www.hiergeblieben.de

5 Artikel , 18.07.2019 :

Pressespiegel überregional

_______________________________________________


Übersicht:


Blick nach Rechts, 18.07.2019:
Neonazi als Hausmeister bei der Bundeswehr

MiGAZIN, 18.07.2019:
Gericht / Bundeswehr darf Rechtsextremisten kündigen

Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, 18.07.2019:
AfD Hessen und Höcke-Fans / "Der Flügel ist auch hier"

Blick nach Rechts, 18.07.2019:
AfD inszeniert sich "sozial"

vorwärts.de, 18.07.2019:
NPD soll aus staatlicher Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden

_______________________________________________


Blick nach Rechts, 18.07.2019:

Neonazi als Hausmeister bei der Bundeswehr

Nach einer Entscheidung des Berliner Arbeitsgerichts ist die Kündigung eines Bundeswehr-Hausmeisters mit Verbindungen zur Neonazi-Szene rechtmäßig.

Das Bundesministerium für Verteidigung hat einem Hausmeister der Bundeswehr mit Verbindungen zur extrem rechten Szene zu Recht gekündigt. Die außerordentliche Kündigung sei "grundsätzlich gerechtfertigt", entschied jetzt das Arbeitsgericht Berlin. Das Ministerium hatte dem heute 62-jährigen fehlende Verfassungstreue und Mitgliedschaft in einer Neonazi-Kameradschaft vorgeworfen. Das Gericht stellte fest, dass sich der zuletzt an einem Bundeswehr-Standort in Strausberg beschäftigte Hausmeister an neonazistischen Veranstaltungen beteiligt hatte. Außerdem hatte er sich in Sozialen Netzwerken entsprechend geäußert.

Eine erste fristlose Kündigung vom Dezember 2018 war unwirksam, gegen eine zweite von Anfang dieses Jahres hatte der Mann geklagt. Das Gericht bestätigte die Ministeriumsentscheidung, legte wegen der langen Beschäftigungszeit und des Lebensalters des Mannes aber eine "soziale Auslauffrist" fest. Das Arbeitsverhältnis des Hausmeisters endet jetzt Ende September dieses Jahres. Der 62-jährige Kläger war nicht zur Verhandlung erschienen und ließ sich von einer Anwältin vertreten. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, es ist eine Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg möglich. (kb)

_______________________________________________


MiGAZIN, 18.07.2019:

Gericht / Bundeswehr darf Rechtsextremisten kündigen

Die Bundeswehr darf einen rechtsextremen Arbeitnehmer kündigen - mit einer sozialen Auslauffrist. Das hat das Berliner Arbeitsgericht im Falle eines 62-jährigen Hausmeisters entschieden. Er soll Mitglied in einer rechtsextremen Kameradschaft sein.

Das Berliner Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung eines rechtsextremen Hausmeisters der Bundeswehr gebilligt. Wie das Gericht am Mittwoch mitteilte, gehört der 62-jährige Brandenburger einer rechtsextremen Kameradschaft an. Außerdem habe er sich an mehreren Veranstaltungen der rechten Szene beteiligt und in Sozialen Medien seine Zustimmung zu rechtsextremen Inhalten geäußert (Az: 60 Ca 455/19).

Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung des Mitarbeiters am Standort Strausberg grundsätzlich für gerechtfertigt, angesichts des mehr als 30 Jahre bestehenden Arbeitsverhältnisses und des Lebensalters des Mitarbeiters "aber nur mit sozialer Auslauffrist", wie es weiter heißt. Einen Vergleichsvorschlag des Gerichts lehnte der Vertreter der Bundeswehr ab, wie eine Gerichtssprecherin nach der Verhandlung mitteilte.

Das Bundesverteidigungsministerium hatte den Angaben zufolge im Dezember vergangenen Jahres zunächst die außerordentliche fristlose Kündigung und im Januar 2019 dann die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum 30. September 2019 ausgesprochen. Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden. (epd/mig)

Bildunterschrift: Die Justitia.

