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13 Artikel , 20.05.2019 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


Spiegel Online, 20.05.2019:
Nach Rauswurf von Innenminister Kickl / Alle FPÖ-Minister verlassen Österreichs Regierung

Blick nach Rechts, 20.05.2019:
FPÖ-Personalrochade

Süddeutsche Zeitung Online, 20.05.2019:
FPÖ droht mit Rücktritt aller Minister

Jüdische Allgemeine Online, 20.05.2019:
Niedersachsen / Brandanschlag auf jüdisches Ehepaar

Hannoversche Allgemeine Zeitung Online, 20.05.2019:
Hemmingen / Anschlag auf Haus eines jüdischen Ehepaares: Staatsschutz ermittelt

Norddeutscher Rundfunk, 20.05.2019:
Angriff auf Haus eines jüdischen Ehepaares

Hamburger Abendblatt Online, 20.05.2019:
Hemmingen / Antisemitismus? Haus von jüdischem Ehepaar angegriffen

Pforzheimer Kurier Online, 20.05.2019:
Vorwurf der Volksverhetzung / "Die Rechte" provoziert vor Pforzheimer Synagoge

n-tv.de, 20.05.2019:
Viel Protest gegen Rechten-Demo in Dortmund erwartet

Blick nach Rechts, 20.05.2019:
Ex-NPD-Chef will in Kommunalparlamente

Störungsmelder, 20.05.2019:
NPD verliert Rückhalt in der Szene

Blick nach Rechts, 20.05.2019:
Braunes Event verliert Teilnehmer

Ostthüringer Zeitung Online, 20.05.2019:
NPD erlebt im Eichsfeld ein Fiasko - 150 Demonstranten setzen Zeichen gegen Rechts

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Spiegel Online, 20.05.2019:

Nach Rauswurf von Innenminister Kickl / Alle FPÖ-Minister verlassen Österreichs Regierung

20.05.2019 - 19.33 Uhr

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hat sich entschieden: Innenminister Herbert Kickl muss infolge der Ibiza-Affäre sein Amt aufgeben. Darauf kündigten die Minister der FPÖ an, die Regierung zu verlassen.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird dem Bundespräsidenten die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vorschlagen. Nach dem Skandal-Video von Ibiza steckt das Land in einer schweren Regierungskrise. Nun brauche es "vollständige Transparenz" und "lückenlose Aufklärung", sagte Kurz am Montagabend in Wien.

Damit droht das Ende der Koalition zwischen der konservativen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich. Die FPÖ hatte zuvor angekündigt, dass sämtliche Minister aus ihren Reihen ihr Amt niederlegen würden, sollte Kurz Innenminister Kickl entlassen. Ein Parteisprecher der FPÖ sagte der Nachrichtenagentur APA, die Minister würden die Regierung nun wie geplant verlassen. Bis zum Wahltermin im September soll nun eine Experten-Regierung gebildet werden.

Kurz bestätigte, dass Spitzenbeamte die bisher von der FPÖ besetzten Ressorts führen sollen. Die FPÖ-geführten Ministerien sind: Vizekanzleramt / Öffentlicher Dienst / Sport, Außenministerium, Innenministerium, Arbeit / Soziales / Gesundheit, Verteidigung, Verkehr / Innovation / Technologie.

Ziel von Kurz sei es, mit einer Experten-Regierung bis zur Neuwahl im September weitermachen zu können. Für Regierungsbeschlüsse soll es im Parlament dann jeweils wechselnde Mehrheiten geben. Er sprach von der Notwendigkeit, die Handlungsfähigkeit der Regierung erhalten zu müssen. Bis zur Wahl sollten "möglichst geregelte Verhältnisse" herrschen.

Die Sozialdemokraten in Österreich forderten am Montagabend einen Austausch der kompletten Regierung gegen Experten. Nur ein solcher Schritt wäre eine "gute und tragfähige Lösung", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nach einem Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Am Freitagabend hatten Spiegel und "Süddeutsche Zeitung" Ausschnitte eines Videos veröffentlicht, die ein mehr als sechs Stunden langes Treffen aus dem Juli 2017 dokumentieren: In einem Ferienhaus auf Ibiza kamen Heinz-Christian Strache und sein Vertrauter Johann Gudenus mit einer angeblichen russischen Investorin zusammen und stellten ihr Staatsaufträge in Aussicht - sollte diese zuvor den Freiheitlichen im Wahlkampf zum Erfolg verhelfen. Das Treffen war ganz offensichtlich eine Falle. Wer sie eingefädelt hat, ist unklar.

Das Video löste daraufhin eine Regierungskrise aus. Vizekanzler Strache trat zurück. Kickl war FPÖ-Generalsekretär, als das Skandalvideo entstand. Kurz hatte in einem Interview mit dem "Kurier" bereits verdeutlicht, dass Kickl aus seiner Sicht als Innenminister nicht gegen sich selbst ermitteln könne.

Kurz: "Es ist ein großer Schaden des Landes entstanden"

In einem Statement hatte Kurz Kickl zwar mangelnden Aufklärungswillen vorgeworfen, aber noch nicht von seiner Entlassung gesprochen. Auf die Frage einer Journalistin, warum er sich erst so spät dazu entschlossen habe, sagte Kurz: "Die Entscheidung, eine Wahl auszurufen, einen Minister zu entlassen, das sind Schritte, bei denen man sich sehr genau überlegen sollte, wo und wann man sie tätigt."

Der "persönliche Anstand" gebiete es, gewisse Entscheidungen mit den Menschen zu besprechen, die es betreffe, bevor man sie öffentlich mache.

"Es hat sich eine Partei massiv selbst beschädigt", sagte Kurz am Montagabend. International sei "ein großer Schaden des Landes entstanden".

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Blick nach Rechts, 20.05.2019:

FPÖ-Personalrochade

Von Anton Maegerle

Der 48-jährige Verkehrsminister Norbert Hofer soll den zurückgetretenen Heinz-Christian Strache als FPÖ-Bundesvorsitzender ablösen - FPÖ-Innenminister Herbert Kickl könnte die Entlassung bevorstehen.

Auf der Homepage der FPÖ wird Norbert Hofer bereits als Bundesparteiobmann ausgewiesen. Das Konterfei seines Vorgängers Strache ist dort schon verschwunden. In extrem rechten Kreisen wird Hofer als "geistiger Verteidiger des Abendlandes gegen die drohende Islamisierung! ("Der Eckart")" bejubelt. Zuletzt lieferte Hofer 2016 landesweite Schlagzeilen als er als Kandidat bei der Bundespräsidentschaftswahl antrat. Seinen Gegenkandidaten, den heutigen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen, nannte er damals einen "grünen faschistischen Diktator": 2017 stand Hofer der rechtsextremen Monatszeitschrift "Zuerst!" für ein Interview zur Verfügung.

