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Schaumburger Zeitung , 08.02.2007 :

Drei Staatsanwaltschaften ermitteln gegen Neonazis / Anklagen wegen Körperverletzung gegen die aktivsten Schaumburger Rechtsradikalen / Internet-Seite wird überprüft

Kreis Schaumburg. Das Eis wird dünner für Schaumburgs Rechtsradikale: Gewaltausbrüche der Vergangenheit holen die Neonazis juristisch ein. Gleich drei Staatsanwaltschaften aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ermitteln gegen Mitglieder der Schaumburger rechten Szene, in mehreren Fällen wurde Anklage erhoben, ein Verfahren vor dem Amtsgericht Stolzenau steht bevor – dort droht dem vorbestraften Lindhorster Arwid S., einem der Aktivposten der Szene, eine Freiheitsstrafe.

Kreis Schaumburg. Die zuständige Staatsanwaltschaft Verden klagt den 22-jährigen Lindhorster wegen Körperverletzung an. Am 5. August vorigen Jahres soll er den Hausherrn einer Geburtstagsfeier in Rehburg-Loccum mit einer leeren Flasche geschlagen haben, der Mann erlitt eine Platzwunde. Arwid S. stand zum Zeitpunkt der Tat unter Bewährung. Die Verhandlung vor dem Amtsgericht Stolzenau ist für den 14. März angesetzt. Bei einem Schuldspruch droht eine Haftstrafe, die Szene könnte eines ihrer aktivsten Mitglieder verlieren.

Bewährungschancen haben Arwid S. bisher eher wenig diszipliniert. Unter Bewährung stand S. auch im April vorigen Jahres, als er vor seiner Wohnung ausrastete. Offenbar, weil die Lindhorster Nachtruhe gestört wurde, verpasste er einem Passanten ein blaues Auge und schoss mit der Gaspistole in die Luft. Später beleidigte er noch einen Polizeibeamten. Dafür kassierte der Neonazi vom Amtsgericht Stadthagen per Strafbefehl eine sechsmonatige Haftstrafe, erneut auf Bewährung.

Mit Bierkrügen zusammengeschlagen

Damit nicht genug: Neben dem Verfahren in Stolzenau stapeln sich auch beim Amtsgericht Stadthagen schon wieder neue Akten, nach denen S. Autoscheiben zerschlagen, mit Polizisten gerangelt und erneut in Prügeleien verwickelt gewesen sein soll. Die Staatsanwaltschaft Bückeburg hat inzwischen Anklage wegen Sachbeschädigung, Widerstandes gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung erhoben. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft noch im Fall einer Schlägerei unter Rechtsradikalen in Lindhorst.

Auch andere Mitglieder der Schaumburger rechten Szene stehen im Visier der Justiz. Ein Verfahren vor dem Amtsgericht Minden rollt eine Schützenfest-Schlägerei in Porta Westfalica vom 2. Juli 2005 auf. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat in dieser Sache inzwischen Anklage gegen drei Schaumburger Neonazis erhoben: Marcus W., Marco S. und Jan N. müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten.

Alle drei sollen einen Festteilnehmer mit Fausthieben und Bierkrügen zusammengeschlagen und am Kopf verletzt haben. Auch zwei herbeieilende Helfer sollen mit Bierkrügen am Kopf getroffen, ein am Boden liegendes Opfer mit Reizgas besprüht, geschlagen und getreten worden sein. Auslöser der Gewalt war offenbar ein T-Shirt des Festteilnehmers – mit dem Aufdruck "Gegen Nazis".

Auch für Marcus W., den führenden Kopf der Schaumburger Neonazis, könnte es bei einer Verurteilung eng werden. Auch W. stand nach einer Freiheitsstrafe zur Tatzeit unter Bewährung.

Verfahren wegen Volksverhetzung?

Ebenfalls durch die Staatsanwaltschaft Bielefeld angeklagt wird Dirk F. aus Nienburg: Er soll auf einer Veranstaltung über Aussteiger aus der rechten Szene in Minden mit einem radikal antisemitischen Statement aufgefallen sein.

Der jüngste Ermittlungsfall im rechten Milieu ist erst wenige Tage alt: Die Staatsanwaltschaft Bückeburg überprüft derzeit den Internet-Auftritt der "Nationalen Offensive Schaumburg", für den Marcus W. verantwortlich ist.

Auf der rechtsradikalen Seite ist unter anderem ein Bericht zu lesen, in dem Holocaust-Überlebende in nationalsozialistischer Terminologie mit "Volksschädlingen" assoziiert und als geldgierige "Mischpoke" diffamiert werden. Ein Verfahren wegen Volksverhetzung könnte die Folge sein.




Anmerkung von www.hiergeblieben.de: Artikel über Arwid Strelow, Marcus Winter (Lindhost), Marco Siedbürger, Dirk Fasold (Nienburg) und Jan Neumann (Obernkirchen).


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