_______________________________________________


Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, 18.07.2019:

AfD Hessen und Höcke-Fans / "Der Flügel ist auch hier"

18.07.2019 - 05.16 Uhr

Die hessische AfD will trotz extremistischer Einflüsse gern als bürgerlich-konservativ erscheinen. Das aber ist nur ein Teil der Realität der Partei.

"Die AfD ist und wird keine Björn-Höcke-Partei." Auch die beiden Vorsitzenden der hessischen AfD, Klaus Herrmann und Robert Lambrou, unterzeichneten den Appell, mit dem sich einhundert Funktionäre der Partei gerade gegen den AfD-Vorsitzenden in Thüringen gewandt haben.

Er führt den vom Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" beobachteten rechten "Flügel" der Partei an. Beim "Kyffhäuser-Treffen" hatte Höcke seinen Anhängern Anfang Juli "garantiert", dass der Bundesvorstand im November nicht mehr in der heutigen Zusammensetzung gewählt werde. Daraufhin forderten ihn Landesvorsitzende wie Lambrou und Herrmann sowie Angehörige des Bundesvorstands auf, im November selbst für das nationale Spitzengremium zu kandidieren. Wenn er nicht antrete, stehe er als Duckmäuser da. Andernfalls werde er scheitern, lautete die Einschätzung der parteiinternen Gegner, die sich selbst als "bürgerlich-konservativ" bezeichnen.

Vom Grundsatz abgewichen

Dieses Attribut beansprucht Lambrou, der auch die Landtagsfraktion führt und bis 2018 Geschäftsführer der Stadtverordnetenfraktion in Wiesbaden war, seit Jahren für sich. Erhebliche Zweifel daran wurden laut, als die Stadtverordneten von SPD, FDP, Grünen und Linken die AfD im Mai 2017 aufforderten, sich von Höcke zu distanzieren. Wenige Monate zuvor hatte er das Holocaust-Mahnmal in Berlin als "Denkmal der Schande" tituliert. Die AfD-Fraktion weigerte sich, der Aufforderung nachzukommen. Zuerst erklärte sie, dass das Thema nichts mit der Kommunalpolitik zu tun habe. Dann sagte Lambrou, er lehne es prinzipiell ab, Parteifreunde öffentlich zu kritisieren. Von diesem Grundsatz ist er jetzt abgewichen.

Allerdings betont er, dies sei nur eine Ausnahme. Gerechtfertigt sei sie, weil Höcke den Bundesvorstand massiv angegriffen habe. Lambrou will nicht verraten, wer ihm den Appell zukommen ließ. Nach der Lektüre sei er zu der Auffassung gelangt, ihn unterschreiben zu sollen. Nicht nur er selbst, sondern auch die hessische AfD sei "bürgerlich-konservativ", behauptet Lambrou. Allerdings seien in ihr "alle Strömungen" vertreten. "Der Flügel ist auch hier." Schon die Debatten des Landtages zeigen, dass ihm auch einige Abgeordnete angehören. Der Auffälligste ist Andreas Lichert. Er kritisiert die Beobachtung der Identitären Bewegung durch den "so genannten Verfassungsschutz" und bewertet "weder Mittel noch Ziele der Identitären als extremistisch - in einem sinnvollen Sinne des Wortes".

Nichtwähler im Visier

Eine weitere hessische Galionsfigur des "Flügels" ist Höckes Anhängerin Christine Anderson. Sie nahm das Kyffhäuser-Treffen zum Anlass, sich in ihrer Rede über "wankelmütige", von der CDU enttäuschte Wähler zu mokieren. "Unser Wählerpotential ist das Nichtwählerpotential, und da müssen wir ran. Diese Leute locken wir nicht dadurch an die Wahlurne zurück, dass wir ihnen die gleichen ausgelutschten Angebote machen, deretwegen sie die etablierten Parteien schon seit Jahren mit Nichtachtung strafen und ihnen die Stimme verweigern."

