www.hiergeblieben.de

Lippische Landes-Zeitung , 30.05.2017 :

Lemgoer trauern um Karla Raveh

Lemgo (mag). Das Kondolenzbuch lag erst seit gut einer Stunde im Rathausfoyer aus, da hatten sich schon einige Bürger eingetragen. Manche, weil sie die Ehrenbürgerin persönlich kannten, andere, weil sie an ihrem Schicksal Anteil genommen haben und sie als wichtige Botschafterin der Vergangenheit ehren wollen. Unter den Besuchern waren auch Schüler und Lehrer der Karla-Raveh-Gesamtschule, die nach Unterrichtsende zum Rathaus gekommen sind. "Wir waren geschockt", berichtet Anjana (rechts im Bild) von dem Moment, als sie und ihre Mitschüler vom Tod der Namensgeberin ihrer Schule erfahren haben. "Ich hatte die Ehre, sie persönlich kennen zu lernen", erinnert sie sich. Auch ihre Mitschülerin Agne möchte sich mit ein paar Worten im Kondolenzbuch verabschieden. "An der Schule war das ein ganz bedrückendes Gefühl", betont Monika Lewecke, Mediathekarin an der Gesamtschule. Auch sie hat ihre Trauer in ein paar persönliche Worte gefasst. Sichtbare Zeichen des Gedenkens finden sich auch am Frenkel-Haus in der Echternstraße, vor dem bereits die Stolpersteine an die Familie Karla Ravehs erinnern, die während der NS-Zeit deportiert wurde. In diesem Haus hat Karla Raveh bis zum Schluss gewohnt, wenn sie in Lemgo war. Hinter den in den Boden eingelassenen Gedenksteinen steht nun eine Vase mit Blumen, eine weiße Rose liegt auf der Fensterbank. Daneben liegt ein weißer Kieselstein, denn nach jüdischem Brauchtum werden Gräber nicht bepflanzt, sondern Steine zum Gedenken niedergelegt.

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Radio Lippe, 29.05.2017:

Karla Raveh in Lemgo gestorben

Die Lemgoer Ehrenbürgerin Karla Raveh ist am Wochenende in Lemgo gestorben. Sie verlor unter den Nazis fast ihre gesamte Familie, setzte sich aber jahrzehntelang stark für die Aussöhnung zwischen Israelis und Deutschen ein. Raveh war anlässlich ihres 90. Geburtstags Anfang des Monats seit knapp zwei Wochen in ihrer Heimatstadt Lemgo. Sie war am Samstag im Klinikum in Lemgo gestorben. Ihr Leichnam wird auf eigenen Wunsch nach Israel überführt.

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Lippische Landes-Zeitung, 29.05.2017:

"Einer der außergewöhnlichsten Menschen, den ich kennen durfte"

Nachruf: Judith Stracke erinnert sich an Karla Raveh / Ihre Botschaft wird weiter bestehen, ist die LZ-Mitarbeiterin überzeugt

Sie besuchte die Lemgoer Ehrenbürgerin vor kurzem in Israel und begleitete sie bei ihrer Reise in die Alte Hansestadt

Lemgo (udi). Lemgos Königin der Herzen ist tot. Karla Raveh lebt nicht mehr. Wer sie kannte, weiß, was für ein schmerzlicher Verlust es ist.

Jemanden gehen zu lassen, der so liebenswert und empathisch ist, ist wahnsinnig schwer. Gerade in der heutigen Zeit. Aber sie ist so gegangen, wie sie gelebt hat. In Würde. Sie wollte es genauso. In ihrer Heimat sterben, kurz nach ihrem 90. Geburtstag, den sie unbedingt hier feiern wollte. Ganz nah und unweit "ihrer" geliebten Trauerweide. Dem Baum, der ihr immer Paradies und unbeschwerte Kindheit bedeutet hat. Dort auf dem Wall hat sie immer so gerne ihre Gedanken schweifen lassen, als sie in den letzten 30 Jahren in die Echternstraße zurückkehrte. Ohne Hass. Ohne Grollen. Mit der einen Botschaft, die über alle Zeit und alle Grenzen Bestand haben wird: "Schließe Frieden mit Deinem Schicksal. Säe Liebe, schüre keinen Hass. Vergib, ohne zu vergessen."

Karla Raveh gekannt, erlebt und begleitet zu haben, brennt sich ins Herz. Genau dorthin, wo es darum geht, sie und ihre Botschaft weiterzutragen und zu leben. Gestern habe ich meine israelische Flagge an der Trauerweide auf dem Wall gehisst. Blumen niedergelegt. Für einen der außergewöhnlichsten Menschen, den ich kennen und lieben lernen durfte. Auch wenn sie gegangen ist, ihre Botschaft wird wie die Trauerweide weiter bestehen ...

Erstes Treffen beim Interview in der Echternstraße

LZ-Mitarbeiterin Judith Stracke hat Karla Raveh im Jahr 2010 erstmals in ihrer Wohnung im Frenkel-Haus in der Echternstraße für die LZ interviewt. Das, so Stracke, war der Beginn einer "wunderbaren, außergewöhnlichen Freundschaft". Anfang Mai besuchte Judith Stracke dann Karla Raveh zu Hause in der Nähe von Haifa. "Israel ist mein Zuhause. Und nach 68 Jahren auch meine Heimat", sagte Raveh der LZ-Mitarbeiterin. Die beiden traten dann die Flugreise nach Lemgo an, wo Karla Raveh ihren 90. Geburtstag feierte. Die LZ-Berichte dazu sind unter www.lz.de/israel im Internet zu finden. In Lemgo nahm sie wie immer bei ihren Besuchen interessiert am Leben der Stadt teil - am vergangenen Wochenende war sie noch Gast beim Hansefrühstück auf dem Marktplatz gewesen. "Sie ging aus dem vollen Leben", schreibt die Stadt.

