

Anbringung einer weiteren Gedenktafel an der Fassade der ehemaligen Synagoge;

- Anregung nach § 24 GO NRW vom 22.03.2012 -

Beschlussvorschlag:

Für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus Oerlinghausen wird ein Online-Gedenkbuch erstellt. Für die wissenschaftliche Begleitung und Recherche-Arbeiten werden im Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2013 Mittel in Höhe von 8.000 Euro veranschlagt.

Erläuterung:

Frau Gisela Burkamp hat mit einer Anregung nach § 24 GO NRW die Anbringung einer weiteren Gedenktafel an der Fassade der ehemaligen Synagoge beantragt. Hierzu hat der Hauptausschuss in seiner Sitzung am 24.06.2012 beschlossen, Kontakt zu Herrn Hartmann, dessen Mitautoren und zu Frau Burkamp aufzunehmen und mit diesen mögliche Varianten für die Namenseinträge und den Standort einer Gedenktafel zu erörtern.

Im Rahmen einer ersten Kontaktaufnahme hat Herr Hartmann der Verwaltung bereits im Vorfeld einer Besprechung Ausführungen zum Thema sowie entsprechendes Begleitmaterial (als Anlage 1 bis 3 dieser Vorlage beigefügt) als Diskussionsvorlage zur Verfügung gestellt. Nach Rücksprache mit Herrn Hartmann wurde auf eine Kontaktaufnahme zu den Mitautoren Seidel und Gartenschlaeger verzichtet, da deren Themenschwerpunkte anderweitig angesiedelt sind.

Anfang September fand dann ein erster Termin statt. Hieran nahmen neben Vertretern der Verwaltung Frau Gisela Burkamp und Herr Jürgen Hartmann teil.

Unter Bezugnahme auf die zur Verfügung gestellten Unterlagen hat Herr Hartmann auf die, je nach Umfang des Opferkreises, umfangreichen und aufwendigen Recherchen in Archiven, Gedenkstätten und Bibliotheken hingewiesen. Es wurden die Schwierigkeiten aufgezeigt, die allein in der genauen Definition des Opferkreises "Wem soll gedacht werden?" und "Wie weit wird der Opferkreis gefasst?" bestehen. Grundsätzlich bedürfen auch die Fragen "Welche Kriterien müssen erfüllt sein?" und wie wird der Begriff "Opfer aus Oerlinghausen" einer Definition und genauen Klärung im Vorfeld. Abschließend ist dann die Form des Gedenkens, das "Wie" zu klären. Herr Hartmann weist beispielhaft auf die "Detmolder Lösung" hin. Hier wurden Plexiglastafeln mit den Namen der Opfer in einer Mauernische der Alten Synagoge angebracht. Gleichzeitig wurde ein Gedenkbuch in Printform herausgebracht.

Herr Hartmann favorisiert eine virtuelle Gedenktafel im Internet. Er sieht dadurch die Chance, das Leben der Opfer ausführlicher mit Lebenserzählungen, Fotos, Briefen usw. zu dokumentieren. Gleichzeitig sieht er darin die Möglichkeit eines wachsenden Gedenkbuches. Der Verbreitungsgrad ist viel größer als der einer Printversion. Mit einer solchen Datenbank erreicht man Menschen in allen Teilen der Welt, die nicht nur als Nutzer zugreifen können, sondern durchaus auch ihr Wissen einfließen lassen können. Dieser dynamische Prozess bietet die Möglichkeit viele Zielgruppen anzusprechen, speziell durch das Medium "Internet" auch die Jugend.

Frau Burkamp plädiert im ersten Schritt für die ausschließliche Benennung der jüdischen Mitbürger. Für diesen Personenkreis liegen gesicherte Daten und Fakten vor beziehungsweise können einfacher recherchiert werden. In diesem Zusammenhang verweist sie noch einmal auf den Ursprungsgedanken ihres Antrages hin. Frau Burkamp hält nach wie vor die Einrichtung so genannter "Stolpersteine" für das falsche Mittel die Erinnerung an die Opfer des Holocaust zu bewahren und spricht sich für das Anbringen einer zweiten Tafel mit allen Namen der jüdischen Opfer aus. Die Gedenktafel soll "offen" gestaltet werden, um mögliche Ergänzungen mit aufzunehmen.

Nach der Abwägung des Für und Wider der möglichen Form des Gedenkens favorisiert auch Frau Burkamp eine virtuelle Gedenktafel, die zunächst mit der Benennung der jüdischen Opfer beginnen soll. Sollte die virtuelle Gedenktafel realisiert werden, verzichtet Frau Burkamp auf die Anbringung einer Gedenktafel an der Synagoge. Bei Nichtrealisierung der virtuellen Gedenktafel sollte jedoch eine Gedenktafel an der Synagoge angebracht werden.

Vorbehaltlich der parlamentarischen Beschlussfassung besteht Einigkeit darüber, dass zunächst die Daten der jüdischen Opfer für eine virtuelle Gedenktafel aufgearbeitet werden sollen. Hier ist von max. 20 Personen auszugehen und daher überschaubar zu recherchieren. Das Online-Gedenkbuch kann dann in weiteren Schritten kontinuierlich nach entsprechender Recherche ergänzt werden. Hier wären in erster Linie die politischen Opfer, Deserteure und Kriegsgefangene / Zwangsarbeiter zu nennen.

Herr Hartmann hat der Stadt die als Anlage 4 beigefügte Projekt-Skizze "Online-Gedenkbuch - Opfer des Nationalsozialismus in Oerlinghausen" zur Verfügung gestellt. Die vorgestellten Phasen können jedoch nicht nur von der Verwaltung geleistet werden. Die Stadt kann hier nur unterstützend mitwirken. Ein Online-Gedenkbuch kann und darf sich nicht in einer laienhaften Darstellung präsentieren. Die Darstellung des Gedenkbuchs und die hiervon ausgehende Außenwirkung gebietet fundierte Vorarbeiten, die während der gesamten Projektphase fachkundig begleitet werden müssen.

Herr Hartmann hat auf Befragen sein Interesse und seine Bereitschaft an einer Mitarbeit an diesem Projekt signalisiert. Es ist noch abzuklären, in welchem Umfang in Bezug auf die Sichtung der Einwohnermeldeunterlagen Ehrenamtliche und / oder (studentische) Hilfskräfte mit einbezogen werden können. Die zeitaufwendige Sichtung der Meldekarteien erfolgt nach besonderen Vorgaben und Stichwörtern.

Für die Umsetzung des Projekts "Online-Gedenkbuch" auf der Grundlage der Projekt-Skizze von Herrn Jürgen Hartmann werden von der Verwaltung für die Betreuung und die notwendigen Recherche-Arbeiten Kosten in Höhe von circa 8.000 Euro veranschlagt.

Es wird empfohlen, diese Projektkosten im Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2013 zu veranschlagen.

Dr. Ursula Herbort

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Am 7. April 2016 wurde "Die Opfer des Nationalsozialismus aus Oerlinghausen. Ein Erinnerungsbuch" - auf der Internetseite der Stadt Oerlinghausen auch als Download abrufbar - von Jürgen Hartmann vorgestellt.

Am 31. Dezember 1945 wurden fast alle Mitglieder der jüdischen Familien Herz: (Heinrich, Irma, Manfred) und: Loewenthal (Hedwig) aus Oerlinghausen für tot erklärt, der fünfjährige Uriel Herz gilt als verschollen.

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