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Mindener Tageblatt , 25.09.2018 :

Angeln verboten

Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände wollen Rechtspopulisten keinen Spielraum in ihren Reihen gewähren / Auffällige AfD-Mitglieder müssen daher mit der roten Karte rechnen

Von Stefan Koch

Minden (mt). Nicht erst der Zwischenfall bei der Mai-Kundgebung am DGB-Haus in Minden (das MT berichtete) zeigt, dass Interessenverbände und Organisationen gegenüber der Alternative für Deutschland (AfD) zunehmend auf Distanz gehen. Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat einen Grundsatzbeschluss gefasst, wonach Rechtspopulisten bei ihr nichts zu suchen haben. Nun will auch Anke Unger, Geschäftsführerin des Deutschen Gewerkschaftsbundes in OWL dafür sorgen, dass der DGB mit seinen acht Einzelgewerkschaften bundesweit einen entsprechenden Unvereinbarkeitsbeschluss herbeiführt. Bislang mussten nur auffällige Mitglieder der NPD und der Republikaner bei den Gewerkschaften draußen bleiben.

Schon als die AfD als wirtschaftsliberale Partei gestartet sei, habe sie sozialpolitisch ganz andere Vorstellungen als die Gewerkschaften vertreten, so Unger. In den letzten Jahren und Monaten habe sich aber ein schwerwiegender Profilwechsel vollzogen. "Das Menschenbild und die Haltung gegenüber Flüchtlingen ist nicht mit den Gewerkschaften vereinbar." In der AfD sei ein rassistisches Weltbild weit verbreitet. Zudem sei es seitens der Partei auch schon zu Angriffen auf Gewerkschaftsvertreter gekommen, wie beispielsweise im Juli in Hanau.

Mit ihrer Anti-AfD-Einstellung befinden sich die Gewerkschaften in einem Boot mit den Arbeitgebern. Deren Kreisverband für Minden-Lübbecke hatte kürzlich in den Medien ein "Statement gegen Gewalt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" veröffentlich - als Reaktion auf die rechtspopulistischen AfD-Aktionen in Chemnitz und andernorts (das MT berichtete). Vor allem die Furcht um den Imageschaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland war der Grund. Wie André Fechner, Kreisgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes, auf MT-Nachfrage erklärte, seien aber bislang noch keine Probleme mit AfD-Angehörigen in den Mitgliedsbetrieben bekannt geworden. Fechner rät: "Einschlägiges Fehlverhalten oder Straftaten wie Volksverhetzung sollten Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsrechts ahnden."

Wie Hans-Jürgen Weber, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Minden mit 230 Mitarbeitern erklärt, hätten sich die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege abgestimmt, keine AfD-Vertreter auf eigene Veranstaltungen einzuladen sowie keine reinen AfD-Veranstaltungen mehr zu besuchen. In anderen Gremien wie Ausschüssen oder Veranstaltungen dritter ist aber die Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten weiterhin möglich.

"Mein Eindruck ist, dass eine aktive AfD-Betätigung mit den Grundsätzen des DRK nicht übereinstimmen kann", so Weber. "Insofern dürfte sich eigentlich kein aktiver AfDler bei uns bewerben." Neben dem Mindener DRK-Kreisverband gibt es auf dessen Gebiet sechs weitere rechtlich selbstständige Ortsvereine mit 4.000 Mitgliedern, darunter 600 ehrenamtlich Aktive.

Bereits vor einem Jahr hat sich der Bundesverband der AWO nach entsprechenden Vorkommnissen auf einen Grundsatzbeschluss zum Umgang mit der AfD geeinigt. "Dies Papier ist auch für uns bindend", sagt Dirk Hanke, Geschäftsführer des AWO-Kreisverbandes Minden-Lübbecke. Darin heißt es unter anderem, dass die AWO der AfD aktiv entgegen trete und ihr Gedankengut bekämpfe. Die AWO werde niemandem ein Forum und eine Plattform bieten, der die Grund- und Menschenrechte anderer nicht achte. Hanke: "Eine Mitgliedschaft in der AfD und bei uns schließen sich aus." Sollten innerhalb seines Vereins Mitglieder erkennbar für die Ziele der Rechtspopulisten eintreten, werde es Gespräche mit ihnen geben.

Engagement für die AfD ist nicht mit Tätigkeit bei sozialen Trägern vereinbar

Vorgaben gegenüber AfD-Aktiven gibt es bei der Diakonie-Stiftung Salem nicht. Der kirchliche Träger hat 2.800 Mitarbeitende. Gleichwohl hatte die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe als Spitzenverband allen Kräften einen Leitfaden gegen "Stammtischparolen" zur Verfügung gestellt. Auf MT-Nachfrage teilt die Diakonie mit: "Zahlreiche Verlautbarungen von führenden Funktionären der AfD sind dazu angetan, Hass und Misstrauen zu schüren, Lügen zu verbreiten und die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Landes zu bekämpfen. Dies widerspricht unseren Werten zutiefst."