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Lippische Landes-Zeitung, 29.05.2017:

Stimmen zum Tod der Ehrenbürgerin

Wie Karla Raveh mit den Menschen, insbesondere jungen Leuten, umgehen konnte, "das habe ich bewundert", sagt Liesel Kochsiek-Jakobfeuerborn. Die Stadtführerin kannte die verstorbene Ehrenbürgerin seit Jahrzehnten, bei vielen Stadtführungen zum jüdischen Leben in Lemgo machte sie Station bei ihr am Frenkel-Haus. Dort wohnte Karla Raveh bei ihren Besuchen. Zuletzt sei sie in der vergangenen Woche mit einer Schülergruppe dort gewesen, sagt Kochsiek-Jakobfeuerborn. Mit ihrem Tod sei ein Abschnitt der Stadtgeschichte zu Ende gegangen.

"Viele spüren eine große Dankbarkeit für Karla Ravehs Bereitschaft, sich zu öffnen", hebt Lemgos Museumsleiter Jürgen Scheffler hervor. Er betont ihre "besondere Art, als Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin über ihr Leben und ihre Deportation zu berichten". Viele Menschen hätten Karla Raveh nicht nur in Lemgo besucht, sondern auch in Israel ein offenes Haus erlebt.

An die lebhafte Art und die klare Sprache Karla Ravehs erinnert sich Annette Paschke-Lehmann. Die Leiterin des städtischen Kulturbereichs hebt hervor, dass es der verstorbenen Ehrenbürgerin über Jahrzehnte hervorragend gelungen sei, sich an die Jugend zu wenden, für Frieden und Völkerverständigung einzutreten und zu mahnen. "Ihre große Verbundenheit zu ihrer Heimatstadt habe ich an vielen Stellen gespürt." Karla Raveh sei es gelungen, Menschen zusammenzubringen - egal, welcher Herkunft und Religion.

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Lippische Landes-Zeitung, 29.05.2017:

"Karla Raveh wird Lemgo fehlen"

Trauer: Die Ehrenbürgerin und Holocaust-Überlebende ist im Alter von 90 Jahren gestorben

Von Jens Rademacher und Till Brand

Lemgo. Der Tod von Karla Raveh hat tiefe Trauer ausgelöst. Die Lemgoer Ehrenbürgerin starb am Samstag im Alter von 90 Jahren im Lemgoer Klinikum. Noch am 15. Mai hatte sie mit einer großen Feierstunde in der nach ihr benannten Gesamtschule den runden Geburtstag begangen.

"Der Tod unserer Ehrenbürgerin bewegt die Menschen in Lemgo sehr. Jeder, der sie kennenlernen durfte, war tief beeindruckt von ihrer menschlichen Größe und von ihrer Haltung, die für uns alle Vorbild bleibt", sagt Bürgermeister Dr. Reiner Austermann. "Sie wird der Alten Hansestadt Lemgo fehlen, sie wird mir fehlen."

Die Stadt trauere mit den Angehörigen, teilt Pressesprecher Karl-Heinz Mense mit. Die Holocaust-Überlebende war seit Ende der 80er Jahre immer wieder aus Israel nach Lemgo gekommen. Seitdem trug sie nicht nur mit ihren Erzählungen und Aufzeichnungen über ihr eigenes Schicksal und das ihrer Familie maßgeblich zur Entstehung der Dokumentations-, Begegnungs- und Gedenkstätte Frenkel-Haus und der Aufarbeitung der jüdischen Geschichte in Lemgo bei. Insbesondere in vielen Gesprächen mit jungen Menschen machte sie die Zeit und die Gefahren des Nationalsozialismus begreifbar, ordnet die Stadt das Leben Karla Ravehs ein.

Sie sei eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen, sagt Bürgermeister Austermann. "Alle, die sie kennenlernen durften, haben es als Geschenk empfunden." Deshalb mische sich in die Traurigkeit auch ein Stück Dankbarkeit, "dass wir sie als Ehrenbürgerin haben durften". Ihren 90. Geburtstag habe sie sehr bewusst erlebt. Bürgermeister Dr. Austermann, Landrat Dr. Axel Lehmann und Schulleiter Bernd Hendig hoben dabei ihre außergewöhnliche menschliche Größe und ihr Lebenswerk hervor.

Karla Raveh wurde 1927 als Tochter der jüdischen Familie Frenkel im Haus Echternstraße 70 geboren. Nur ihre Großmutter Helene Rosenberg und sie überlebten den Holocaust. Alle anderen zehn Familienangehörigen starben im Warschauer Ghetto, in Theresienstadt oder in Auschwitz, so Karl-Heinz Mense.

Trotz ihres hohen Alters nahm sie interessiert am Leben der Stadt teil. Ihre Familie wurde nach ihrem Tod noch in der Nacht benachrichtigt, ihr Sohn traf am Samstagnachmittag in Lemgo ein. Ihrem Wunsch gemäß wird Karla Raveh ihre letzte Ruhe in Tivon in Israel an der Seite ihres Ehemannes Szmuel Raveh finden. Die Stadt plant laut Bürgermeister Dr. Reiner Austermann eine Trauerfeier. Der Termin steht noch nicht fest.

Ab Montag, 14 Uhr, liegt in der Rathaushalle ein Kondolenzbuch aus. Die Rathaushalle ist täglich von 7 bis 17 Uhr geöffnet.

Bildunterschrift: Sommer 1986: ein Familienfoto vor der Reise nach Lemgo.

Bildunterschrift: Ende der 90er Jahre: in der Karla-Raveh-Gesamtschule.