Lambrou bestätigt, dass die Fünfzigjährige aus Limburg die offizielle hessische Obfrau des "Flügels" sei. Kritik an ihr übt er nicht. Stattdessen begnügt der Chef der Landtagsfraktion sich mit einer Feststellung: "Sie ist Europa-Abgeordnete." Hingegen verteidigt Lambrou den Ko-Vorsitzenden der "Jungen Alternative", Jens Mierdel. Er arbeitet, wie berichtet, seit Anfang Juli für den Landtagsabgeordneten Heiko Scholz und muss sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, von 2014 bis 2015 in der Identitären Bewegung aktiv gewesen zu sein. Er habe da "nur reingeschnuppert", sagt Lambrou, und sei dann zur AfD gekommen.

Der hessische Landesverband ist der viertgrößte in der AfD. Die Untergliederungen in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen seien stärker, Niedersachsen etwas schwächer, konstatiert Lambrou. Überall gebe es Streit, nur nicht in Hessen. "Wir sind der größte Landesverband, wo Ruhe ist."

_______________________________________________


Blick nach Rechts, 18.07.2019:

AfD inszeniert sich "sozial"

Von Rainer Roeser

In Nordrhein-Westfalen geriert sich die AfD als Fürsprecherin von Bergleuten. In Niedersachsen entdeckt sie die Themen Altersarmut, Pflege und Wohnen. Eine Klärung der Frage, ob sie mehr neoliberal oder mehr "sozialpatriotisch" klingen will, hat sie aber zunächst einmal aufgeschoben.

So oft kommt es nicht vor, dass Björn Höcke Freundlichkeiten für die Führungsriege der nordrhein-westfälischen AfD parat hat. Anfang Juli, nach dem desaströsen Parteitag der NRW-AfD (Blick nach Rechts berichtete am 08.07.2019), mokierte er sich über "andere Verbände" die sehr damit beschäftigt seien, sich als Partei selbst zu zerfleischen. Und zu Zeiten, da er noch viel offener als heute zwischen den "Ganzen" und den "Halben" in der Partei unterschied, hätte er die meisten Spitzenleute aus dem Westen der alten Republik vermutlich der zweiten Gruppe zugerechnet, den "Weichgespülten". Vor einer Woche aber war Höcke voll des Lobes. "Liebe Kollegen in Düsseldorf, das war Spitze!", begeisterte er sich.

Der Landtag als Show-Bühne

Am Abend zuvor hatte der nordrhein-westfälische Landtag eine Debatte erlebt, die manche Abgeordnete an Weimarer Verhältnisse denken ließ. Unten im Saal schrien AfD-Abgeordnete ins Mikrofon, oben auf der Tribüne wurden sie von Zuschauern in Bergmannskluft gefeiert. Schon früh drängte sich dem einen oder anderen Parlamentarier die Vermutung auf, Zeuge und Teil eines inszenierten Eklats geworden zu sein. Vordergründig ging es um rund 200 Bergleute aus der stillgelegten Zeche Prosper Haniel, denen die Ruhrkohle AG betriebsbedingte Kündigungen geschickt hatte, nachdem sie die angebotenen Ersatzarbeitsplätze ausgeschlagen hatten.

Am Morgen nach der denkwürdigen Stunde im Parlament veröffentlichte die AfD-Fraktion ein kurzes Video, perfekt geschnitten und mit dramatischer Musik unterlegt: AfD-Politiker inmitten der Bergleute, offenbar auf dem Weg zum Landtag; die 80 Bergleute auf der Tribüne; der tobende Fraktionschef Markus Wagner im Plenum, der die Abgeordneten der anderen Parteien anherrscht: "Das ist eine Schande, was Sie hier abliefern!"; Beifall auf der Tribüne; dann Pfiffe, Buh- und "Verräter"-Rufe, als der AfD-Antrag abgelehnt wird; Tobuwabohu vor dem Plenarsaal, dramatisiert durch eine unruhige Kameraführung; Bergleute, die gegen die Scheibe trommeln, die Plenarsaal und Foyer trennt; dann ein AfD-Fraktionschef, der den Bergleuten versichert: "Wir werden kämpfen, kämpfen, kämpfen! Und Ihr müsst kämpfen, kämpfen, kämpfen!" Eine "flammende Ansprache" habe Wagner gehalten, berichtet die AfD später. Und der Landtag ist zur Bühne für das geworden, was Fernsehprofis Scripted Reality nennen.

