Schaumburger Zeitung ,
24.11.2001 :
Bundesverfassungsgericht / Verbot der Demonstration /
Neonazis dürfen nicht in Rinteln marschieren
Rinteln. Es bleibt dabei: Die für heute geplante Demonstration von Neonazis in Rinteln ist verboten. In letzter Instanz hat gestern Abend das Bundesverfassungsgericht den Aufmarsch verhindert. Die Verfassungsrichter wiesen einen Eilantrag der Veranstalter ab. Zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht die Verbotsverfügung der Stadt bestätigt. Mit einem illegalen Aufmarsch der Neonazis rechnet die Stadt zwar nicht, die Polizei jedoch ist gerüstet: Sie wird das Verbot notfalls durchsetzen. Erlaubt ist eine Gegendemonstration, die heute um 8.30 Uhr am Bahnhof beginnen soll.
"Wir sind auf alles vorbereitet", erklärte ein Polizeisprecher gestern. Die bis zum Abend unklare Rechtslage hat auch die Beamten des Einsatzstabes in Atem gehalten. Erst um 18.45 Uhr brachte ein Fax aus Karlsruhe endgültig Entwarnung: Das Versammlungsverbot bleibt bestehen.
Am Vormittag hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Beschwerde des Rintelner Antragstellers verworfen. Das OVG bestätigte die Rechtsposition von Stadt und Verwaltungsgericht, die den Aufmarsch mit Blick auf das Vorstrafenregister des Demonstrationsleiters untersagt hatten. "Aufgrund der Person des Antragstellers" bestehe "die Gefahr eines Verstoßes gegen die"öffentliche Sicherheit unmittelbar in einer das Verbot rechtfertigenden Weise", begründete das Oberverwaltungsgericht.
Es bestünden "ernsthafte Zweifel" an der Reife und am "persönlichen Vermögen" des Antragstellers. Das OVG attestiert dem Rintelner "erhebliche kriminelle Energie" und eine "hohe Gewaltbereitschaft".
Eine interne Blamage für den polizeibekannten Rechtsradikalen Marcus W., der sich innerhalb der "Freien Kameradschaften" wohl gerne die Lorbeeren eines Organisationstalentes verdient hätte. Es gehört zur Strategie der rechten Szene, sich als friedfertige Hüter des Rechtstaates zu gebärden, um die "Antifa" als gewalttätige Störenfriede diffamieren zu können. "Gegen die Kumpanei von Staat und Antifa" wollten die Neonazis denn auch in Rinteln aufmarschieren.
Ein Deutungsmuster, das die Richter im Fall von Marcus W. gründlich demontierten: Dem (unter anderem wegen gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung und Körperverletzung) mehrfach Vorbestraften scheine es angesichts früherer Auseinandersetzungen mit der "Antifa" nicht um bloße Meinungsäußerung zu gehen, sondern um eine "militante Konfrontation ... mit den als 'linker Pöbel' bezeichneten Gegnern der 'nationalen Opposition'". Außerdem wies das OVG auf die von W. "selbst eingeräumte Neigung zu Übermäßigem Alkoholgenuss" hin.
Damit hat die Stadt zum zweiten Mal eine legale Neonazi-Kundgebung in Rinteln verhindert. Bereits im Mai hatte die "Freie Kameradschaft Beekebreite" eine Kundgebung gegen "Ausländerterror und Überfremdung" angemeldet. Das ausländerfeindliche Motto von damals war für das Gericht ein weiterer Grund, an der Friedfertigkeit des Veranstalters zu zweifeln.
Mit dem OVG-Beschluss war der Rechtsweg ausgeschöpft, nur eine Verfassungsbeschwerde blieb den Veranstaltern noch. Gegen 15 Uhr lief in Karlsruhe ein entsprechender Eilantrag einer Hamburger Rechtsanwältin vom Fax - vergeblich. Auch ein ebenfalls für heute geplanter Aufmarsch in Winterberg wurde von höchster Stelle untersagt. Offiziell angemeldet wurde gestern eine Gegendemonstration, die heute um 8.30 Uhr am Bahnhof beginnen und zum Marktplatz führen soll. Hinter der Demonstration steht ein spontan von "Antifa"-Aktivisten ins Leben gerufenes "Schaumburger Bündnis gegen Rassismus und Faschismus". Erwartet werden rund 100 Teilnehmer.
24./25.11.2001
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