Bildunterschrift: Mai 2017: Mit der Familie nimmt Karla Raveh an einer Veranstaltung in Tivon zum Holocaust-Gedenktag teil.

Bildunterschrift: Mai 2017: Karla Raveh am Telefon daheim in Tivon.

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Lippische Landes-Zeitung, 29.05.2017:

Trauer um Lemgos Ehrenbürgerin Karla Raveh

Lemgo (rad). Im Alter von 90 Jahren ist Karla Raveh gestorben. Die Lemgoer Ehrenbürgerin und Holocaust-Überlebende hatte vor zwei Wochen ihren Geburtstag in der Gesamtschule gefeiert, die ihren Namen trägt. Sie starb nach Angaben der Stadt am Samstag im Klinikum Lemgo. Bürgermeister Dr. Reiner Austermann sagte, sie werde der Stadt und ihm persönlich fehlen. Freunde und Bekannte hoben die beeindruckende Persönlichkeit Karla Ravehs hervor. Sie habe sich in beeindruckender Weise für Frieden und Völkerverständigung eingesetzt. Das Foto zeigt sie bei einer Holocaust-Gedenkveranstaltung in Israel mit zwei ihrer Urenkel.

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Lippische Landes-Zeitung, 29.05.2017:

Ehrenbürgerin Karla Raveh ist tot

Lemgo. Karla Raveh, Ehrenbürgerin der Stadt Lemgo und Namensgeberin der Gesamtschule, ist Samstag überraschend in ihrer Heimatstadt gestorben. Sie wurde 90 Jahre alt.

Seiten 9 und 17

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Neue Westfälische, 29.05.2017:

Persönlich

Karla Raveh, Ehrenbürgerin der Stadt Lemgo, ist kurz nach ihrem 90. Geburtstag in ihrer Heimatstadt gestorben. Raveh, die neben ihrer Großmutter als einzige ihrer jüdischen Familie den Holocaust überlebte, pendelte jahrzehntelang zwischen ihrer neuen Heimat Israel und Lemgo. Sie setzte sich gegen das Vergessen ein.

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Lippische Landes-Zeitung Online, 27.05.2017:

Karla Raveh ist tot

27.05.2017 - 13.36 Uhr

Von Till Brand

Lemgo. Karla Raveh, Ehrenbürgerin der Stadt Lemgo, ist tot. Knapp zwei Wochen nach ihrer Feier zum 90. Geburtstag ist sie in ihrer Heimatstadt gestorben. Hier hatte sie noch am 15. Mai mit einer großen Feierstunde in der nach ihr benannten Gesamtschule den runden Geburtstag begangen. "Die alte Hansestadt trauert mit den Angehörigen um ihre Ehrenbürgerin", teilt Pressesprecher Karl-Heinz Mense mit. Karla Raveh verstarb am frühen Samstagmorgen im Klinikum Lemgo.

Anfang des Monats war Karla Raveh aus Anlass ihres 90. Geburtstages eigens aus Israel gekommen - begleitet wurde sie dabei von LZ-Mitarbeiterin Judith Stracke. Mehr als 140 Gratulanten zählte Bürgermeister Dr. Reiner Austermann bei dem Geburtstagsempfang in der Karla-Raveh-Gesamtschule. Auch Landrat Dr. Axel Lehmann und Schulleiter Bernd Hendig hatten in ihren Ansprachen die menschliche Größe und das Lebenswerk der Holocaust-Überlebenden hervor gehoben.

Karla Raveh wurde als Tochter der alteingesessenen Lemgoer jüdischen Familie Frenkel im Haus Echternstraße 70 geboren. Nur ihre Großmutter Helene Rosenberg und Karla Raveh selbst überlebten als einzige Familienmitglieder den Holocaust. Alle anderen zehn Familienangehörigen starben im Warschauer Getto, in Theresienstadt oder im Vernichtungslager Auschwitz.

Nach ihrer Emigration nach Israel nahm Karla Raveh in den 1980er Jahren den Kontakt zu ihrer Heimatstadt wieder auf - und berichtete fortan über ihre grauenvolle Erlebnisse in der Zeit des Nationalsozialismus. "Seitdem hat sie nicht nur mit ihren Erzählungen und Aufzeichnungen über ihr eigenes Schicksal und das ihrer Familie maßgeblich zu der Entstehung der Dokumentations-, Begegnungs- und Gedenkstätte Frenkel-Haus und der Aufarbeitung der jüdischen Geschichte in Lemgo beigetragen", ordnet die Stadt Lemgo das Leben Karla Ravehs ein.

Auch in vielen Gesprächen mit jungen Menschen habe sie die Zeit des Nationalsozialismus begreifbar gemacht. Trotz ihres hohen Alters nahm sie interessiert am Leben der Stadt teil - am vergangenen Wochenende war sie noch Gast beim großen Hansefrühstück auf dem Marktplatz gewesen. "Sie ging aus dem vollen Leben", schreibt die Stadt.

Die Stadt hat Karla Ravehs Familie noch in der Nacht über den Tod benachrichtigt - ein Sohn ist bereits am Samstagnachmittag in Lemgo eingetroffen. Ihrem Wunsch gemäß wird Karla Raveh ihre letzte Ruhe in Tivon in Israel finden - an der Seite ihres Ehemannes Szmuel. Die alte Hansestadt wird die Rückführung organisieren.

Ab Montag, 14 Uhr, soll in der Rathaushalle am Marktplatz ein Kondolenzbuch ausliegen. Das Gebäude ist täglich von 7 bis 17 Uhr geöffnet.

Bildunterschrift: Karla Raveh starb in Lemgo.