Auf Grund ihrer christlichen Ausrichtung geht die Diakonie davon aus, dass sie ohnehin für AfD-Sympathisanten unattraktiv ist. "Die Würde jedes Menschen gründet für uns in der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Wer diese unverlierbare Würde jedes Menschen nicht achtet, hat bei uns nichts verloren", teilt die Geschäftsführung mit.

Der Mindener Caritasverband mit seinen 80 Mitarbeitenden sieht sich in Bezug auf das Arbeitsrecht an die Grundsätze der katholischen Kirche gebunden. Das Schüren von Fremdenhass sei laut der seit 2015 geltenden Grundordnung des kirchlichen Dienstes ein Angriff auf das tragende Selbstverständnis der Kirche. Wer bei der Caritas öffentlich - auch in Sozialen Medien - hetzt, muss mit der Kündigung rechnen. Vorkommnisse gab es nicht.

Dass AfD-Aktivisten in den eigenen Reihen über die Stränge geschlagen hätten, ist auch bei den Kommunalverwaltungen nicht registriert worden. Weder die Stadt Minden mit ihren rund 1.200 Mitarbeitenden noch dem Kreis Minden-Lübbecke mit 1.550 Kräften sind Vorfälle bekannt. Wer im öffentlichen Dienst tätig sein will, muss sich zu den Grundsätzen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetze verpflichten. Des Weiteren gelten für die Beamten und Beschäftigten die üblichen arbeitsrechtlichen Vorschriften.

Bundesweit und in Minden kam es im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsthema zu Konflikten zwischen der AfD und verantwortlichen Verwaltungsspitzen. Ob es da sinnvoll ist, auf Ebene der kommunalen Spitzenverbände den Umgang mit AfD-Mitgliedern in der eigenen Belegschaft zum Thema zu machen? "Landrat und Verwaltungsspitze sind sich einig, dass politisches Engagement sich im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bewegen hat", teilte dazu die Pressestelle der Kreisverwaltung knapp mit. Und Mindens Bürgermeister Michael Jäcke (SPD) lässt über seine Pressestelle ausrichten, dass der "Ausschluss von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie Beamten und Beamtinnen" sich ausschließlich nach den bestehenden tariflichen und gesetzlichen Bestimmungen zu richten habe.

Kommentar

Der Autor ist erreichbar unter (0571) 882165 und Stefan.Koch@MT.de.


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Radio Gütersloh, 12.09.2018:

"AfD und Gewerkschaft gehen nicht zusammen"

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund in Bielefeld gehen Gewerkschaft und AFD nicht zusammen. Geschäftsführerin Anke Unger fordert eine Ausschlussregelung - ähnlich wie sie schon für Mitglieder der NPD und Republikaner gilt.

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Westfalen-Blatt, 12.09.2018:

"Gewerkschaft und AfD gehen nicht zusammen"

DBG-Chefin Anke Unger für Ausschlussregelung

Von Bernhard Hertlein

Bielefeld (WB). Kann man gleichzeitig Mitglied der Partei Alternative für Deutschland (AfD) und einer DGB-Gewerkschaft sein? Anke Unger (37), Geschäftsführerin des Deutschen Gewerkschaftsbundes in OWL, sagt "Nein". Sie fordert ein offizielles Verbot.

Bislang gilt ein Unvereinbarkeitsbeschluss, auf den sich eine Gewerkschaft im Falle eines Ausschlussverfahrens berufen könnte, nur für Mitglieder der NPD und der Republikaner. "Ein erweiterter Beschluss könnte zunächst auf den Bundeskongressen der größten Einzelgewerkschaften IG Metall und ver.di im kommenden Frühjahr getroffen werden", erklärte Unger gestern beim Besuch des Westfalen-Blattes.

"Unsere Wertvorstellungen unterscheiden sich fundamental von denen der AfD", sagte die Chefin des DGB in der Region. Am 1. Mai 2018 war es während der Kundgebung in Minden zu einem Zwischenfall gekommen. Nach einem verbalen Streit mit zwei anwesenden AfD-Mitgliedern, darunter Sebastian Landwehr, stellvertretender Kreissprecher der AfD Minden-Lübbecke, hatte der DGB als Veranstalter von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und einen Platzverweis erteilt, berichtet Unger. Bei den Betriebsratswahlen in diesem Frühjahr traten vereinzelt AfD-Mitglieder an. Der Erfolg war mäßig. Doch das könnte sich natürlich ändern.

