Lippische Landes-Zeitung ,
05.10.1989 :
Mahnwache und Demonstration gegen 5. Bundesparteitag der Nationalistischen Front in Detmold / Menschenkette rund um das NF-Zentrum
Detmold. Die Nationalistische Front (NF) beabsichtigt, ihren 5. Bundesparteitag am 7. Oktober von 9 bis 17 Uhr im NF-Zentrum in Detmold-Pivitsheide V.L. zu veranstalten. Sie erwartet dazu nach Erkenntnis der Polizei etwa 30 bis 50 Delegierte. Der Parteitag der zwar als verfassungsfeindlich eingestuften, bisher aber nicht verbotenen NF ist ordnungsgemäß angemeldet worden. Demnach wäre es Aufgabe der Polizei, einerseits den Delegierten sicheres Geleit zum Tagungsort, andererseits die störungsfreie Durchführung der ebenfalls angemeldeten gewaltfreien Demonstration der "Initiative Pivitsheider Bürgerinnen und Bürger gegen ein Nazizentrum" zu gewährleisten.
Dass die Stadt Detmold gestern mittag eine Verbotsverfügung gegen den NF-Parteitag erlassen hat, ist für Polizeidirektor Schilling noch kein Grund zur "Entwarnung". Es ist zu erwarten, dass die "Nationalistische Front" das Verwaltungsgericht Minden anruft und eine "einstweilige Verfügung" erwirkt. Gegen die "einstweilige Verfügung" dürfte die Stadt Detmold ihrerseits Einspruch beim Oberverwaltungsgericht Münster einlegen, über den vermutlich termingerecht nicht mehr entschieden werden könnte. In diesem "Schwebezustand" müsste die Polizei zwar den freien Zugang der Delegierten zum Tagungslokal nicht mehr garantieren, könnte aber nicht verhindern, dass das NF-Treffen - etwa in anderer Form - unter anderer Bezeichnung trotzdem durchgeführt wird. Die Pivitsheider Bürgerinitiative will ihre Demonstration auf jeden Fall durchführen. Sie richtet sich nämlich nicht nur gegen den geplanten Parteitag, sondern auch gegen die Neonazi-Einrichtung in den Mauern der Stadt generell und gegen hier bereits geplante weitere bundesweite Seminare.
Die Initiative plant für Freitag in der Zeit von 17 bis etwa 22 Uhr eine sogeannte "Mahnwache" mit Fackeln vor dem NF-Gebäude in der Quellenstraße, bei der mit etwa 500 Teilnehmern gerechnet wird. Die Demonstration am Sonnabend, zu der mindestens 2000 Teilnehmer erwartet werden, die zu einem Teil auch (in 25 Bussen) von außerhalb Lippes anreisen, soll sich über den ganzen Tag (von 9 bis 17 Uhr) erstrecken und in eine zu bildende Menschenkette rund um das Anwesen der NF einmünden.
Die Veranstalter sind entschlossen, durch Einsatz ausreichend eigener Ordner einen gewaltfreien Ablauf der Demonstration zu gewährleisten. Dass ihnen das gelingt, davon sind auch Polizeidirektor Schilling und sein Einsatzstab überzeugt, so lange jedenfalls, wie sich keine "Berufsprovokateure" unter die Menge mischen. Es ist daher das Bemühen der eingesetzten starken Polizeikräfte, Gewalttäter - gleich von welcher Seite - schon im Vorfeld einzugrenzen, andererseits nur bei strafbaren Handlungen einzuschreiten. Polizeidirektor Schilling: "Unser Konzept heißt 'Deeskalation'. Die Waffe der Polizei ist das gesprochene Wort!"
In diesem Sinne werden auch Flugblätter an die Demonstranten verteilt. Die Bevölkerung im Umkreis wird von Polizei und Initiative um Verständnis für unvermeidbare Belästigungen gebeten. So werden die Quellenstraße und der Fizweg (als Notzufahrt) am Freitag ab 17 Uhr für jeden Verkehr gesperrt. Busse werden - bei unvermeidbaren Behinderungen auf der Augustdorfer Straße - von Polizeibeamten auf den Parkplatz am "Eichenkrug", Pkws auf den Papenmeier-Parkplatz an der Sandstraße eingewiesen. Vor dem NF-Zentrum wird eine durch Gitter gesicherte "Pufferzone" eingerichtet, um unbeabsichtigte Sachbeschädigungen zu vermeiden. Das Gebiet rund um das "Parteitagsgelände" wird durch Einsatz eines "Lichtmastkraftwagens" taghell ausgeleuchtet.
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