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Lippe aktuell, 20.05.2017:

"Ich bin die älteste Schülerin meiner Schule"

Karla Raveh kommt zu ihrem 90. Geburtstag nach Lemgo

Lemgo (nr). Ihre Handschrift ziert als erster Eintrag das neue goldene Buch der Alten Hansestadt. Lemgos einzige Ehrenbürgerin, Karla Raveh feierte am Montag ihren 90. Geburtstag im Rahmen einer Feierstunde in "ihrer" Gesamtschule. Bewegende Worte und ein ganz besonderes Buch zollten einer ungewöhnlichen Frau große Achtung.

"Niemand kann ermessen, welcher menschlichen Größe es bedarf, wieder Kontakte zu ihrer alten Heimat herzustellen; einem Land, das Ihnen schreiende Ungerechtigkeit angetan und das fast Ihre gesamte Familie ermordet hat", fand Bürgermeister Dr. Reinhard Austermann rührende Worte. Dem schloss sich auch Landrat Dr. Axel Lehmann an, der hervorhob, welche Bedeutung und welchen Einfluss die Jubilarin auch als einige der wenigen noch lebenden Zeitzeuginnen für Toleranz, Respekt und Verständnis für die Heterogenität der Gesellschaft habe.

"Ich bin die älteste Schülerin meiner Schule", erklärte Karla Raveh schmunzelnd. Ein ganz besonderes Geschenk gab es dafür von "ihrer Schule": Ein Buch - liebevoll gefüllt mit Gedanken, Bildern, Collagen und Briefen von 1.300 Schülern und 120 Lehrern. "Karla Raveh hat Frieden mit der Vergangenheit geschlossen. Ihre Lebenseinstellung, die geprägt ist von Wertschätzung, Humor, Achtung, Versöhnung und Völkerverständigung, prägen unseren Schulalltag", fand Schulleiter Bernd Hendig berührende Worte.

Karla Raveh

Karla Raveh wurde am 15. Mai 1927 in Lemgo geboren. Am 28. Juli 1942 wurde sie mit ihren Eltern, ihren drei Geschwistern und beiden Großmüttern vom Nazi-Regime nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte das Grauen in verschiedenen Lagern allein mit einer ihrer Großmütter. 1945 kehrte sie heim und heiratete 1949 ihren Mann Szmuel. Gemeinsam wanderten sie nach Israel aus. Lemgo blieb aber ein Teil ihres Lebens und sie besuchte die Stadt regelmäßig. 1998 wurde Karla Raveh Namensgeberin der Gesamtschule. 2003 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. 2015 wurde sie zur Ehrenbürgerin der Alten Hansestadt Lemgo ernannt.

Was ihr am Herzen liegt, hat sie vor vielen Jahren in ihrem Buch "Überleben" niedergeschrieben: "Das "Frenkel-Haus hat große Bedeutung für mich. Das großelterliche Haus ist mein Heim gewesen. ( ... ) Es ist mir wichtig, mit den Leuten zu sprechen, zu reden, ihnen von meiner Familie, von ihrem Schicksal, von dem Schicksal der ehemaligen jüdischen Lemgoer zu erzählen. ( ... ) Ich will die Erinnerung wach halten. Ich will, dass nicht vergessen wird. Das ist mir zur Lebensaufgabe geworden. Die Menschen müssen es von jemanden hören, der es erlebt hat." Karla Raveh.

Auszug aus dem Buch "Das Frenkel-Haus Lemgo" von Museumsleiter Jürgen Scheffler, das im Museum Hexenbürgermeisterhaus erhältlich ist.

Bildunterschrift: Karla Raveh feierte ihren 90. Geburtstag in "ihrer" Schule.

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Lippische Landes-Zeitung, 16.05.2017:

Karla Raveh unterschreibt auf Seite eins

Lemgo (udi). Mit einem besonderen Geschenk zum 90. Geburtstag hat Bürgermeister Dr. Reiner Austermann gestern Lemgos Ehrenbürgerin überrascht: Karla Raveh durfte sich als Erste ins neue Goldene Buch der Stadt eintragen. Nach 40-jähriger Nutzung des alten - in dem Willy Brandt die Ehre des Ersteintrags oblag - steht die Holocaust-Überlebende nun für Jahrzehnte auf Seite eins. Beim Festakt in der Gesamtschule würdigte Reiner Austermann mit Landrat Dr. Axel Lehmann und Schulleiter Bernd Hendig Ravehs unermüdliches Engagement. Selbst das israelische Fernsehen war angereist. "Niemand kann wirklich ermessen, was Ihnen, liebe Frau Raveh, angetan wurde. Deshalb kann auch niemand wirklich ermessen, welcher menschlichen Größe es bedurfte, nach dem Unrecht wieder den Kontakt zu Ihrer deutschen Heimatstadt zu suchen", sagte Austermann. Aus dem Kontakt ist ein zweites Leben geworden - im Zeichen der Erinnerung und Aufklärung. "Wir alle verdanken Ihnen unendlich viel", lobte Austermann Ravehs "menschenfreundliche Art und Wärme, die Herzen und Seele berührt".

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Lippische Landes-Zeitung, 15.05.2017:

"Eine Ehre, mit 90 noch anerkannt zu werden"

Feierstunde: Am heutigen Montag begeht Lemgos Ehrenbürgerin Karla Raveh ihren Geburtstag / Das lange Leben hat sie Kraft gekostet, doch ihre Botschaft leuchtet hell und klar: Man muss mit seinem Schicksal Frieden machen / Und vergeben können, nicht vergessen

Von Judith Stracke

Lemgo. Karla Raveh wird heute 90. Sie ist eine der letzten Zeitzeugen des Holocausts, Lemgos einzige Ehrenbürgerin und erste Trägerin der Engelbert-Kaempfer-Medaille, womit ihre Verdienste für Völkerverständigung und Menschenrechte gewürdigt wurden. Vor allem aber ist Karla Raveh eines: ein wunderbarer Mensch, der berührt.