Unger sieht unter anderem bei den Themen Arbeitszeitverkürzung und Mindestlohn fundamentale Gegensätze zwischen DGB und AfD. Aber erst die Ausgrenzung von Arbeitnehmern, die aus anderen Ländern eingereist sind, schließe jedwede Zusammenarbeit und sogar gemeinsame Diskussionsrunden aus.

Was die Entwicklung in der Region betrifft, so erwartet die DGB-Chefin bald harte Auseinandersetzungen mit dem Onlinehändler Amazon. Dieser baut gerade ein Logistikzentrum im interkommunalen Gewerbegebiet Aurea in Oelde an der Grenze zu Rheda-Wiedenbrück. Das neue Lager soll einmal 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Unger fordert, dass sie nach dem höheren Einzelhandelstarif und nicht als Logistikmitarbeiter bezahlt werden.

Während des Bundestagswahlkampfes 2017 versuchten die Gewerkschaften, das Rententhema in den Vordergrund zu schieben. Daher begrüßt Unger die vorläufige Stabilisierung und neu angefachte Diskussion zwischen CDU / CSU und SPD über das Standardrentenniveau. Berechnungen des DGB ergäben, dass eine Anhebung von derzeit 48,1 auf 51 Prozent durch eine Anhebung des Beitrages zur Rentenversicherung von derzeit 18,6 auf 21 Prozent finanziert werden könne.

Eine Steuererhöhung, die einige Gegner ins Feld führten, müsse es nicht geben. Wohl aber sollten Zusatzleistungen wie die Mütterrente aus dem Bundesetat bestritten werden. Unger forderte, im Rahmen einer Rentenstrukturreform auch Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Versicherung einzubinden. Das jetzige Niveau von 48 Prozent sorge dafür, dass Geringverdiener selbst dann, wenn sie ein Leben arbeiteten, im Alter auf zusätzliche Hilfen wie Wohngeld angewiesen seien. Unger begrüßte die von der Großen Koalition geplanten Verbesserungen bei der Betriebsrente.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund zählt in Ostwestfalen-Lippe nach Angaben Ungers 150.000 Mitglieder. Die Zahl sei, auch im Vergleich mit anderen Regionen, "erfreulich stabil".

Bildunterschrift: DGB-Geschäftsführerin Anke Unger.

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Mindener Tageblatt, 03.05.2018:

Kein Platz für die AfD

Landwehr sollte gehen

Von Stefan Koch

Minden (mt). Sebastian Landwehr, stellvertretender Kreissprecher der AfD Minden-Lübbecke, musste auf Wunsch der Veranstalter das Familienfest mit dem Kabarettisten Bernd Gieseking (nebenstehender Text) zum 1. Mai auf dem Grundstück des Gewerkschaftshauses in Minden vorzeitig verlassen. Unter dem Motto "Solidarität. Vielfalt. Gerechtigkeit" hatte der DGB in diesem Jahr bundesweit zu Kundgebungen aufgerufen. Etliche Teilnehmer nahmen Anstoß daran, dass sich der heimische AfD-Funktionär unter ihnen befand. Nach eigenen Angaben ist Landwehr neben seiner politischen Betätigung Mitglied der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Wie Lutz Schäffer, Geschäftsführer der IG Metall auf MT-Anfrage erklärte, stünden die Gewerkschaften auch mit ihrem aktuellen Motto für Werte ein, denen die AfD nicht entspreche. Aus diesem Grunde sei die Teilnahme eines Funktionärs dieser Partei mit dem Grundverständnis der Veranstaltung nicht vereinbar gewesen. Mit der Aufforderung, sich vom Gewerkschafts-Gelände zu entfernen, habe der DGB von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht. Dies sei am Dienstag auf die Zustimmung vieler anwesender Kolleginnen und Kollegen getroffen.

Gegenüber dem MT beklagte Landwehr Ausgrenzung und mangelnde Toleranz seitens der Veranstalter. Seit seinem sechsten Lebensjahr besuche er jedes Jahr zusammen mit seinem Vater - einem Sozialdemokraten - die Mai-Kundgebung des DGB. Erstmals sei es vor zwei Jahren zu Beschwerden über seine Anwesenheit gekommen, als die Veranstaltung noch auf dem Mindener Marktplatz stattgefunden habe. Von seiner Seite aus sei er auch weiterhin offen für eine politische Diskussion mit dem DGB.

In einem Facebook-Beitrag unmittelbar nach dem Vorfall sagte Landwehr, dass ihn diese Art der Ausgrenzung "ganz stark an das Jahr 1933" erinnere. Er sei zutiefst enttäuscht, dass er von "so viel Hass und Hetze" betroffen sei.


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