Politik zur Pseudo-Doku-Soap instrumentalisiert

Der Landtagskorrespondent der "Neuen Westfälischen" berichtet später, Journalisten sei vor der Debatte von der AfD signalisiert worden, dass es "wohl Stimmung geben" werde im Plenarsaal. "Über 100 Bergleute" würden von den Zuschauerrängen aus "die Reden der Abgeordneten verfolgen und möglicherweise auch kommentieren". Die AfD habe die Bergleute "hemmungslos aufgewiegelt und für ihre Zwecke eingespannt", schreibt der Korrespondent. Auf der Tribüne hätten neben den Bergleuten feixende AfDler gesessen. "Sie konnten ihr fragwürdiges Glück kaum fassen in diesem Moment der schamlosen Instrumentalisierung." Politik wurde unter den Händen des AfD-Videoteams zur Pseudo-Doku-Soap.

Höcke jedenfalls fand den Zwei-Minuten-Streifen so gut, dass er ihn umgehend seiner Anhängerschaft zur Ansicht empfahl. "Nur so geht es!", jubelte er. Und auch die Düsseldorfer AfDler waren`s zufrieden - gelang es ihnen doch zumindest einmal, den Eindruck zu erwecken, als seien sie mehr als nur eine Partei, die Neoliberalismus mit Nationalismus verknüpft. Sie schafften das sehr viel besser als wenige Stunden zuvor Parteichef Jörg Meuthen und der AfD-Vorzeigearbeiter Guido Reil. Bei ihnen im Europaparlament in Brüssel waren die Bergleute zuvor zu Gast gewesen waren. Überliefert davon sind nur ein paar Fotos. Meuthen und Reil wussten offenbar mit der Chance der Instrumentalisierung nichts Rechtes anzufangen.

"Sozialkampagne" gestartet

Nicht nur in Höckes Revier und in NRW haben AfDler erkannt, dass sich ihre Partei als arbeitnehmerfreundlich und irgendwie sozial bewusst verkaufen muss, will sie weiter Erfolg haben. Die niedersächsische AfD-Landtagsfraktion startete Anfang Juni eine dreiwöchige "Sozialkampagne" mit dem doppelsinnigen Titel "Weil, es reicht". Ziel sei es, "auf die drängenden sozialen Missstände im Land aber auch im Bund aufmerksam zu machen", kündigte ihr Sozialpolitiker Stefan Bothe an. "Altersarmut, Pflegenotstand und Mangel an bezahlbarem Wohnraum in den Ballungsgebieten sind sozialer Zündstoff."

Die Fraktion sehe "vor allem die soziale Frage als Zukunftsfrage für Niedersachsen aber auch für Deutschland an" und wolle sich im "weiteren Verlauf der Wahlperiode verstärkt im Bereich sozialpolitischer Fehlentwicklungen zu Wort melden". Zünden konnte die "Kampagne" freilich noch nicht so recht. Zu altbacken war sie mit ihrer Kombination aus parlamentarischen Initiativen und Plakat-Kampagne angelegt. Die Öffentlichkeitswirksamkeit der Düsseldorfer Aktion erreichten die Niedersachsen bei weitem nicht. Hier und da berichteten Medien über das Auftauchen der zwei Lastwagen von der AfD, auf deren Ladefläche Großplakate installiert waren. Das war es aber auch schon.

"Der Linken dieses Kronjuwel abjagen!"

Im niedersächsischen Landtag waren von der AfD-Fraktionschefin Dana Guth die Standardparolen ihrer Partei zu hören: hier die sozialen Ungerechtigkeiten in Deutschland, dort die Milliarden Euro, die für Entwicklungshilfe, Flüchtlinge und Energiewende aus dem Fenster geworfen würden. Auch im Landtag kam die AfD vor der Sommerpause nicht so richtig vom Fleck. Ausweislich einer im Internet eingerichteten Seite gab es bislang nur zwei Entschließungsanträge und zwei Kleine Anfragen zum Thema.