Vor einer Woche ist die Lemgoerin der Herzen aus Israel angereist. Sie wollte es so: ihren 90. Geburtstag dort feiern, wo sie geboren ist und wohin sie seit 30 Sommern für jeweils ein paar Wochen zurückkehrt. In Lemgo will sie an den Holocaust erinnern. "Damit so etwas nie wieder passieren kann", sagt sie.

Als sie vor einer Woche in die Echternstraße einbiegt, strahlt sie. Erschöpft, aber fröhlich. "Mir ist so, als wäre ich gar nicht weg gewesen." Weg von ihrer Heimat und der geliebten Trauerweide auf dem Wall, nur ein paar Steinwürfe von ihrer Wohnung.

Hier hat sie gespielt - hier war ihr Paradies. Hier war sie glücklich. Bis Hitler mit seinen Schergen kam ... und ihre Familie umbrachte. "Zwölf Jahre, die die Welt verändert haben", sagt Karla Raveh heute. Zwölf Jahre, die ihr Paradies zerstörten und ihr die Familie nahmen. Nach der Hölle als Jugendliche in vier Konzentrationslagern kehrt sie Lemgo den Rücken. "Es war nicht mehr mein Zuhause - ohne meine Familie", sagt sie. Sie findet in Israel eine neue Heimat. Der Weg in ihre Geburtsstadt zurück führt über das, was sie so gut kann und ihre Aufgabe nennt: sich zu erinnern, zu erzählen, einzustehen für Menschlichkeit. Ohne moralischen Zeigefinger. Ohne Redemanuskript. Frei heraus. Aus dem Herzen. Für die, die ihr am Herzen liegen: die junge Generation.

Die findet sie in der Gesamtschule, die nach ihr benannt ist. Dort gratulieren heute im Beisein ihres Sohnes Michael nicht nur Bürgermeister Dr. Reiner Austermann, Landrat Dr. Axel Lehmann, Schulleiter Bernd Hendig, sondern viele weitere geladene Gäste. "Es ist eine Ehre, mit 90 Jahren noch anerkannt zu werden", meint sie.

Äußerlich scheint Karla Raveh zerbrechlich geworden. Von ihrer inneren Stärke hat sie nichts verloren. Ihre Botschaft steht für sich: "Man muss mit seinem Schicksal Frieden machen." Frieden, den sie über Gott findet. Vergeben, aber nicht vergessen. Karla Raveh rührt mit jedem Wort. Sie ist authentisch, klar, deutlich.

"Deutschland bemüht sich sehr, damit so etwas nicht mehr passiert. Das zeigt auch die Flüchtlingspolitik. Das hat meine Hochachtung", bekennt sie. Liebe säen, nicht Hass schüren. Teilen, verzichten können. Das hat Karla Raveh verinnerlicht. Das lebt sie. In Tivon, wie in Lemgo. Dafür pendelt sie hin und her, auch wenn ihr die Reisen immer mehr zusetzen. "Lemgo kostet mich viel Kraft", gibt sie zu.

Persönlich

Karla Raveh wurde am 15. Mai 1927 in Lemgo geboren. Am 28. Juli 1942 deportierten die Nazis sie mit ihren Eltern, drei Geschwistern und beiden Großmüttern nach Theresienstadt. Sie überlebte mit einer der Großmütter das Grauen verschiedener Lager und kehrte 1945 heim. 1949 heiratete sie Szmuel, einen polnischen Juden, und wanderte nach Israel aus. Dennoch kehrt sie im Sommer oft zurück nach Lemgo. 1998 wurde Raveh Namensgeberin der Gesamtschule. 2003 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz, 2015 als einzige Ehrenbürgerin Lemgos die Engelbert-Kaempfer-Medaille. Geburtstag feiert sie an der Seite von Sohn Michael in der Gesamtschule mit geladenen Gästen. "Ich bitte um Verständnis, dass ich am Geburtstag nicht erreichbar bin", sagt sie. Passend dazu ist von Museumsleiter Jürgen Scheffler das neue Buch "Das Frenkel-Haus" im Hexenbürgermeisterhaus erhältlich.

Bildunterschrift: Bilder eines bewegenden Lebens: Karla Raveh im Laufe der Jahrzehnte (oben) sowie (unten, von links) bei einer Holocaust-Gedenkveranstaltung in Israel mit zwei ihrer Urenkel, mit Mann Szmuel und ihren Söhnen Michael (links) und Danny sowie mit Lemgos Bürgermeister Dr. Reiner Austermann beim Eintrag ins Goldene Buch.

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Lippische Landes-Zeitung, 09.05.2017:

Karla Raveh nimmt Rollstuhl-Panne locker

Ehrenbürgerin im Anflug: Die Holocaust-Überlebende wird ihren 90. Geburtstag in Lemgo verbringen / Beim Umsteigen in München verpasst sie jedoch ihren Anschlussflug nach Hannover

Von Till Brand

Lemgo. Nach einer kleinen Odyssee sollten Ehrenbürgerin Karla Raveh und LZ-Mitarbeiterin Judith Stracke gestern Abend in Lemgo ankommen. Die Holocaust-Überlebende will ihren 90. Geburtstag am Montag in ihrer Geburtsstadt feiern. Sie nutzte daher die Gelegenheit - und flog mit Judith Stracke an ihrer Seite nach Deutschland.

