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Neue Westfälische 07 - Gütersloh , 12.11.2012 :

Nazis vertrieben jüdische Familien / Zwei Veranstaltungen erinnern an Pogrom 1938

Harsewinkel (joe). Gedacht und mahnend erinnert wurde an 20 Harsewinkler am Freitagabend auf dem jüdischen Friedhof. Dabei ging es besonders um der Vertreibung der jüdischen Familien Mendels und Lorch aus Harsewinkel am 10. November 1938 durch Nationalsozialisten in der Pogromnacht, doch auch um den darauf folgenden Holocaust.

Erinnert wurde mit der Veranstaltung auch an die Familie Meinberg, die ebenfalls lange in Harsewinkel lebte. Sie siedelte 1877 nach Gütersloh über und wurde während des nationalsozialistischen Regimes von dort vertrieben wurde, wie Stadtarchivar Eckhard Möller erklärte.

Die Realschülerinnen aus verschiedenen Zehnerklassen Alessa Dieckamp (16), Rebecca Jasper (16), Fatma Büyük (15), Evelina Buss (15), Ina Hildebrandt (15), Gamze Aksoy, Deygu Sahin und Daniela Sudermann (alle 16) trugen Geschichten von Kindern vor, die damals nach England flohen.

"Zur Stunde des Abschieds hat niemand geahnt, dass es ein Abschied für immer ist", sagte Möller. Die Kinder seien in Heime oder Gastfamilie gekommen. Mit dem Buch und Dokumentarfilm "Kindertransport in eine fremde Welt" vom Marc Jonatan Harris (Regie) und Deborah Oppenheimer (Produktion) sei den "Kindern ein dauerhaftes Denkmal gesetzt" worden.

Am Abend las Esther Dischereit aus dem Buch "Vor den Hohen Feiertagen gab es ein Flüstern und Rascheln im Haus". In dem Gedichtband der jüdisch-deutschen Erzählerin, die 2009 den Erich-Fried-Preis erhielt, stehen Details aus dem Leben von Juden und Nichtjuden in Dülmen im Mittelpunkt. Es sind unvollständige Erinnerungsstücke, gekennzeichnet durch die Vergangenheit.

Das Verschwinden jüdischen Lebens, das die Erinnerungen in den Texten thematisiert, steht idealtypisch für die Ausgrenzung und Vertreibung der Juden aus einer kleinstädtischen Gesellschaft. Das geschah auch in Harsewinkel. Es war das stumme Weggucken und stille Zusehen, das die Ermordung der Juden möglich gemacht hat.

Bildunterschrift: Las in der Bücherei: Die Autorin Esther Dischereit.


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