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Neue Westfälische , 06.01.2007 :

"Das Haus ist zum Zentrum der Holocaust-Leugner geworden" / Interview: Bernhard Wagner, Mitglied des Vlothoer Bündnisses gegen das Collegium Humanum

Das Collegium ist Treffpunkt für Neonazis aus ganz Deutschland. Welche Bedrohung von ihnen ausgeht, erklärt Bernhard Wagner vom Bündnis im Gespräch mit Wiebke Johanning.

Herr Wagner, welche Bedeutung hat das Collegium Humanum für die rechte Szene?

Bernhard Wagner: Zum einen trifft sich dort die regionale Neonazi-Szene, weil sie hier ungestört ihre Konzerte, Kameradschaftstreffen und Schulungen durchführen kann, ohne von Gegendemonstranten gestört zu werden. Zum anderen ist das Collegium das Zentrum für die gesetztere und mehr akademische Szene der NS-Verherrlicher und Holocaust-Leugner. Diese Leute träumen ernsthaft von der Errichtung eines "Vierten Reiches".

In die Schlagzeilen gekommen ist das Collegium Humanum in der letzten Zeit aber durch Leute wie Horst Mahler.

Wagner: Stimmt. 2003 wurde der "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" – kurz VRBHV – in Vlotho gegründet. Und die Mitgliederliste liest sich wie das Who-is-who der Holocaust-Leugner-Szene. Der bekannteste Vertreter ist sicherlich der Ex-RAF-Anwalt Horst Mahler. Aber auch Manfred Röder, der rechtsradikale Liedermacher Frank Rennecke, der Deutsch-Kanadier Ernst Zündel, der Franzose Robert Faurisson und Ursula Haverbeck selbst gehören zu dem Verein. Das Haus ist damit zum internationalen Zentrum der Holocaust-Leugner geworden.

Welches Ziel verfolgt der Verein?

Wagner: Erklärtes Ziel dieser Leute ist es, den Holocaust so häufig in der Öffentlichkeit zu leugnen, bis die Strafverfolgungsbehörden kapitulieren und diese Volksverhetzung letztlich straffrei bleibt. Mahler und Haverbeck behaupten zum Beispiel ganz offen in Flugblättern und im Internet, dass es Auschwitz nicht gegeben hat.

Und die Justiz greift nicht ein?

Wagner: Doch. Horst Mahler sitzt ja zur Zeit wegen Volksverhetzung im Gefängnis. Ursula Haverbeck ist bereits zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Aber nicht jeder Vorfall wird konsequent verfolgt, manche Verfahren werden auch wieder eingestellt. Darauf spekulieren diese Leute natürlich.

Wie stehen die Chancen, dass Collegium Humanum zu schließen?

Wagner: Der Trägerverein des Collegium Humanums ist eng verknüpft mit dem VRBHV, der NS-Verbrechen verherrlicht und den Mord an den europäischen Juden leugnet. Das sind gute Argumente für ein Verbot, und dann würde auch der Besitz des Vereins, sprich das Gebäude, eingezogen. Aber für ein solches Verbot bedarf es auch des politischen Willens, diesen Leuten das Handwerk zu legen.

Aber geht denn vom Collegium Humanum eine wirkliche Gefahr aus?

Wagner: Das kommt darauf an, wie man Gefahr definiert. Gewalttätige Übergriffe gab es am Collegium bisher nicht. Aber was dort stattfindet, ist eine permanente Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus. Das ist auch eine Form von Grausamkeit. Ich denke, unsere Gesellschaft täte gut daran, diesem Treiben Einhalt zu gebieten.

Bildunterschrift: Stützpunkt der Rechtsradikalen: Das Collegium Humanum liegt abgeschieden am Stadtrand von Vlotho.

06./07.01.2007
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