Hofer, vormals langjähriger FPÖ-Nationalratsabgeordneter und Dritter Nationalratspräsident, gehört der "pennal-conservativen" und waffenstudentischen Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafel als Alter Herr an. Im März 2012 wurde Hofer in den inneren Kreis der Marko-Germania aufgenommen. In seiner Dankesrede betonte er die Wichtigkeit der burschenschaftlichen Bewegung gerade in der heutigen Zeit.

Kritik am NS-Verbotsgesetz

In einem Interview mit der rechtsextremen Monatszeitschrift "Die Aula" führte Hofer im Juni 2011 aus, dass Österreich "kein Einwanderungsland" sei. Deshalb lege die FPÖ ihren "Arbeitsschwerpunkt in Richtung einer geburtenorientierten Familienpolitik", so Hofer. Ebenfalls 2011 stand Hofer der NPD-nahen Zeitschrift "hier & jetzt" Rede und Antwort. Darin nannte Hofer den österreichischen Biologen Konrad Lorenz ein "Vorbild für jeden Politiker". Der Rassekundler Lorenz hatte in der NS-Zeit die "Ausmerzung ethisch Minderwertiger" gefordert.

Im November 2013 äußerte Hofer Kritik am österreichischen NS-Verbotsgesetz. Jahre zuvor hatte er bereits 2008 für eine Volksabstimmung zum NS-Verbotsgesetz plädiert, was im neonazistischen "Alpen-Donau-Forum" wohlwollend erwähnt wurde. Hofer erklärte seinerzeit: "Ich bin für freie Meinungsäußerung." Wenn jemand etwas zu den Verbrechen der NS-Zeit zu sagen habe, "soll er es sagen dürfen".

Redner beim Kongress der "Verteidiger Europas"

Seinen Posten in der österreichischen Bundesregierung verlieren könnte FPÖ-Innenminister Herbert Kickl. Kickl, von 2005 bis 2018 Generalsekretär der FPÖ, war früher Redenschreiber von Jörg Haider. Kickl hat Slogans der FPÖ wie "Daham statt Islam" zu verantworten. Am 29. Oktober 2016 war Kickl prominentester Redner beim ersten Kongress der "Verteidiger Europas" im oberösterreichischen Linz. Der Kongress hatte im Vorfeld wochenlang breite Proteste ausgelöst. KZ-Überlebende aus mehreren Ländern meldeten sich ebenso zu Wort wie zahlreiche prominente Persönlichkeiten aus Politik, Kirche, Kunst und Wissenschaft. Vor Ort waren 600 Personen. Das Publikum setzte sich aus "Identitären", Burschenschaftern und FPÖ-Vertretern zusammen. Referenten beziehungsweise Podiumsteilnehmer der Veranstaltung waren unter anderem die einschlägig bekannten Polit-Aktivisten Felix Menzel, Jürgen Elsässer und Götz Kubitschek.

Kickl betonte in seiner Rede, dass auf dem Kongress "normale Leute und keineswegs Rechtsextreme" seien. Kickl: "Ich muss ja sagen, das ist für mich sehr sehr angenehm. Schon nach den ersten Vorgesprächen und auch jetzt, wenn ich hier hinunterschaue: Das ist ein Publikum, wie ich mir das wünsche und wie ich mir das vorstelle." "Löblich" fand die rechtsextreme Zeitschrift "Aula" Kickls Ausführungen.

Bildunterschrift: Personeller Wechsel bei der FPÖ (Screenshot).

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Süddeutsche Zeitung Online, 20.05.2019:

FPÖ droht mit Rücktritt aller Minister

20.05.2019 - 06.21 Uhr

Österreichs Kanzler Kurz will am Montag offenbar die Entlassung von FPÖ-Innenminister Kickl vorschlagen.

Für diesen Fall droht die FPÖ mit dem Rücktritt ihrer Minister.

Kurz hält es für wahrscheinlich, dass der zurückgetretene Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Strache wegen der Video-Affäre mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen muss.

Zu Straches Nachfolger an der FPÖ-Spitze ist Österreichs Verkehrsminister Hofer bestimmt worden.

Der Strache-Vertraute Gudenus tritt mit sofortiger Wirkung aus der FPÖ aus.

Die Regierungskrise in der Koalition aus ÖVP und FPÖ geht auch nach dem Rücktritt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und der Ausrufung von Neuwahlen weiter. Kanzleramtsminister Gernot Blümel von der ÖVP sagte laut österreichischen Medienberichten in der Sendung ZIB2, er gehe davon aus, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorschlagen werde.

Von seiner Partei bekommt Kickl Rückendeckung. In einer Pressemitteilung drohte der Parteivorstand mit dem Rücktritt aller FPÖ-Minister im Regierungskabinett, sollte die ÖVP Kickl als Innenminister abberufen wollen.

Kickl hatte Kurz die "Sprengung einer Regierung" vorgeworfen, die in der Bevölkerung "die höchste Anerkennung" genieße. "Die privaten Gespräche von HC Strache und Johann Gudenus, die auf Ibiza illegal aufgezeichnet wurden", schreibt Kickl nun bei Facebook, "sind katastrophal und unverantwortlich". Doch das habe nichts mit der FPÖ zu tun: "Das Bild ist desaströs. Aber es ist eines der zwei Beteiligten und keines der Partei."

Der österreichische Bundeskanzler schließt nicht aus, dass sich sein bisheriger Vize-Kanzler Strache durch dessen Äußerungen in dem Skandal-Video strafbar gemacht haben könnte. "Die Ermittlungen werden zeigen, was jetzt passiert", sagte Kurz der Bild-Zeitung. "Aber, was er in diesem Video sonst sagt, ist ein großer Skandal, bedeutet das Ende von seiner politischen Tätigkeit und vermutlich auch strafrechtliche Konsequenzen", sagte Kurz. "Was wir auf diesem Video sehen, ist erschütternd: Es geht um Machtmissbrauch, und das ist schwerwiegend und problematisch. Es geht um offene Angebote der Korruption. Und Attacken gegen die freie Presse."