Zunächst ging alles glatt. Am Flughafen von Tel Aviv fluppte es geradezu. "Man hat uns mit einem Golfwägelchen durch das komplette Terminal gefahren - so kamen wir auch schnurstracks an jeder der vielen Sicherheitskontrollen vorbei", berichtete Stracke nach der Zwischenladung, als sie in München wieder deutschen Boden betreten hatte.

Doch in der bayerischen Landeshauptstadt kam das böse Erwachen: Die beiden Flugreisenden verpassten ihren Anschluss um zwei Minuten. Der Lufthansa-Airbus war weg - Judith Stracke und Karla Raveh, gemeinsam gestrandet in der bayerischen Landeshauptstadt.

Das Problem: Am Flugsteig, an dem die Maschine aus Israel andockte, kam und kam der Rollstuhl nicht, der für die fast 90-jährige Karla Raveh für den Transport im Flughafen bestellt worden war. Humor und Spontaneität bewies da der Lufthansa-Pilot. Er bat Karla Raveh kurzerhand ins Cockpit, wo die Lemgoer Ehrenbürgerin sogar ganz vorn auf dem Chefsessel Platz nehmen durfte und ehrfurchtsvoll die vielen Knöpfe und Schalter bestaunte.

So gelang es zwar, die Wartezeit zu überbrücken, bis die Mitarbeiterin mit dem Rollstuhl eintraf. Doch die wertvollen Minuten, sie verrannen zusehends. "Als das Gerät dann endlich da war, hat uns eine Flughafenmitarbeiterin in einem Affenzahn an den Flugsteigen vorbei geschoben. Aber wir mussten noch mit dem Mini-Zug in ein anderes Terminal - da wurde es zu eng", betont Judith Stracke. Am Flugsteig angekommen, sahen die beiden ihre Maschine gerade noch zur Startbahn rollen. Die Türen zu. "Boarding completed" - aber leider ohne die beiden Lemgoer.

Für eine fast 90-Jährige ein Desaster, sollte man meinen. Doch weit gefehlt. Denn Karla Raveh ließ sich nicht aus dem Takt bringen, nahm es geradezu locker. "Wenn einer eine Reise macht, dann muss er was erzählen", meinte die 89-Jährige. Am Lufthansa-Schalter wurden ob der Verspätung erst einmal Verpflegungsgutscheine locker gemacht.

Damit zogen Karla Raveh und Judith Stracke schnurstracks zum Käfer-Bistro in Terminal 1. "Da wollte ich schon immer mal essen", kommentierte die Ehrenbürgerin die Wahl der Lokalität. Bei Käfer gab es dann Spargel für die Deutsch-Israelin. "Den liebe ich - und in Israel gibt es leider keinen Spargel", unterstrich Karla Raveh.

Unterdessen mischte sich noch das Lemgoer Reisebüro ein, über das der Flug gebucht worden war. Die Mitarbeiter dort hatten gesehen, dass Raveh und Co. ihren Flug verpasst hatten. Ging tatsächlich nichts vor dem ursprünglich angebotenen Ersatzflug, der erst um 17.55 Uhr starten sollte? Doch - ging. Bei einer anderen, eigentlich pickepackevollen Maschine waren Plätze frei geworden. Punkt 17.15 Uhr setzte Flug LH 2099 in Hannover auf der Landesbahn auf: noch dazu 35 Minuten vor der geplanten Zeit.

Ende gut, alles gut - am Ende stand eine lange Reise für die flugerprobte Ehrenbürgerin ("Ach, das ist gar nicht schlimm"). Nach der Landung bekannte sie: "Das war mein schönster Flug." Immerhin hatten die Stewardessen, kurz vor dem 90. Geburtstag, schon mal ein Gläschen Sekt ausgegeben, um anzustoßen.

Bildunterschrift: Im Cockpit: Karla Raveh darf auf dem Münchener Franz-Josef-Strauß-Flughafen auf dem Pilotensitz Platz nehmen.

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Lippische Landes-Zeitung, 09.05.2017:

Ehrenbürgerin nimmt Zwangspause in München mit Humor

Lemgo (tib). Karla Raveh, Holocaust-Überlebende und Ehrenbürgerin der Stadt Lemgo, hat sich entschieden, ihren 90. Geburtstag in ihrer Heimatstadt zu verbringen. Nachdem LZ-Mitarbeiterin Judith Stracke kurz vor dem Ehrentag nach Israel gereist war, um zu erfahren, wie die gebürtige Lemgoerin dort lebt, nutzte die 89-Jährige die Chance, in Begleitung nach Deutschland zu fliegen: So bestiegen Raveh und Stracke den Lufthansa-Airbus, der sie nach München brachte. Soweit so gut. Da aber in der bayerischen Landeshauptstadt der für Raveh bestellte Rollstuhl auf sich warten ließ, verstrich wertvolle Zeit. Am Ende verpasste das Duo so den Anschlussflug gen Hannover um wenige Minuten. Karla Raveh nahm es mit Humor: Sie wollte schon länger mal im Käfer-Bistro in Terminal 1 essen. Mit den Verspätungsgutscheinen der Lufthansa kein Problem ...

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Lippische Landes-Zeitung, 09.05.2017:

Lemgo: Karla Raveh feiert ihren 90. Geburtstag in Lemgo

Lemgo. Die Ehrenbürgerin und Holocaust-Überlebende Karla Raveh wird ihren Ehrentag in ihrer Geburtsstadt verbringen. Die Anreise aus Israel mit LZ-Mitarbeiterin Judith Stracke war aber alles andere als reibungslos. Mehr auf den ...

