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Lippische Landes-Zeitung , 12.09.2019 :

Eine Erinnerung an die Erinnerer

Posthume Ehrung: Die Stadt errichtet den Eheleuten Hanne und Klaus Pohlmann eine Stele / Ihrem Engagement entsprang der Kontakt zu Karla Raveh / Sie gaben den Anstoß, die NS-Zeit vor Ort aufzuarbeiten

Lemgo (tib). Die Stadt erinnert mit einer Stele vor dem Eingang zum Engelbert-Kaempfer-Gymnasium (EKG) posthum an das Wirken der Lemgoer Hanne und Klaus Pohlmann. Überschrieben ist die Tafel mit "Gegen Verdrängen und Vergessen".

Zu finden ist die Erinnerungsstätte auf dem Bürgersteig vor dem Haupttor zum EKG-Schulhof am Rampendal. Mit einer kleinen Feierstunde ist der Ort eingeweiht worden, schreibt die Stadt in einer Pressemitteilung - dazu waren sowohl Angehörige als auch Weggefährten der Eheleute Pohlmann geladen.

Die Initiative, den Eheleuten Pohlmann ein Andenken zu setzen, war von Dieter Halle ausgegangen. Er hatte sich bereits dafür stark gemacht, einen Platz nach Altbürgermeister Reinhard Wilmbusse zu benennen. Der Sozialdemokrat Halle ist auch in der Vereinigung der ehemaligen EKG-Schüler aktiv.

Unbequeme Wahrheit kommt ans Licht

Wie Bürgermeister Dr. Reiner Austermann bei der feierlichen Enthüllung betonte, soll die Stele Betrachter inspirieren, "sich mit der Geschichte zu beschäftigen und selbst den Kampf gegen das Vergessen aufzunehmen". Die Erklärung liefert ein Blick in die Biografien der Pohlmanns.

So wirkte Hanne Pohlmann (1939 - 2011) seit 1970 als Lehrerin für Französisch und Geschichte am EKG. Durch Fragen von Schülern nach Lemgo zwischen 1933 bis 1945 wurde ihr Interesse für die lokale und regionale Geschichte geweckt. 1985 wandte sich Hanne Pohlmann an die Holocaust-Überlebende und mittlerweile zur Ehrenbürgerin ernannte Karla Raveh, die 1949 nach Israel emigriert war. Für Raveh war diese Nachfrage nach Einschätzung der Stadt der wichtigste Anstoß, ihre Erinnerungen an die NS-Verfolgung und an das Schicksal ihrer Familie aufzuschreiben. "Ohne dieses Engagement hätte unsere spätere Ehrenbürgerin das Kapitel "Heimatstadt Lemgo" nach all dem erfahrenen Unrecht wohl nicht noch einmal aufgeschlagen", meint Austermann. Das Stadtoberhaupt spricht von einem "Geschenk für die Stadt, für uns und für ganze Generationen von Schülern".

Hannes Mann Klaus Pohlmann (1939 - 2015), seit 1971 Lehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde am Leopoldinum in Detmold, veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur Geschichte der Juden in Lippe. 1990 erschien als Gemeinschaftsarbeit der Eheleute "Kontinuität und Bruch - Nationalsozialismus und die Kleinstadt Lemgo", die erste Darstellung über die Stadtgeschichte in der NS-Zeit.

Für Austermann ein Grundstein zur "vielleicht schmerzhaften aber notwendigen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte". Es kamen dabei auch unangenehme Wahrheiten ans Licht, für die Eheleute Pohlmann sei es aber zuvorderst um ein würdiges Erinnern an die Opfer gegangen.

Bildunterschrift: Eingeweiht: Bürgermeister Reiner Austermann und Rektorin Bärbel Fischer an der Stele.

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Lippische Landes-Zeitung, 07.10.2015:

Trauer um Klaus Pohlmann

Lemgo (rad). Klaus Pohlmanns Name ist eng verbunden mit der Erforschung der Geschichte der Juden in Lemgo und in Lippe. Der ehemalige Lehrer ist im Alter von 75 Jahren verstorben.