Strache war am Samstag zurückgetreten, nachdem die Süddeutsche Zeitung und der "Spiegel" am Vorabend ein Video veröffentlicht hatten, in dem er einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte 2017 auf Ibiza öffentliche Aufträge in Aussicht stellte, wenn sie seiner Partei zum Wahlerfolg verhelfe. Strache entschuldigte sich am Samstag. Sein Verhalten in dem Video sei "dumm, unverantwortlich und ein Fehler" gewesen. In einem zunehmend alkoholisierten Zustand habe er "prahlerisch wie ein Teenager" agiert, auch um seine "attraktive Gastgeberin zu beeindrucken".

Zugleich sprach er von einer Falle und einem "politischen Attentat", bei dem er illegal überwacht worden sei. Mit der Frau in dem Video habe er keine weiteren Kontakte unterhalten, von ihr seien auch keine Spenden an seine Partei geflossen. Nach SZ-Informationen hatte aber zumindest Straches Intimus Gudenus noch weiter Kontakt zu der Frau oder ihrem Vertrauten.

Der stark unter Druck geratene FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, der ebenfalls in dem Video zu sehen ist, verlässt seine Partei. Er gab am Sonntagabend seinen sofortigen Austritt aus der FPÖ bekannt und kündigte an, auch sein Nationalratsmandat niederzulegen.

Zum neuen Vorsitzenden der Partei ist der österreichische Verkehrsminister Norbert Hofer bestimmt worden. Darauf einigten sich die Mitglieder des FPÖ-Bundesparteipräsidiums einstimmig. Diese Entscheidung solle bei der nächsten Sitzung des Bundesparteivorstandes nach der Europawahl formal bestätigt werden, teilte die FPÖ mit.

Kanzler Kurz hatte am Samstagabend das Ende der Koalition von konservativer ÖVP und rechter FPÖ verkündet. Die Regierung werde ihre Arbeit bis zur Wahl aber "in Ruhe fortsetzen". Am Sonntagvormittag kam Kurz mit Van der Bellen zusammen, um über das weitere Verfahren bis zu den angepeilten Neuwahlen zu sprechen. Van der Bellen sagte, er "plädiere für vorgezogene Neuwahlen im September, wenn möglich zu Beginn des Septembers". Kurz sagte nach dem Treffen mit Van der Bellen, das Strache-Video erfordere vollständige Aufklärung, sowohl was Fragen des potentiellen Machtmissbrauchs angehe, als auch Fragen von strafrechtlicher Relevanz.

Teile der österreichischen Opposition fordern, dass alle FPÖ-Minister sofort aus ihren Ämtern entlassen werden. Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger verlangt dies, "damit eben nicht die Monate bis zur Wahl unter anderem dafür genützt werden, Akten zu vernichten und Vertuschungsmaßnahmen zu setzen". SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner fordert, die Minister für Justiz (Josef Moser, parteilos), Verteidigung (Mario Kunasek, FPÖ) und Inneres (Kickl) in der österreichischen Regierung durch Experten zu ersetzen, schreibt Der Standard. Es dürfe kein Zweifel bestehen, dass die Ermittlungen zum Strache-Skandal unabhängig von politischen Einflüssen erfolgen.

In dem Video, das die Regierungskrise ausgelöst hat, ist zu hören, wie Strache und sein Intimus Gudenus einer angeblich reichen Russin einträgliche öffentliche Bauaufträge versprechen, falls sie die österreichische Kronen-Zeitung aufkaufen und ihrer Partei helfen würde. Überdies zeigt Strache ihr offenbar Wege auf, wie sie seiner FPÖ über einen Verein Geld zuschanzen könne, um die österreichischen Gesetze zur Parteienfinanzierung zu umgehen.

Der bekannte österreichische Journalist Armin Wolf twitterte am Sonntagabend, ein anonymer Unternehmer habe ZIB2 berichtet, er sei im Frühling 2017 von Strache und Kickl aufgefordert worden, über den Verein "Austria in Motion" an die FPÖ zu spenden. Der damalige Vereinskassierer Markus Tschank habe dem Unternehmer die Kontonummer und Statuten des Vereins geschickt und im August 2017 nochmals um eine Spende gebeten. Wolf schrieb bei Twitter, Tschank bestreite, dass jemals Geld aus dem Verein an die FPÖ geflossen sei.

Bildunterschrift: Johann Gudenus (links) verlässt die FPÖ nach Bekanntwerden des Strache-Videos.

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Jüdische Allgemeine Online, 20.05.2019:

Niedersachsen / Brandanschlag auf jüdisches Ehepaar

20.05.2019 - 13.06 Uhr

Nach dem judenfeindlichen Angriff hat der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen

Das Wohnhaus eines jüdischen Ehepaares in Hemmingen bei Hannover ist Ziel eines mutmaßlich antisemitischen Angriffs geworden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hannover wurde eine Fußmatte vor der Haustür angezündet. Zudem sei im Eingangsbereich mit roter Farbe das Wort "Jude" aufgesprüht worden, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge am Montag.

Die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" ("HAZ") hatte zuvor über den Angriff in der Nacht zum Samstag berichtet. "Wir nehmen den Fall sehr ernst", sagte Klinge. Die Polizei habe noch am Wochenende in der Nachbarschaft nach Zeugen gesucht. Der Staatsschutz ermittelt.

Die Fußmatte der Eheleute wurde angezündet. Auf der Tür prangt in roter Farbe das Wort "Jude".

Wie die "HAZ" berichtete, lebten die Eheleute zurückgezogen und hatten in der Jüdischen Gemeinde kein Amt inne. Rebecca Seidler von der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover will der Zeitung zufolge den Zentralrat der Juden in Deutschland und den Beauftragten der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus über den Angriff informieren.

Der Polizeiliche Staatsschutz befragte bereits am Samstag rund 60 Anwohner und verteilte Handzettel. "Augenscheinlich aus antisemitischen Gründen wurde versucht, das Wohngebäude eines Nachbarn in Brand zu setzen", hieß es darin.

Vertreter aus Politik und Religion reagierten entsetzt auf die Tat. "Ich bin erschüttert über den Hass, der in diesem Brandanschlag offen zu Tage tritt", sagte der evangelische Landesbischof Ralf Meister am Montag in Hannover. "Wir sind mit dem jüdischen Volk verbunden und verurteilen jede Form von Juden-Feindlichkeit."

"Wir nehmen den Fall sehr ernst", betont der Oberstaatsanwalt.

Auch Vertreter von SPD und CDU äußerten sich bestürzt. Demokraten müssten immer wieder deutlich machen, dass Antisemitismus zu keinem Zeitpunkt toleriert werde, sagte der SPD‐Landtagsabgeordnete Deniz Kurku. Der niedersächsische CDU‐Fraktionschef Dirk Toepffer sprach von einem "feigen Anschlag auf uns alle und unsere freiheitlich‐demokratische Grundordnung".