Seiten 9 und 17

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Lippische Landes-Zeitung, 06./07.05.2017:

"Ich habe das Deutsche noch in mir"

Besuch in Israel: LZ-Mitarbeiterin Judith Stracke ist bei Lemgos Ehrenbürgerin Karla Raveh zu Gast / Bei Blinis öffnet die Holocaust-Überlebende ihr Herz - sie hat Frieden mit ihrem Schicksal geschlossen

Von Judith Stracke

Kirjat Tiw’on. Mit (fast) 90 Jahren zum "Star"? Karla Ravehs ruhige Zeiten in Kirjat Tiw’on, in der Nähe von Haifa im Norden Israels, scheinen vorbei zu sein. Bislang hatte die Lemgoer Ehrenbürgerin, die am 15. Mai ihren Geburtstag feiert, ihr "Doppelleben" zwischen Tivon und Lemgo geheim halten können.

Das ist vorbei, seit sie über ihr Leben zwischen Heimat und Zuhause einen Kurzfilm mit einer Israelin gedreht hat. Zudem hat ihr Sohn Michael zum jüngsten Holocaust-Gedenktag zum ersten Mal eine Veranstaltung in Tiw’on organisiert, bei dem die Holocaust-Überlebende ihre Geschichte erzählte. Der Vortragssaal war überfüllt. Die Menschen saßen auf den Stufen, um ihr zu lauschen. Wie in Lemgo, in das Raveh seit 30 Jahren regelmäßig im Sommer zurückkehrt.

Auch am Freitag ist die LZ nicht alleine bei ihr daheim. Freunde aus der Schweiz sind da - und dann hat sich auch noch Besuch aus Tel Aviv angemeldet. "Es ist die Israelin, die mit mir den Film drehte. Sie ist es, die mich aus dem Schrank geholt hat", beschreibt Raveh ihren zunehmenden Starfaktor lächelnd.

Sie lebt in einer gemütlichen Drei-Zimmer-Wohnung - über Sohn Danny, neben Sohn Michael. An den Wänden: jede Menge Lemgo. Das Schloss Brake als Teller an der Wand. In einer Ecke Fotos aus der nach ihr benannten, von ihr geliebten Gesamtschule. Direkt darunter der Schrank mit den Mokkatassen und den Kristalltellern ihrer Mutter: fast das einzige, das sie in der Nazi-Zeit retten konnte.

Ihr Kühlschrank in der Küche mit Blick auf die Gebirgskette, die von Haifa bis nach Syrien reicht, ist größer als Karla Raveh selbst. Und voll. "Ich hatte viel Besuch in letzter Zeit", meint die 89-Jährige und greift zu den bereits vorbereiteten, mit Pilzen gefüllten Pfannkuchen, den so genannten jüdischen "Blinis". Mittagessen "wie bei Muttern".

"Israel ist mein Zuhause. Und nach 68 Jahren auch meine Heimat", sagt sie. Bereits in Theresienstadt wollte sie hierher. "Wenn ich hier rauskomme, dann gehe ich nach Palästina." Das hat sie ihren Eltern gesagt. Und sie hat den Wunsch wahr gemacht, den Wunsch, nach einer neuen Heimat, nach Geborgenheit, nach Sicherheit. Ins geheiligte Land auf dem Schiffsweg von Marseille im Sommer 1949, nachdem sie im Frühjahr in Lemgo geheiratet hatte: ihrem Mann hinterher, den sie vorgeschickt hatte.

Das neue Leben startet ohne Wohnung. Ohne Arbeit. Im Unterschlupf bei Verwandten ihres Mannes. "Deutschland wollte uns nicht mehr; und es war ohne meine Familie nicht mehr die Heimat, die es mal war", erzählt sie und nennt es die "Vertreibung aus einem warmen Heim". Aus dem Paradies ihrer Kindheit.

"Ich mag es, alleine zu sein"

Das hatte sie gefunden an der Trauerweide hinter der Pauli-Kirche der Echternstraße, bevor die Hölle kam. Vier KZs in drei Jahren. Und nach der Hölle? "Da ist auch das Paradies nicht mehr das gleiche", weiß sie. Sie tauscht ihre Trauerweide gegen den Granatapfelbaum, der an ihre Dachterrasse in Tivon stößt. Ab und an verlässt sie das Haus für einen Besuch bei ihrer Freundin in einer Buchhandlung oder für einen Schnack auf Hebräisch mit einer Israelin aus Rumänien auf einer Parkbank um die Ecke. Oder sie fährt mit dem Taxi in den Supermarkt, um den großen Kühlschrank zu füllen. "Ich mag es, alleine zu sein. Ich brauche das, lese gerne, gucke Fernsehen und muss ja auch alle zwei Tage meine zwei bis drei "Maile" schreiben", meint Karla Raveh.

Fünf Stunden die Woche hilft ihr Basma im Haushalt. Sie ist Araberin. "Das geht wunderbar mit den Arabern", die zu guten Nachbarn in den Siedlungen geworden seien, weiß Raveh. In Israel ist sie eine der "Jeckes". So werden die deutschen Juden genannt. "Weil sie immer eine Jacke getragen haben, auch wenn es noch so heiß war. Wir sind eben korrekt und ordentlich - auch nach fast 70 Jahren Israel hab ich noch das Deutsche in mir", bekennt sie. "Heimat ist da, wo du dich zu Hause fühlst und deine Familie ist", schiebt sie hinterher. Im Herzen einer Karla Raveh scheint Platz für mehr als eine Heimat und für viele Mitmenschen zu sein. Und für Vergebung: "Man muss Frieden mit seinem Schicksal machen."

Verfolgen Sie die Reise von Judith Stracke im Tagebuch unter LZ.de/israelim Internet.