Klaus Pohlmann unterrichtete viele Jahre lang am Gymnasium Leopoldinum in Detmold. Gemeinsam mit seiner im Jahr 2011 verstorbenen Frau Hanne, die Lehrerin am Engelbert-Kaempfer-Gymnasium war, erforschte er die Geschichte der Juden in der Region und machte seine Erkenntnisse einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich. Hanne Pohlmann hatte den Anstoß dafür gegeben, dass Karla Raveh ihre Lebenserinnerungen aufschrieb.

Für sein Engagement wurde das Ehepaar im Jahr 2009 mit der Sternheimnadel ausgezeichnet. Mit ihren Arbeiten hätten sie "ihre Stimme gegen das Vergessen und Verdrängen erhoben, immer mit wissenschaftlichem Anspruch", stellte Bürgermeister Dr. Reiner Austermann bei der Preisverleihung fest.

Teils mit seiner Frau veröffentlichte Pohlmann, der sich auch in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit engagierte, zahlreiche Forschungsarbeiten, darunter den im Jahr 1990 erschienenen Band "Kontinuität und Bruch. Nationalsozialismus und die Kleinstadt Lemgo". Klaus Pohlmann starb am 22. September.

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Rosenland - Internet-Zeitschrift für lippische Geschichte Nr. 12, 06.09.2011

Hanne Pohlmann (1939 - 2011) - Ein Nachruf

Von Jürgen Scheffler

In der Nacht vom 24. auf den 25. August 2011 ist Hanne Pohlmann in Lemgo nach längerer Krankheit gestorben. Die pensionierte Gymnasiallehrerin gehörte zu den Wegbereitern der Holocaust-Erinnerung in Lemgo und Lippe.

Geboren 1939 in Breslau, war Hanne Pohlmann nach Vertreibung und Flucht in Augsburg und Krefeld aufgewachsen. Sie hatte in Köln und Marburg Geschichte und Romanistik studiert und war seit 1970 als Studienrätin am Engelbert-Kaempfer-Gymnasium in Lemgo tätig. In Marburg hatte sie ihren späteren Ehemann Klaus kennen gelernt und mit ihm eine Familie gegründet, aus der zwei Söhne hervorgegangen sind.

Über den Unterricht entstand Hanne Pohlmanns Interesse an Themen der lokalen und regionalen Zeitgeschichte. In einer Unterrichtsreihe über das Thema "Nationalsozialismus" hatte ein Schüler der zehnten Klasse im Sommer 1979 die Frage gestellt, was in der NS-Zeit in Lemgo geschehen war. Zusammen mit einer Gruppe von Schülern begab sich Hanne Pohlmann auf die Suche nach Literatur, "verwertbare gab es aber nicht", so hat sie es in einem Vortrag formuliert. Die Gruppe begann mit der Sichtung von Zeitungen aus den Jahren 1930 bis 1933. Der Zugang zu Archivmaterial erwies sich als kompliziert, da sich die Bestände aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg noch im Rathaus und nicht im Stadtarchiv befanden. Die Ergebnisse der Quellenarbeit wurden durch Gespräche mit Zeitzeugen erweitert. Aus der gemeinsamen Arbeit erwuchs eine kleine Ausstellung, die im Februar / März 1980 in der Volkshochschule Lemgo gezeigt wurde. Mit Unterstützung der Volkshochschule konnte auch eine Quellensammlung über Lemgo in den Jahren 1930 bis 1933 veröffentlicht werden.

Im Anschluss an dieses Projekt wandte sich die Gruppe dem Thema "NS-Zeit in Lemgo" zu. Nun wurden vermehrt Akten bearbeitet. Die Arbeit fand im Rahmen eines Arbeitskreises der Volkshochschule statt. In der Ankündigung des Kurses wurden explizit Zeitzeugen eingeladen, sich an den Gesprächen zu beteiligen. Die Ergebnisse wurden ebenfalls in einer Dokumentation veröffentlicht. Am Schluss der Publikation stand ein Kapitel über das "Schicksal der jüdischen Mitbewohner Lemgos", das eine Liste der in Lemgo lebenden Juden und ihrer Schicksale enthielt. Diese Liste war auf der Grundlage der so genannten Juden-Kartei im Stadtarchiv Lemgo erstellt worden. Diese Sonderkartei mit den Datenblättern der Lemgoer Juden war in der NS-Zeit im Einwohnermeldeamt zusammengestellt worden. Auf den Karteiblättern waren auch die Zielorte derjenigen Juden vermerkt, die im Juli 1942 deportiert worden waren. Aber es gab in der Regel keine Hinweise auf das weitere Schicksal dieser Menschen.