Im vergangenen Jahr war in Niedersachsen die Zahl der antisemitischen Straftaten laut Innenministerium von 128 auf 99 gesunken. Bundesweit hatte ihre Zahl dagegen im Vergleich zum Vorjahr um 9,4 Prozent zugenommen. 2018 wurden 1.644 antisemitische Straftaten erfasst.

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Hannoversche Allgemeine Zeitung Online, 20.05.2019:

Hemmingen / Anschlag auf Haus eines jüdischen Ehepaares: Staatsschutz ermittelt

20.05.2019 - 10.46 Uhr

Von Tobias Morchner

Der Staatsschutz ermittelt nach einem antisemitischen Angriff auf das Einfamilienhaus eines jüdischen Ehepaares in Hemmingen. In der Nacht zu Sonnabend hatten der oder die Täter die Fußmatte vor der Haustür in Brand gesetzt und das Wort "Jude" auf den Eingangsbereich und eine Gartenpforte gesprüht.

Hannover. Das private Wohnhaus eines jüdischen Ehepaars in Hemmingen ist in der Nacht zu Sonnabend Ziel eines antisemitischen Angriffs geworden. Die Ehefrau hatte am Sonnabendmorgen entdeckt, dass die Fußmatte vor der Haustür in Brand gesetzt und Teile der Haustür beschädigt hatte. Am Eingangsbereich entdeckte sie zudem in roter Farbe das aufgesprühte Wort "Jude". Eine solche Schmiererei befand sich auch an einer Gartenpforte in der Nähe des Hauses. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen.

Die genauen Umstände der Tat sind noch rätselhaft. Die Eheleute leben zurückgezogen, sind in der Jüdischen Gemeinde, haben dort aber keine Funktion oder kein Amt inne. "Jemand muss sich gut auskennen und gewusst haben, dass die Bewohner des Hauses jüdischen Glaubens sind", sagt Rebecca Seidler von der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover. Dazu kommt: Der oder die Täter müssen sich ihrer Sache sicher gewesen sein. "Die Gartenpforte liegt etwa drei Minuten Fußweg von dem Einfamilienhaus entfernt. Man muss wissen, dass der Garten den Betroffenen gehört", sagt Seidler.

Die Polizei suchte bereits am Sonnabend nach Zeugen zu dem Vorfall. Sie verteilten in der Nachbarschaft Handzettel. "Augenscheinlich aus antisemitischen Gründen wurde versucht, das Wohngebäude eines Nachbarn in Brand zu setzen", heißt es darin. Hinweise zu dem Vorfall nehmen der Kriminaldauerdienst und der Staatsschutz entgegen.

"Solche Dinge nehmen immer mehr zu"

Rebecca Seidler war am Sonntag bei den Betroffenen. "Sie sind sehr in Sorge und können sich den Vorfall nicht erklären", sagt sie. Am Montag will Seidler den Zentralrat der Juden in Deutschland über den Angriff in Kenntnis setzen und auch den Beauftragten der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus informieren.

Der Vorfall unterstreiche, womit sich die Mitglieder der Jüdischen Gemeinden in Deutschland derzeit beinahe täglich auseinandersetzen müssen. "Solche Dinge nehmen immer mehr zu", sagt Katarina Seidler von der Liberalen Jüdischen Gemeinde. Das Ehepaar hatte sich nach dem Angriff an sie gewandt, obwohl die Betroffenen in einer anderen Jüdischen Gemeinde Mitglied sein. "Wir haben unsere Hilfe angeboten und sind weiterhin mit ihnen in Kontakt."

Wann die Ermittlungen der Polizei abgeschlossen sein werden, ist unklar. Die Prüfung, ob der Angriff als Brandstiftung oder als Sachbeschädigung einzustufen ist, dauert ebenfalls noch an.

Bildunterschrift: Die Haustür wurde beschmiert, die Fußmatte in Brand gesetzt.

Bildunterschrift: Mit diesen Handzetteln suchte die Polizei in der Nachbarschaft nach Zeugen.

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Norddeutscher Rundfunk, 20.05.2019:

Angriff auf Haus eines jüdischen Ehepaares

20.05.2019 - 08.53 Uhr

Unbekannte Täter haben in Hemmingen (Region Hannover) einen Brandanschlag auf das Haus eines jüdischen Ehepaares verübt. Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Thomas Klinge wurde vor der Haustür eine Fußmatte in Brand gesteckt. Zudem sei im Eingangsbereich mit roter Farbe das Wort "Jude" aufgesprüht worden, sagte der Sprecher NDR 1 Niedersachsen. An der Gartenpforte soll sich eine ähnliche Schmiererei befunden haben. Der Staatsschutz ermittele nun. Die Hintergründe der Tat seien noch unklar. Zuerst hatte die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" berichtet.

Angriff in der Nacht

Der Angriff erfolgte in der Nacht zu Sonnabend. Bereits am Wochenende hätten Ermittler die Anwohner befragt, sagte Klinge. Laut "HAZ" sucht die Polizei nach den Tätern auch mit Hilfe von Handzetteln, die in der Nachbarschaft verteilt wurden. Derzeit sei noch unklar, ob der Angriff als Brandstiftung oder Sachbeschädigung eingestuft werde, hieß es.

Ehepaar kann sich Vorfall nicht erklären

Dem Bericht zufolge leben die Bewohner zurückgezogen. Die Täter hätten sich offenbar gut ausgekannt, mutmaßt Rebecca Seidler von der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover. Das Ehepaar habe sich an sie gewandt und um Hilfe gebeten. "Sie sind in Sorge und können sich den Vorfall nicht erklären", sagte Seidler der Zeitung. Sie kündigte an, den Zentralrat der Juden in Deutschland über den Angriff in Kenntnis zu setzen.

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Hamburger Abendblatt Online, 20.05.2019:

Hemmingen / Antisemitismus? Haus von jüdischem Ehepaar angegriffen

Laut Staatsanwaltschaft war das Wort "Jude" mit roter Farbe aufgesprüht worden. Auch eine Fußmatte vor der Haustür brannte.

Hemmingen. Das Wohnhaus eines jüdischen Ehepaares in Hemmingen bei Hannover ist Ziel eines mutmaßlich antisemitischen Angriffs geworden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hannover wurde eine Fußmatte vor der Haustür angezündet. Zudem sei mit roter Farbe im Eingangsbereich das Wort "Jude" aufgesprüht worden, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge am Montag.