Bildunterschrift: Wie bei "Muttern": Karla Raveh hat ihren Besuch aus Deutschland, LZ-Mitarbeiterin Judith Stracke, bekocht. Auch für sich selbst steht die 89-Jährige regelmäßig am Herd - wie bis vor einem Jahr noch für zwei ihrer Urenkel, die die benachbarte Grundschule besuchten.

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Lippische Landes-Zeitung, 06./07.05.2017:

Karla Raveh zeigt ihr Zuhause

Lemgo. LZ-Mitarbeiterin Judith Stracke ist bei Lemgos Ehrenbürgerin in Israel zu Gast.

Seite 17

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Lippische Landes-Zeitung, 04.05.2017:

Die LZ besucht Karla Raveh im Heiligen Land

Reise: Lemgos Ehrenbürgerin feiert am 15. Mai ihren 90. Geburtstag / LZ-Mitarbeiterin Judith Stracke will mehr erfahren über den Alltag der Holocaust-Überlebenden in Israel

Von Judith Stracke

Lemgo. Seit mehr als 30 Jahren kehrt Karla Raveh regelmäßig in ihre Geburtsstadt Lemgo zurück. 2010 hatte ich erstmals die Ehre, die Holocaust-Überlebende in ihrer Wohnung im Frenkel-Haus in der Echternstraße für die LZ zu interviewen: der Beginn einer wunderbaren, außergewöhnlichen Freundschaft. Am 15. Mai feiert Lemgos Ehrenbürgerin den 90. Geburtstag. Ein lang gehegter Wunsch wird wahr: Im Vorfeld besuche ich Karla Raveh in Israel.

Ihre Schilderungen über die Schrecken der Nazi-Zeit haben mich tief bewegt, Karla Ravehs Empathie, Herzlichkeit und Offenheit haben mich stark berührt. Ihr begegnen zu dürfen, ist ein Geschenk - ihr zuzuhören, ein Plädoyer für Leben und Menschlichkeit.

Am heutigen Donnerstag fliege ich zu ihr. Wie lebt sie im Heiligen Land? Wie blickt sie auf ihren 90. Geburtstag? Fragen, auf die ich mir Antworten erhoffe. Dass es keine All-Inclusive-Reise wird, habe ich schnell gemerkt. Schon die Buchung der Flugtickets im Reisebüro war alles andere als einfach. Von exakt genormten Passfotos war da die Rede und vom Nachweis über Einkommensverhältnisse. Auch der Grund meiner Reise sowie Hoteladressen mussten detailliert aufgelistet werden. Am Flughafen in Tel Aviv wird kein Reiseleiter auf mich warten.

Also habe ich die Israelische Botschaft in Berlin kontaktiert: Welche Unterlagen benötige ich für mein Vorhaben? Eine freundliche Dame erklärte, ich müsse mich bezüglich der Einreisebestimmungen für Journalisten an das Pressebüro der Regierung in Jerusalem wenden - bitte auf Englisch, es sei denn, ich sei des Hebräischen mächtig. All das überrascht mich ein wenig - führt mich die Reise ja nicht in den Gazastreifen, sondern lediglich in die Nähe des bekannten Badeortes Haifa am Mittelmeer, wo Karla Raveh als eine der weniger werdenden Holocaust-Überlebenden lebt.

Die Pressestelle in Jerusalem gibt den Ball zurück nach Berlin - Ende Februar der Anruf der Israelischen Botschaft in Berlin: Mitarbeiter Philipp Volkmann-Schluck klärt mich über die Einreisestimmungen ins Heilige Land auf. Ich benötige lediglich einen Reisepass, der mindestens sechs Monate gültig ist. Bei Sicherheitsfragen vom Flughafenpersonal oder Militär soll ich kurz und knapp antworten und nicht um den heißen Brei reden. Ein Dokument der LZ mit dem offiziellen Auftrag zu einer Reportage über das Leben von Karla Raveh in Israel in englischer Sprache wäre hilfreich. Nur für den Fall, dass es Schwierigkeiten mit den Sicherheitskräften und meiner Ausrüstung gibt.

Und die Stempel der marokkanischen Behörden von vergangenen Urlaubsreisen in meinem Pass? Dürften kein Problem sein, beruhigt mich Botschaftsmitarbeiter Philipp Volkmann-Schluck. Einen internationalen Presseausweis? Benötige ich nicht, meint er.

Heute kann es also losgehen. Der Koffer und die Ausrüstung sind gepackt. Meine Reise führt mich für fünf Tage von Hannover über Zürich nach Tel Aviv. Per Mietwagen soll es von dort entlang des Mittelmeeres weitergehen in den bekannten Badeort Haifa und dann nach Kirjat Tiw’on. Dort lebt Karla Raveh seit vielen Jahren zurückgezogen.

Von dort und wo immer es mich noch hinführt, werde ich berichten. Nun heißt es also "Schalom aus Haifa". Mit Respekt und dem Wissen: Es ist immer gut, ein Ziel zu verfolgen, aber letzten Endes ist es doch die Reise, die zählt ...

Neben weiteren Berichten in der gedruckten Ausgabe verfolgen Sie Judith Stracke auf ihrer Route auf www.LZ.de/israel im Internet.

Bildunterschrift: Heute geht es los: Vor ihrem Abflug (Reiseroute rechts) stellt sich LZ-Mitarbeiterin Judith Stracke noch mit Israel-Flagge am Geburtshaus Karla Ravehs in der Echternstraße auf.

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Lippische Landes-Zeitung, 04.05.2017:

Karla Raveh empfängt die LZ in Israel

Lemgo. Die Ehrenbürgerin der Stadt und Holocaust-Überlebende Karla Raveh feiert in wenigen Tagen ihren 90. Geburtstag. LZ-Mitarbeiterin Judith Stracke fliegt zu ihr nach Israel.

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