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WDR: Lokalzeit OWL aktuell , 04.05.2001 :

Karl Friedrich Titho – ehemaliger Lagerleiter von Fossoli

Von Silvia Bose

Anmoderation:

Karl Friedrich Titho lebt seit fast fünfzig Jahren in Horn. Jetzt holt ihn seine Vergangenheit ein. Der ehemalige SS-Offizier leitete 1944 das Polizeidurchgangslager Fossoli in Norditalien. Dort wurden unter anderem Juden zusammengetrieben, in Vernichtungslager deportiert und auch 67 Häftlinge erschossen. Dafür wurde Titho nicht verurteilt, aber für seine Taten in den Niederlanden: Weil er an der Erschießung von Kriegsgefangenen beteiligt war und Häftlinge misshandelt hat, wurde er 1951 verurteilt. Zwei von sieben Jahren Gefängnis hat er verbüßt, dann wurde er nach Deutschland abgeschoben. Seitdem lebt Karl Friedrich Titho wieder in seiner lippischen Heimat. Angestoßen von der Detmolder "Arbeitsgemeinschaft Fossoli" diskutieren die Horner Bürger nun die Vergangenheit ihres Nachbarn – und den Umgang unserer Gesellschaft mit NS-Tätern. Heute diskutieren die Bürger in einer Veranstaltung die Vergangenheit des ehemaligen SS-Offiziers: Titho leitete 1944 das Polizeidurchgangslager Fossoli in Norditalien. Gegenüber dem italienischen Fernsehsender RAI hat er jetzt erstmals eine Teilschuld eingeräumt.

Bild und Ton von Karl Friedrich Titho:

"Ich bin mir im Klaren darüber, dass ich als damaliges Mitglied der SS eine Mitschuld an den Taten habe, die von der SS in meinem Tätigkeitsumfeld verübt wurden. Dies belastet mich seit Jahrzehnten und ich möchte auf diesem Weg Opfer und Angehörige um Verzeihung bitten."

Bilder von Fossoli (1944 und 2001), Moderation:

Fossoli 1944 - als Karl Friedrich Titho das Lager in Norditalien leitete, wurden mehr als 3.000 Juden in Vernichtungslager deportiert und 67 Gefangene erschossen. Deutsche Staatsanwälte ermittelten zwar, stellten aber 1971 das Verfahren ein. Kein Einzelfall, weiß die Detmolder "Arbeitsgemeinschaft Fossoli".

Bild und Ton von Dieter Zoremba, Arbeitsgemeinschaft Fossoli:

"Nach dem Nationalsozialismus in Deutschland hat man ein paar Nazigrößen belangt – von Militärgerichten und einige wenige auch von deutschen Gerichten. Man hat sich mit der Aburteilung einiger Größen dieser Geschichte entledigt. Man hat sich nicht mehr um Menschen gekümmert, die auf anderen Ebenen Täter waren. Insofern ist der Fall Titho sehr typisch."

Bilder der Innenstadt von Horn, Moderation:

Im lippischen Horn will die "Arbeitsgemeinschaft Fossoli" den Fall Titho juristisch neu aufarbeiten. Und eine Diskussion über den Umgang mit NS-Tätern anstoßen. Die Horner Bürger sind im Fall Titho durchaus unterschiedlicher Meinung.

Bilder der Innenstadt von Horn, Umfrage:

Ein Mann: "Wenn da jemand ist, der so eine Verantwortung hatte, dann sollte er sie auch so lange behalten, bis er dafür gerade steht." Ein Mann: "Lassen 'se mich damit in Ruhe. Das ist ein alter Mann. Der hat genauso seine Pflicht getan wie jeder andere auch." Eine Frau: "Das ist doch schon lange her, das sollte doch mal vergessen sein. So ist das eigentlich ein lieber, netter Mann gewesen."

Bilder der Innenstadt von Horn, Moderation:

An der Horner Stadtverwaltung sind die Diskussionen nicht spurlos vorüber gegangen. Die Stadt will in ihren Mauern eine Straße nach dem aus Fossoli deportierten und ermordeten Mädchen Gina Labi benennen. Und die Stadt Horn erwägt, in Fossoli einen Gedenkstein zu errichten.

Bild und Ton von Eberhard Block, Bürgermeister von Horn-Bad Meinberg:

"Um ein Signal zu setzen. Ein Signal für die Bevölkerung vor Ort, aber auch um der italienischen Bevölkerung zu zeigen: Wir stellen uns der Verantwortung, auch wenn wir keine Schuld tragen. Wir sind uns aber natürlich im Klaren, dass wir in gewissem Maße damit zu tun haben, weil das nun einmal ein Bürger unserer Stadt ist – auch wenn der unmittelbare Zusammenhang mit dem Gemeinwesen natürlich nicht besteht."

Bilder vom Rathaus, Moderation:

In Horn werden sich Bürger noch länger mit dem Fall Titho beschäftigen. Demnächst sollen hier Fossoli-Überlebende ihre Geschichte erzählen.


studio.bielefeld@wdr.de

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