Die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" ("HAZ") hatte zuvor über den Angriff in der Nacht zum Sonnabend berichtet. "Wir nehmen den Fall sehr ernst", sagte Klinge. Die Polizei habe noch am Wochenende in der Nachbarschaft nach Zeugen gesucht. Der Staatsschutz ermittelt.

Ehepaar lebte zurückgezogen

Wie die "HAZ" (Montag) berichtete, lebten die Eheleute zurückgezogen und hatten in der Jüdischen Gemeinde kein Amt inne. Rebecca Seidler von der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover will der Zeitung zufolge den Zentralrat der Juden in Deutschland und den Beauftragten der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus über den Angriff informieren.

Im vergangenen Jahr war in Niedersachsen die Zahl der antisemitischen Straftaten laut Innenministerium von 128 auf 99 gesunken. Bundesweit hatte ihre Zahl dagegen im Vergleich zum Vorjahr um 9,4 Prozent zugenommen. 2018 wurden 1.644 antisemitische Straftaten erfasst.

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Pforzheimer Kurier Online, 20.05.2019:

Vorwurf der Volksverhetzung / "Die Rechte" provoziert vor Pforzheimer Synagoge

Von Renan Sarah Frankenreiter

Die Partei "Die Rechte" sorgt in Pforzheim weiter für Ärger. In einem am Samstag auf Facebook verbreiteten Video ist zu sehen, wie ein Kleintransporter der Partei ausgestattet mit Megafon vor der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Pforzheim hält.

Das kurze Video hat Christof Weisenbacher, Stadtrat und Sprecher der Fraktion WiP / Die Linke, gepostet: "Das haben Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, die über der Synagoge wohnen, gefilmt." Was genau von den Rechten skandiert wird, ist nicht zu hören. Doch die Partei klärt selbst auf der Website des Landesverbands Baden-Württemberg auf: Es wurden "Worte unserer Spitzenkandidatin Ursula Haverbeck abgespielt", heißt es da. In Anbetracht dessen, dass Haverbeck eine mehrfach verurteilte Holocaust-Leugnerin ist, gewinnt der ungebetene Besuch noch einmal an Brisanz.

Provokanter Halt an der Synagoge

"Die sind gegen 18 Uhr gekommen, mit Lautsprecher, provozierend neben der Synagoge", sagt Rami Suliman, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Pforzheim. "Raus aus Deutschland" hätten die Aktivisten der "Rechten" skandiert, erzählt Suliman. "Ob das jetzt uns meint oder Asylanten", da ist er sich nicht sicher. Besonders provokant findet er den Halt an der Synagoge, da kein sonstiges Publikum da ist: "Auf der einen Seite ist eine Schule, die ist um die Zeit leer, auf der anderen ein Ärztehaus, da war auch keiner da." Nachdem er von Mitgliedern der Gemeinde informiert wurde, habe er die Polizei gerufen. Die Aktivisten der "Rechten" zogen direkt weiter, als sie mitbekamen, dass sie gefilmt wurden.

"Ich verstehe, dass jeder seine Meinung öffentlich machen kann, aber das verstehe ich nicht"

"Ich verstehe, dass jeder seine Meinung öffentlich machen kann, aber das verstehe ich nicht", sagt Suliman. Anzeige hat er noch nicht erstattet, "aber ich überprüfe das, soweit ich es verstanden habe, haben sie eine Genehmigung gehabt". Er hat am Montag mit dem Ordnungsamt telefoniert, "das ist alles bei der Staatsanwaltschaft", weiß er jetzt. Er habe beim Ordnungsamt um eine Auflage gebeten, damit die Rechte nicht noch einmal vor der Synagoge halten darf. "Aber die haben gesagt, das geht nicht."

Tatvorwurf der Volksverhetzung wird geprüft

Erster Staatsanwalt Tobias Wagner von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe bestätigt am Montag, dass die Behörde den Vorfall bearbeitet: "Die Akte ist bei uns und wird geprüft, vor allem unter dem Gesichtspunkt des Tatvorwurfs der Volksverhetzung." Eine Entscheidung werde frühestens diesen Dienstag getroffen. Die Partei "Die Rechte" reagierte auf eine Anfrage des Kurier am Montag nicht. Laut eigener Website fuhren die "Rechten" über mehrere Stunden durch Stadtteile und Innenstadt.

"Was soll Volksverhetzung sein, wenn nicht so was?"

"Wir aus der Initiative gegen Rechts und darüber hinaus haben uns am Sonntag beraten, nochmal eine Anzeige zu stellen", erklärt Christof Grosse, Sprecher der Initiative. Sechs Unterzeichner hat die Anzeige, am Montag habe man sie der Staatsanwaltschaft übergeben. Für Grosse ist die Sache mit den Wahlplakaten der "Rechten" noch nicht gelaufen: "Jetzt warten wir ab, ob es ausreicht, das Argument zu entkräften, es richte sich nicht gegen Personen", legt er dar. Christa Mann vom Forum Asyl findet klare Worte: "Was soll Volksverhetzung sein, wenn nicht so was?"

"Offensichtlich fehlt da noch der Mut, sich zu unseren jüdischen Mitbürgern zu bekennen"

Dekanin Christiane Quincke, die im Rat der Religionen aktiv ist, "kann nicht verstehen, warum das nicht unterbunden wird, dass sie zur Synagoge gehen". Sie hätte sich eine Auflage gewünscht, die den Halt verbietet. "Offensichtlich fehlt da noch der Mut, sich zu unseren jüdischen Mitbürgern zu bekennen. Anders kann ich das nicht begreifen", kritisiert die Dekanin.

Route musste nicht vorher angegeben werden

Stadtsprecher Philip Mukherjee erklärt auf Nachfrage, die Inhalte der Durchsagen seien im Rahmen der Meinungsfreiheit Sache der Parteien. "Die Einschätzung, ob es sich um eine Straftat handelt, trifft im Regelfall die Polizei beziehungsweise die Staatsanwaltschaft." Die Polizei habe eine Anzeige aufgenommen und Äußerungen der Aktivisten an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. "Nach erster Einschätzung der Polizei liegt hier vermutlich eher kein Straftatbestand vor." Die Nutzung bestimmter Straßen könne nur unter verkehrsrechtlichen Aspekten verboten werden, ergänzt Ella Martin von der Stadtverwaltung. Die Route habe die "Rechte" vorher nicht angeben müssen.

Bildunterschrift: Megafon und umstrittene Plakate: So präsentierte sich "Die Rechte" vor der Pforzheimer Synagoge und in der Stadt.