Die Marschrichtung hatte Höcke vor einem Jahr beim "Kyffhäuser-Treffen" seines "Flügels" vorgegeben: "Die Linken haben die Arbeiter, die Angestellten und die kleinen Leute verraten!", hatte er seinen Anhängern zugerufen und fortgesetzt: "Die soziale Frage war das Kronjuwel der Linken. Es war ihre Existenzgarantie. Und wenn wir als AfD glaubwürdig bleiben und entschlossen bleiben, dann können wir der Linken dieses Kronjuwel jetzt abjagen! Und das sollten wir tun!" Er empfiehlt seiner Partei einen "solidarischen Patriotismus": die Kombination des Nationalismus in AfD-Prägung mit sozialpopulistischen Sprüchen. Im Osten hat sich dieser Kurs schon durchgesetzt.

AfD vor der Zerreißprobe

Doch in der Bundes-AfD bleibt umstritten, wie weit die Adaption vordergründig "links" klingender Parolen gehen soll. Es ist - neben der Stilkritik an den Auftritten von Höcke und seiner Anhänger (Blick nach Rechts berichtete am 16.07.2019 und 11.07.2019) - eine der beiden Fragen, die die AfD vor eine Zerreißprobe stellen. Zur Klärung hätte ein "Sozialparteitag" beitragen können. Eigentlich hatte er Mitte September stattfinden sollen. Nun ist er aber auf nächstes Jahr verschoben.

Die ursprüngliche Terminplanung barg aus Sicht der Parteioberen gleich mehrere Risiken. Vor allem: Die monatelangen Bemühungen des zuständigen Bundesfachausschusses und der Programmkommission, einen möglichst breit getragenen Leitantrag zum Thema Rente zu entwickeln, blieben bislang ohne vorzeigbaren Erfolg. Unvereinbare Positionen treffen aufeinander. Die neoliberalen Kräfte rund um Meuthen setzen auf ein Ende der umlagefinanzierten Rente und den Umbau hin zu einer steuerfinanzierten Minirente, ergänzt durch individuelle Vorsorge. Höcke tritt hingegen für ein Festhalten an einer Umlagefinanzierung ein und hat ein Konzept vorgelegt, das "Deutsche" gegenüber "Ausländern" bevorzugt.

Verständigung kaum möglich

Wie zwischen diesen beiden Polen eine Verständigung möglich ist, weiß bisher niemand zu sagen. Ein Parteitag im September hätte nur Verletzte hinterlassen: Entweder einen Parteichef Jörg Meuthen, der keine drei Monate vor der Neuwahl der AfD-Spitze hätte erfahren müssen, dass die Basis neoliberalen Heilsträumen nicht folgen mag. Oder einen Thüringer AfD-Vorsitzenden, dem sechs Wochen vor seiner Landtagswahl signalisiert worden wäre, dass die Mehrheit der Mitglieder seinen Rezepten abhold ist. Oder - und das wäre am wahrscheinlichsten gewesen - gar beide, weil die Delegierten dann doch irgendeinen Mittelweg gesucht hätten zwischen Marktradikalismus und (nur scheinbaren) Anleihen von links.

Nun kommt es erst nach der Wahl des neuen Bundesvorstands und nach der Wahl in Thüringen zum Sozialparteitag und damit - vielleicht - zu einer Klärung der Fronten. Bis dahin kann die AfD noch das eine oder andere Video veröffentlichen, das zwar gefällig wirken mag, mit dem die tatsächlichen Konflikte in der Partei aber nur übertüncht werden.

Bildunterschrift: Unvereinbare Positionen treffen in der AfD aufeinander, der "Sozialparteitag" wurde auf nächstes Jahr verschoben.

_______________________________________________


vorwärts.de, 18.07.2019:

NPD soll aus staatlicher Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden

Eine Kooperation mit Blick nach Rechts

Von Christian Rath

Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag wollen einen gemeinsamen Antrag beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Ziel ist der völlige Ausschluss der NPD aus der staatlichen Parteienfinanzierung.

Nun wird es ernst für die NPD. Die rechtsextremistische Partei soll aus der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden, beantragen Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag. In ihrem Antrag heißt es, die NPD sei eine "verfassungsfeindliche" Partei. Insbesondere sei sie einem "völkischen Denken" verpflichtet, bei dem die Anerkennung als Deutscher an "rassische Kriterien" gebunden sei.