Nachdem die Schülerinnen und Schüler, die zu den Gründungsmitgliedern des Arbeitskreises gehörten, im Jahre 1983 Abitur gemacht hatten, ergab sich für Hanne Pohlmann eine neue Möglichkeit, die Arbeit fortzusetzen. Im Rahmen des Arbeitskreises "Lemgo im Dritten Reich" unter dem Dach eines freien Bildungsträgers, dem CEBA (Centrum für entwicklungsbezogene Bildungsarbeit), hatten sich Teilnehmer aus unterschiedlichen Generationen und unterschiedlichen politischen Milieus zusammengefunden. Auf einem der Treffen erhielt Hanne Pohlmann die Anschrift von Karla Raveh, geb. Frenkel, die den Holocaust überlebt hatte und in Israel lebte. "Die Adresse in Händen schrieb ich sofort einen Brief an Karla Raveh mit der vorsichtigen Anfrage, ob sie mir Auskunft über sich und das Schicksal ihrer Familie geben wollte und könnte." In ihrem Brief verwies Hanne Pohlmann explizit darauf, so hat sie sich erinnert, dass die Aussagen von Karla Raveh "besonders Jugendlichen helfen (sollten, d. V.), sich ein Bild von diesem Teil unserer Geschichte zu machen".

Karla Raveh antwortete auf den Brief aus Lemgo. Dies war der Beginn einer ausführlichen Korrespondenz zwischen den beiden Frauen. Für Karla Raveh war die Nachfrage aus Lemgo der wesentliche Anstoß, ihre Erinnerungen an das Schicksal ihrer Familie und ihre eigene Biografie in den Jahren der Verfolgung aufzuschreiben. Ihre Eltern und Geschwister waren in Auschwitz ermordet worden. Sie selbst hatte die Konzentrationslager Theresienstadt und Auschwitz überlebt und war im Außenlager Salzwedel befreit worden. Nach Fertigstellung des Textes schickte sie das Manuskript an Hanne Pohlmann, die sich um eine rasche Veröffentlichung des Textes bemühte. Als erster Band der Reihe "Forum Lemgo" wurde das Buch im Jahre 1986 publizierte.

In den folgenden Jahren konnte Hanne Pohlmann eine Reihe weiterer Unterrichtsprojekte zu den Schicksalen verfolgter Juden und ihrer Familien initiieren, in denen die Schüler in Archiven recherchierten, Zeitzeugen schriftlich oder mündlich befragten und ihre Ergebnisse in Ausstellungen und Publikationen präsentierten. So entstanden Arbeiten über die jüdischen Familien Katz, Kabaker und Gumpel. Darüber hinaus publizierte sie eine Reihe von Aufsätzen zur Geschichte des Engelbert-Kaempfer-Gymnasiums (1983) und in Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann Klaus das Buch "Kontinuität und Bruch. Der Nationalsozialismus und die Kleinstadt Lemgo" (1990), die erste umfangreichere Studie über die Lemgoer Stadtgeschichte in der NS-Zeit.

Im Jahre 2002 wurde Hanne Pohlmann pensioniert. Weder an ihrer Schule noch an anderen Lemgoer Schulen fanden ihre Unterrichtsprojekte eine Nachfolge. Allerdings haben sich auch die Rahmenbedingungen für den Geschichtsunterricht in den vergangenen Jahren so stark verändert, dass Unterrichtsprojekte, wie sie von Hanne Pohlmann über zwei Jahrzehnte initiiert und realisiert wurden, kaum noch möglich sind. Von der Arbeit in der Schule entlastet hat Hanne Pohlmann ihre Forschungen zur jüdischen Geschichte und ihre Kooperation mit dem Lemgoer Museum fortgesetzt. So wurde im Jahre 2009 die Ausstellung "Lokale Erinnerung im Schatten der Vergangenheit. Die Gedenkfeier für die lippischen Juden in Lemgo 1948" gezeigt. Und noch wenige Monate vor ihrem Tod konnte ihre Publikation "Judenverfolgung und NS-Alltag in Lemgo. Fallstudien zur Stadtgeschichte" vorgestellt worden. Darüber hinaus hat sie sich in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lippe e.V. engagiert, wo sie einige Jahre als Geschäftsführerin tätig war.