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n-tv.de, 20.05.2019:

Viel Protest gegen Rechten-Demo in Dortmund erwartet

Dortmund (dpa/lnw). Die Polizei in Dortmund rechnet mit zahlreichen Protesten gegen eine Demonstration von Rechtsextremisten an diesem Samstag. "Die Rechte" habe ab Mittag bis zu 300 Teilnehmer für einen Marsch angemeldet, sagte eine Polizeisprecherin am Montag. Die ursprünglich geplante Wegstrecke sei erheblich verkürzt worden. Man rechne mit mehreren Gegendemos. Die genaue Zahl sei noch nicht bekannt und werde bis Freitag wohl noch steigen.

Die Polizei sei "sehr stark für das Wochenende aufgestellt". Anwohner, Geschäfte, Autofahrer und Krankenhäuser sollen mit Flugblättern, in Telefonaten und persönlichen Gesprächen auf mögliche Einschränkungen hingewiesen werden.

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Blick nach Rechts, 20.05.2019:

Ex-NPD-Chef will in Kommunalparlamente

Weinheim. Der ehemalige NPD-Bundesvorsitzende Günter Deckert tritt bei der baden-württembergischen Kommunalwahl in seinem Heimatort an.

Der ämterlose Günter Deckert (Jg. 1940) ist Spitzenkandidat der NPD-nahen "Deutschen Liste" bei der Gemeinderatswahl am 26. Mai im nordbadischen Weinheim und NPD-Kandidat bei der Kreistagswahl im Rhein-Neckar-Kreis.

Der rechtskräftig verurteilte und knasterfahrene Holocaust-Leugner Deckert ist seit Jahrzehnten in rechtsextremen Zusammenhängen aktiv. Er war Gründungsmitglied der NPD-Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten (JN; heute: Junge Nationalisten), langjähriger NPD-Landeschef in Baden-Württemberg und amtierte bis 1996 als Bundesvorsitzender seiner Partei.

Unter Deckerts Führung setzte die NPD auf Bundesebene verstärkt auf ausländerfeindliche und vor allem revisionistische Themen. Die NPD mutierte zu einer Ein-Thema-Partei, die vorwiegend die Leugnung beziehungsweise Relativierung des Holocaust betrieb. Zugleich öffnete Deckert die NPD für Neonazis aus diversen Hitler-treuen Splittergrüppchen. 2005 wurde er wegen Störung des Parteifriedens von allen Mitgliedsrechten in der NPD ausgeschlossen. (am)

Bildunterschrift: Das NPD-Urgestein Günter Deckert tritt wieder zur Kommunalwahl an (Screenshot).

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Störungsmelder, 20.05.2019:

NPD verliert Rückhalt in der Szene

20.05.2019 - 17.12 Uhr

Am Sonnabend sollten nach dem Willen der NPD 800 Neonazis ins Thüringische Eichsfeld kommen. Es kamen 130. Die Stimmung war mies - nicht zuletzt wegen Alkoholverbots, technischer Probleme und mehrerer Anzeigen.

Der "Eichsfeldtag" der NPD in Leinefelde wird von Jahr zu Jahr kleiner und unbedeutender. Waren es 2017 noch rund 500 Gäste, kamen in diesem Jahr zum Abschluss des NPD-Europawahlkampfs nur noch 130 Neonazis auf die umzäunte Wiese in Nordthüringen. Selbst 2011, im ersten Jahr des Events, waren es mehr gewesen als in diesem Jahr. Es mag auch daran liegen, dass die Veranstaltungen sich dabei von Jahr zu Jahr gleichen.

Bratwurst, Bier und eine Hüpfburg gehören ebenso zu dem vermeintlichen Familienfest wie die Präsenz von Holocaust-Leugnern. Die mittlerweile aufgelöste Europäische Aktion war 2017 noch dabei. Jetzt gab es einen Stand, an dem die Freilassung von verurteilten Holocaust-Leugnern wie Ursula Haverbeck gefordert wurde. Auch die Bands sind immer wieder dieselben.

Rechtsrock und Hitlergruß

Es mag aber auch daran liegen, dass Versammlungsbehörden, Polizei und Zivilgesellschaft das Treffen inzwischen sehr genau beobachten.

Die Szeneband Oidoxie war bereits 2011 dabei und spielte auch dieses Mal wieder. In einem ihrer Songs brüllt die Band "Skinhead", wobei der Ruf in der Szene seit Jahren gern als "Sieg Heil" missverstanden wird. Und so zeigte denn ein Teilnehmer dazu zweimal den Hitlergruß - wofür er sofort eine Strafanzeige bekam.

Auf dem Rechtsrock-Event kommt es regelmäßig zu Straftaten. Im Jahr 2011 waren es insgesamt 39, was die Antwort der Thüringischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage belegt. Dieses Mal waren es auf Grund hoher Auflagen und niedriger Teilnehmerzahl laut Polizei noch drei Verfahren.

In einem Fall wird dabei wegen Nötigung ermittelt: Ein Ordner der Versammlung soll einen Journalisten vom Gelände gedrängt haben. Vorher behaupteten Teilnehmer, der Reporter habe Porträtaufnahmen von einem Kind Thorsten Heises angefertigt.

Einer der mutmaßlichen Angreifer brüstete sich anschließend vor laufender Kamera, er habe eine Anzeige wegen Nötigung erhalten. In einer Rede behauptete der langjährige NPD-Kader Sebastian Schmidtke nach den Attacken, die anwesenden Reporter seien gar nicht echt, sie sollten nach Hause gehen.

Bei einer Begehung des Festivalgeländes unter Polizeischutz versuchten alkoholisierte Besucher, Journalisten anzugreifen. Ordner behinderten Kameraaufnahmen, indem sie sich in den Weg stellten und nach Kameras griffen.

Protest gegen die Neonazis

Im Vorfeld hatte eine Task Force des thüringischen Landesinnenministeriums empfohlen, die Versammlungsbehörde solle ein komplettes Alkoholverbot verhängen und einen Notschalter installieren, um bei strafrechtlich relevanten Reden das Mikrofon abschalten zu können. Die Verwaltung des Landkreises setzte sich darüber hinweg und ignorierte den Ratschlag. Da die Veranstaltungsfläche aber der Kommune gehörte, konnte diese strengere Auflagen durchsetzen und auch ein absolutes Alkoholverbot verhängen - gegen den Willen des Landkreises.