NPD ist "verfassungsfeindliche" Partei

Der Antrag baut im ersten Schritt auf dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2017 auf. Damals hatte das Gericht festgestellt, die NPD strebe die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Deutschlands an. Die Richter lehnten damals jedoch ein Verbot ab, da die NPD offensichtlich keine Chance habe, ihre Ziele zu erreichen. Es fehle ihr die "Potentialität".

Im zweiten Schritt belegen die Autoren des Antrags, die Berliner Rechtsprofessoren Christoph Möllers und Christian Waldhoff, dass sich der Charakter der NPD seither nicht verändert hat. Sie stützen sich dabei auf eine umfangreiche Materialsammlung der Verfassungsschutzämter. Die Innenminister von Bund und Länder versicherten zudem, dass es nach wie vor keine staatlichen Spitzel in der NPD-Führung gibt.

Private Parteispenden nicht mehr steuerbegünstigt

Der Antrag der drei Staatsorgane beruft sich auf eine Grundgesetzänderung vom Juli 2017. Als Reaktion auf das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren wurde damals in Artikel 21 ein zusätzliches Verfahren eingeführt, mit dem verfassungsfeindliche Parteien aus der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden können. Das Verfahren zielt auf Parteien wie die NPD, die nur wegen ihrer Schwäche nicht verboten werden können. Auch in diesem Verfahren muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Bejaht es den Ausschluss von staatlichen Zuschüssen wären zugleich auch private Parteispenden an die NPD nicht mehr steuerbegünstigt.

Zwischen Februar und April 2019 beschlossen Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag einen derartigen Antrag zu stellen. Im Bundesrat stimmten alle 16 Länder dafür. Und im Bundestag votierten alle Fraktionen außer der AfD für den Antrag. Die AfD enthielt sich mit formalen Argumenten, der AfD-Rechtspolitiker Stephan Brandner bezeichnete die NPD aber als "zutiefst widerliche Partei".

878.325 Euro in 2018

Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung haben nur Parteien, die bei Bundestags- oder Europawahlen mindestens 0,5 Prozent erzielen; bei Landtagswahlen ist ein Prozent Stimmanteil erforderlich. Im Jahr 2018 hatte die NPD Anspruch auf 878.325 Euro.

Als Folge der guten AfD-Ergebnisse sinken jedoch die Stimmanteile der NPD und damit auch die Finanzansprüche immer weiter. So erreichte die NPD bei der Europawahl nur noch 0,3 Prozent der Stimmen, allein dadurch fällt der Anspruch auf Zuschüsse im Jahr 2019 um rund 300.000 Euro. Weitere Reduzierungen werden sich wohl aus den Landtagswahlen im Herbst ergeben. In Brandenburg tritt die NPD gar nicht mehr an. In Sachsen und Thüringen dürfte sie unter der Ein-Prozent-Schwelle bleiben. Der Finanzierungsanspruch könnte sich dann nur noch auf die Wahlergebnisse in Mecklenburg-Vorpommern (2016: 3,0 Prozent) und Sachsen-Anhalt (2016: 1,9 Prozent) stützen. Wenn das Bundesverfassungsgericht den Antrag einige Jahre liegen lässt, wäre er vielleicht sogar hinfällig, weil die NPD dann wohl gar keinen Anspruch auf Staatsgeld mehr hat.

Bevor das Bundesverfassungsgericht über den Antrag der drei Staatsorgane entscheidet, muss es noch über eine Organklage der NPD befinden. Die NPD hält die Grundgesetzänderung von 2017 für verfassungswidrig, weil die "Chancengleichheit der Parteien" zum änderungsfesten Kern des Grundgesetzes gehöre. Der Eingriff in die Chancengleichheit sei nicht mit dem Schutz der Demokratie zu rechtfertigen, so NPD-Anwalt Peter Richter, da bei der Finanzierung ja nur Parteien benachteiligt werden sollen, die eh keine Chance haben, die Demokratie zu beseitigen.

Bildunterschrift: Über den Ausschluss von staatlichen Zuschüssen entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

_______________________________________________


zurück