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Lippische Landes-Zeitung , 23.01.2007 :

Mutige Spurensuche / Hartmut Topf gab bei Ausstellung "Techniker der Endlösung" einen ganz persönlichen Bericht

Lage (mib). Mit solch großem Andrang hatte Museumsleiter Willi Kulke nicht gerechnet: Immer wieder mussten Stühle herangeschafft werden, damit alle 125 Besucher beim Vortrag von Hartmut Topf einen Platz fanden. Der Berliner Journalist war gekommen, um im Rahmen der Ausstellung "Techniker der Endlösung. Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz" über seinen Umgang mit der grauenvollen Geschichte seiner Familie zu sprechen.

Elf oder zwölf Jahre müsse er gewesen sein, erzählte der Urenkel des Firmengründers am Sonntag im Ziegeleimuseum, als er in Wochenschaubildern im Kino Verbrennungsöfen der Konzentrationslager gesehen habe. Dabei sei als Erbauer der Name eine Erfurter Firma genannt worden.

Auch das Firmenzeichen sei deutlich zu sehen gewesen. "Das Zeichen kannte ich, den Namen trug ich. Ob das meine Verwandten seien, wurde ich damals gefragt. Kein Zweifel, es waren 'meine Leute', die ich nicht kannte", beschrieb Hartmut Topf seinen ersten Kontakt mit der düsteren Seite der Familiengeschichte. Auf sein Nachfragen in der Familie und bei befreundeten Nachbarn habe er nur hilflose, unwissende Kommentare geerntet.

Doch Hartmut Topf ließ nicht locker. "Es dauerte lange, bis ich in Erfurt mit Hilfe meines älteren Vetters Dietrich eine vorsichtige Spurensuche zur Geschichte der Familie und Firma beginnen und historische Dokumente an mich bringen konnte", beschreibt er seine Bemühungen nach seiner Lehrzeit. Lebensläufe, Testamente, Fotos, Liebesbriefe, Verträge, Firmenprospekte, eine Bierzeitung zum 60-jährigen Bestehen der Firma aus dem Jahr 1938 - all dies waren Puzzleteile, die nach und nach das Bild eines Unternehmens zeichneten, das die Technik für den Genozid lieferte.

"Firmengelände ein Täterort"
Hartmut Topf

Das Firmengelände, so Hartmut Topf weiter, sei heute eine ziemlich verwahrloste Industriebrache, "aber ein historischer Ort, eben ein Täterort. Hier haben ziemlich normale Arbeiter, Ingenieure, Kaufleute und Unternehmer durch Wertarbeit Krematorien für den Massenmord entworfen, berechnet, haben gasdichte Türen und Entlüftungssysteme für Gaskammern angefertigt und sich von den Mördern bezahlen lassen."

Dank der Recherchen des französischen Historikers Jean-Claude Pressac und der Forschungsarbeit in den Gedenkstätten Buchenwald wissen wir heute Genaues vom organisierten Massenmord in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. In Erfurt, so erfuhren die Vortragsgäste, wurde in den 90er Jahren ein Förderkreis zur Geschichtsarbeit am authentischen Ort gegründet. 2004 wurden mehrere Gebäude auf der Industriebrache unter Denkmalschutz gestellt. Inzwischen verrotten sie immer mehr. Das Gelände ist noch in Privatbesitz. Hartmut Topf hofft nun, dass die Stadt endlich aktiv wird, damit ein Teil der Betriebsstätten als Gedenkstätte erhalten bleibt.


Lage@lz-online.de

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