Für Hanne Pohlmann endete der Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern nicht mit dem Schluss der Unterrichtsstunde. Die Projekte wurden auch in der Freizeit und zum Teil noch nach dem Abschluss der Schulzeit fortgeführt. Mit vielen Schülern blieb sie in freundschaftlichem Kontakt. Auch mit einer Reihe von Nachkommen jüdischer Familien hatten sich enge freundschaftliche Verbindungen ergeben. In der Öffentlichkeit ist Hanne Pohlmann für ihre Arbeit gewürdigt worden, unter anderem durch die Verleihung der Sternheim-Nadel, die sie zusammen mit ihrem Ehemann Klaus von der Stadt Lemgo erhalten hat. Wie nur wenige andere hat Hanne Pohlmann durch ihre Unterrichtstätigkeit sowie durch ihre Forschungen und Veröffentlichungen dazu beigetragen, dass die Frage nach den Lebensumständen und den Schicksalen der Juden in der Stadt Lemgo in den Jahren der NS-Herrschaft, wie sie 1979 von einem Schüler gestellt wurde, heute ausführlich beantwortet werden kann.

Bildunterschrift: Hanne Pohlmann (links) im Gespräch mit Gertrud Wagner, 2011 (Foto: Katharina Pavlustyk. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Lippischen Landes-Zeitung).

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Lippe-News, 25.08.2009:

Sternheimnadel für das Ehepaar Hanne und Klaus Pohlmann

Stimmen gegen das Vergessen

Lemgo. Im Rahmen einer Feierstunde im Garten des Hexenbürgermeisterhauses Zeichnete Bürgermeister Dr. Reiner Austermann dieser Tag das Ehepaar Hanne und Klaus Pohlmann für ihr besonderes ehrenamtliches Engagement mit der Sternheimnadel aus. Sie haben die Geschichte der Lemgo Juden erforscht und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bürgermeister Dr. Reiner Austermann: "In besonderer Weise haben sie die Zeit des Nationalsozialismus beleuchtet, sie haben ihre Stimme gegen das Vergessen und Verdrängen erhoben, immer mit wissenschaftlichen Anspruch", so der Bürgermeister in der Laudatio.

Zur Bedeutung der Steinheimnadel und dem Wirken ihres Namensgebers Adolf Sternheim, Lemgoer Bürger und jüdischer Kaufmann, sprach in der Feierstunde die ehemalige stellvertretende Bürgermeisterin Karin Hehner-Rügge. Sie stellte Stationen seines Lebens, Verfolgung und Konzentrationslager sowie seine Rückkehr im Jahre 1945 nach Lemgo und sein großes ehrenamtliches Engagement dar, welches weit über sein Wirken als Gründer und Vorsitzender des Lemgoer Ortsvereins des Roten Kreuzes hinausging.

Lemgos Ehrenbürgerin Karla Raveh dankte Hanne und Klaus Pohlmann persönlich für ihr großes Engagement um die Geschichte der Lemgoer Juden. Es sei letztlich der Beharrlichkeit von Hanne Pohlmann zu verdanken, dass sie selber wieder in ihre Heimatstadt zurückkehrte und ihre Lebensgeschichte aufschrieb. Hanne Pohlmann sprach anschließend auch im Namen ihres Mannes und bedankte sich für die Auszeichnung. "Wir sind stolz und dankbar, die Nadel tragen zu dürfen, die an einen außergewöhnlichen Menschen in Lemgo erinnert, an Adolf Sternheim", so Hanne Pohlmann.

Die gelungene Feierstunde wurde musikalisch begleitet durch das Ensemble "Vinorosso".

Neben einigen Bildern der Feierstunde enthält die Homepage der Stadt www.lemgo.de auch die Reden von Bürgermeister Dr. Reiner Austermann, Karin Hehner-Rügge und die Dankesworte des Ehepaars Pohlmann.

Bildunterschrift: Von links: Klaus Pohlmann, Hanne Pohlmann und Bürgermeister Dr. Reiner Austermann.

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Am 6. September 2019 weihte die "Alte Hansestadt Lemgo" eine Informations-Stele - mit der Überschrift: "Gegen Verdrängen und Vergessen: Erinnerung an Hanne und Klaus Pohlmann", in einer Feierstunde, ein.

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