Das wurmte die Rechtsextremen so sehr, dass sie eine Demonstration für Bier auf ihren Veranstaltungen anmeldeten. Hinter Thorsten Heise, Udo Voigt und einem silbernen Pkw versammelten sich 32 Teilnehmer mit schwarz-weiß-roten Fahnen. Noch bevor die kleine Gruppe loslaufen konnte, spielte die Lautsprecheranlage verrückt. Nach einer halben Stunde Unterbrechung zog man durch die Straßen der sanierten Plattenbauviertel. Ein wütender Anwohner beschwerte sich lautstark: "Verpisst euch!" Zurück am Veranstaltungsgelände waren noch 29 Teilnehmer übrig.

Ein Bündnis der Leinefelder Zivilgesellschaft organisiert gegen den "Eichsfeldtag" der NPD seit Jahren Proteste. In diesem Jahr beteiligten sich 140 Menschen daran. Eine Gruppe betrunkener Rechter versuchte, sich auf dem Veranstaltungsgelände der Protestierenden aufzuhalten und wurde von der Polizei zurückgedrängt.

Andere Neonazis versorgten sich in nahen Supermärkten und einer Kneipe mit Alkohol, an einer Bushaltestelle neben dem Veranstaltungsgelände entstand ein größerer Pfandflaschen-Haufen. Von dort pöbelten Rechtsextreme gegen die Protestkundgebung. Polizisten versuchten, sie in Gespräche zu verwickeln und zu beruhigen.

NPD auf dem absteigenden Ast

Nicht nur bei Wahlen verliert die NPD an Einfluss, auch ihre öffentlichen Veranstaltungen ziehen offensichtlich kaum noch Publikum an. Verantwortlich dafür sind nicht zuletzt strengere Behördenauflagen. Veranstalter Thorsten Heise konnte bei seinen Events im sächsischen Ostritz zuletzt Teile des Geländes nicht mehr nutzen, weil die Erlaubnis dafür entzogen wurde. Auch dort sind die Teilnehmerzahlen stark rückläufig.

Seit Alkoholverbote ausgesprochen werden und Journalisten die Veranstaltungen intensiv dokumentieren, ist vielen Teilnehmern die Lust vergangen.

Bildunterschrift: Nur wenige Teilnehmer.

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Blick nach Rechts, 20.05.2019:

Braunes Event verliert Teilnehmer

Von Kai Budler

Im neunten Jahr seines Bestehens entwickelt sich der jährliche "Eichsfeldtag" im nordthüringischen Leinefelde zu einem Fiasko für die NPD. Nur noch bis zu 140 Personen besuchten am Samstag das Rechtsrock-Open Air.

Als der "Eichsfeldtag" im Mai 2012 im südlichen Teil der knapp 20.000 Einwohner zählenden Stadt Leinefelde stattfand, reisten trotz strömenden Regens knapp 1.000 Personen an, um Rechtsrock-Bands wie "Timebomb", "Sturmtrupp", "Tätervolk" und den ehemaligen Sänger der verbotenen Band "Landser", Michael Regener mit seiner Formation "Die Lunikoff-Verschwörung" zu sehen. Im Vorjahresvergleich konnte das Organisationsteam um den langjährig aktiven Neonazi und NPD-Funktionär Thorsten Heise damit die Zahl der Teilnehmer verdoppeln.

Doch acht Jahre nach der Premiere ist von der anfänglichen Euphorie auf dem Ohne-Sportplatz in Leinefelde-Süd nichts mehr zu spüren. Zum Zeitpunkt des angekündigten Beginns um 13.00 Uhr am Samstag laufen noch die Aufbauarbeiten. Nach etwa 90 Minuten befinden sich gerade mal rund 50 Personen auf dem Gelände. Dort haben die Neonazis auch schon die obligatorischen Stände aufgebaut, um wenigstens das Konsumbedürfnis ihrer Kundschaft zu befriedigen. Vor dem Stand vom "Deutschen Warenhaus", das von Heise betrieben wird, locken Kisten mit preislich heruntergesetzten "Deutschen Waren für deutsche Herzen" wie zum Beispiel "Jeder Pulli 10 Euro" und "CD und Themd 20 Teuro". Auch das rechtsextreme Magazin "Werk Codex" des NPD-Beisitzers Tobias Schulz, der sich Baldur Landogart nennt, präsentiert sich am "Warenhaus-Stand", gleich nebenan zeigt Patrick Schröder sein aktuelles Sortiment von "Ansgar Aryan".

"Politische Veranstaltung" mit Rednern

Das aus Schweden operierende Neonazi-Netzwerk "Gefangenenhilfe" wirbt ebenso wie die NPD auf Bundes- und Kreisebene, daneben präsentiert der nordrhein-westfälische Neonazi Sascha Krolzig das von ihm heraus gegebene Blatt "N.S. Heute". Für Kinder ist eine Ecke mit Hüpfburg und Kinderschminken eingerichtet, die die Spitzenkandidatin der Thüringer NPD, Antje Vogt, betreute. Einen Antrag, die Veranstaltung als jugendschutzgefährdend einzustufen und Kinder und Jugendliche auszuschließen, hatte der Landrat des Landkreises Eichsfeld Ende März mit der CDU-Mehrheit von der Tagesordnung genommen. Statt eines Alkoholverbots wie in den Vorjahren erließ die Versammlungsbehörde eine modifizierte Regelung, nach der bis zum Nachmittag Leichtbier und anschließend vollwertiges Bier ausgeschenkt werden dürfte. Doch die Stadt Leinefelde als Inhaberin des Platzes machte der Behörde einen Strich durch die Rechnung und beharrte auf einem Alkoholverbot.

Als Reaktion darauf kündigte die NPD Eichsfeld einen Aufmarsch parallel zum "Eichsfeldtag" an. Die Resonanz war verhalten: Nur 29 Neonazis reihten sich in der prallen Sonne den Aufmarsch ein und mussten etwa 45 Minuten warten, bis die Lautsprecheranlage ihren Dienst tat. Auch sonst waren die Aktivitäten der Neonazis auf dem Sportplatzgelände von einem regen Treiben weit entfernt. Seit Beginn wird das Rechtsrock-Event in Leinfelde unter dem Deckmantel einer "politischen Veranstaltung" angemeldet, weshalb zwischen den angekündigten Bands auch Redner ans Mikrophon treten müssen. Diese Gelegenheit ergriffen unter anderem der Vertreter der NPD im Europaparlament und frühere Bundesvorsitzende Udo Voigt, Landogart alias Schulz und der NPD-Bundesorganisationsleiter Sebastian Schmidtke.

Ermittlungen wegen Nötigung von Pressevertretern

Auch die Rechtsrock-Bands "Faust", die 1995 in Hessen gegründet worden waren, und "Brigade 88" aus Thüringen mit personellen Überschneidungen mit der Band "Randgruppe Deutsch" konnten den Platz mit ihren Auftritten nicht füllen. Dies gelang auch der 1995 gegründeten Band "Oidoxie" um den Sänger Marko Gottschalk nicht, obwohl sie in der Szene deutlich bekannter sind als die beiden anderen Formationen. "Oidoxie" und Gottschalk gelten als eng mit dem in Deutschland verbotenen "Blood and Honour"-Netzwerk verstrickt, Gottschalk gilt als ein Kader des bewaffneten Arms von "Blood and Honour" "Combat 18".

Am Ende des Tages spricht die Polizei von 130 Teilnehmern des Rechtsrock-Events und von zwei "Hitlergrüßen". Außerdem werde wegen des "Verdachts der Nötigung zum Nachteil eines Pressevertreters" ermittelt. Immer wieder kam es beim "Eichsfeldtag" zu Behinderungen von Pressevertretern, sie wurden von Neonazis körperlich bedrängt, die auch in die Kameras griffen. Medienbeauftragter der NPD war offenbar Gianluca B., der sich demnächst vor Gericht wegen des Angriffs auf zwei Journalisten im April 2018 verantworten muss.

Die Attacke der zwei Neonazis war von Thorsten Heises Haus in Fretterode ausgegangen, einer der angegriffenen Journalisten erlitt Schädelverletzungen. Bei dem zweiten Beschuldigten soll es sich um Heises Sohn handeln, der sich zur Zeit in der Schweiz aufhält. Ob der "Eichsfeldtag" auch im kommenden Jahr auf dem Sportplatz in Leinefelde stattfindet, scheint fraglich. Immerhin liegt das Gelände im Bereich der fünften Thüringer Landesgartenschau, die Leinfelde-Worbis 2024 ausrichtet. Für die Vorbereitung der Schau sollen schon bald die Baumaßnahmen beginnen.

Bildunterschrift: Auch für Kinder gibt es Programm beim "Eichsfeldtag" der NPD.

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Ostthüringer Zeitung Online, 20.05.2019:

NPD erlebt im Eichsfeld ein Fiasko - 150 Demonstranten setzen Zeichen gegen Rechts

20.05.2019 - 05.30 Uhr

Abschluss des Europawahlkampfes lockt kaum Menschen. 29 Teilnehmer bei rechtsextremer Demo. Polizei mit einem Großaufgebot im Einsatz.

Leinefelde. Der extrem rechte Eichsfeldtag der NPD verliert immer deutlicher an Anziehungskraft. Obwohl er in diesem Jahr den offiziellen Abschluss des Europawahlkampfes der höchstrichterlich als verfassungsfeindlich eingestuften Partei darstellte, fanden am Samstag lediglich 140 Menschen zwischen 13 Uhr und 22.30 Uhr den Weg auf den Sportplatz am Stadtrand im eichsfeldischen Leinefelde.

Diese offizielle Zahl bestätigte die zuständige Landespolizeiinspektion Nordhausen noch am Samstagabend.

Für den NPD-Landesvorsitzenden und stellvertretenden Bundeschef Thorsten Heise - er wohnt im Eichsfeld - geriet die Veranstaltung einmal mehr zu einem Fiasko. Nachdem es zuvor Querelen um ein Alkoholverbot gegeben hatte, kündigte Heise spontan als Reaktion einen Aufzug durch die Stadt an. Es wurde auf einer offiziell als Familienfest beworbenen Veranstaltung also für Alkoholausschank demonstriert. 29 Personen folgten dem Aufruf zum Aufzug, der zunächst mehr als 30 Minuten gestoppt wurde. Denn am Lautsprecherwagen waren jene Wahlplakate der NPD angebracht, die Innenminister Georg Maier (SPD) erst tags zuvor einkassiert hatte. Allerdings hatte es die Verfügung des Ministers noch nicht "in den behördlichen Umlauf" geschafft, weshalb keine "behördliche Handhabe" vorliege, wie es aus Verwaltungskreisen hieß. Deshalb wurden die Plakate nicht abgenommen.

Landrat Werner Henning (CDU) hatte sich am Vormittag ein Bild von den Sicherheitsvorkehrungen gemacht. Im Vorfeld hatte es Querelen um durch seine Versammlungsbehörde erlassene Auflagen gegeben. Henning erklärte, dass das Innenministerium keinesfalls ein striktes Alkoholverbot empfohlen habe. Der Innenminister hatte das tags zuvor anders dargestellt.

Der Innenpolitiker der Thüringer Grünen, Dirk Adams, forderte bei der Gegendemonstration die Versammlungsbehörde auf, enger mit der Task Force des Innenministeriums zusammenzuarbeiten. "Es wäre ein Leichtes gewesen, den Empfehlungen zu folgen", zeigte er sich überzeugt. Henning hatte sich zuvor im Gespräch mit dieser Zeitung deutlich von der Darstellung distanziert, dass es zwischen der Versammlungsbehörde und der Innenminister-Task-Force "einen größeren Dissens" bezüglich der Auflagen gegeben habe.

Ob 2020 erneut der rechtsextreme Eichsfeldtag auf dem Leinefelder Sportplatz stattfinden wird, ist indes mehr als fraglich. Denn das Gelände liegt im Areal der Landesgartenschau, für deren Vorbereitung bald die Baumaßnahmen beginnen.

150 Demonstranten setzen ein Zeichen gegen Rechts in Leinefelde

Das "Eichsfelder Bündnis gegen Rechts" begann bereits am Freitagnachmittag mit der Sportplatzbesetzung. Weiter ging es am Samstag mit dem Friedensgebet und der anschließenden bunten Demonstration durch Leinefelde bis zur Südstadt.

Bildunterschrift: Die groß angekündigte Demo von Thorsten Heise (vorn, 2. von links) lockt nur 29 Teilnehmer. Den Lautsprecherwagen zieren verbotene Plakate.

Bildunterschrift: Anhänger der rechtsextremen Partei. Sie hatten einen Aufzug angemeldet und zogen mit knapp 30 Leuten durch die Leinefelder Straßen in Richtung Bahnhof. Am Ende standen sich beide Versammlungen gegenüber - zu Zwischenfällen ist es nicht gekommen.

Bildunterschrift: 150 Demonstranten setzten am Samstagnachmittag ein Zeichen gegen Rechts und den so genannten Eichsfeldtag der rechtsextremen NPD auf dem Leinefelder Ohnesportplatz.

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