Schaumburger Zeitung ,
13.05.2002 :
Dem Hass ein Fest entgegensetzen
Rinteln (ur). Am 1. Juni soll auf dem Marktplatz ein internationales Kulturfest mit Musik, Tanz, Theatervorführungen, Ständen und kulinarischen Spezialitäten aus aller Welt stattfinden. Das ist das Ergebnis eines "Runden Tisches" im Rathaus und Reaktion auf die geplante Neonazi-Demonstration.
Auf Einladung der grünen Kreisvorsitzenden Astrid Barenscheer-Heisecke und in Anwesenheit von Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz kamen jetzt im Sitzungssaal des Rathauses Vertreter von Kirchen, Gewerkschaften, Schulen, Kulturvereinen, Polizei und Einzelpersönlichkeiten zusammen, um über eine Initiative für Integration und Toleranz zu beraten. Eingangs stellte Stephan Hartmann von der Integrationsberatung der Arbeiterwohlfahrt die kreisweite Aktion "Schaumburg ist bunt" vor.
Aktueller Anlass für das Gespräch: Für den 1. Juni hat der bundesweit agierende Neonazi Christian Worch eine Demonstration in Rinteln angemeldet, für die seit Wochen via Internet in der Extremistenszene getrommelt wird. In diesem gewaltbereiten Netzwerk wird offenbar versucht, die kriminellen Kräfte der "Schaumburger Kameradschaft" in der Präsenz auf der Straße zu stärken. Nicht von ungefähr wurden die derzeit auf der Flucht befindlichen Rintelner Rädelsführer dieser Gruppierung wiederholt bei überregionalen Treffen von NPD und anderen Organisationen des braunen Rands als Leibwächter für Funktionäre wie Horst Mahler eingesetzt.
Die Teilnehmer der Diskussion waren sich einig, auch in Rinteln ein möglichst breites Bündnis für Verständigung und Integration zu organisieren. "Wir definieren uns nicht gegen irgendwelche Extremisten, sondern für ein gutnachbarschaftliches Miteinander in unserer Stadt", hieß es dazu aus dem Teilnehmerkreis. Die Anwesenden kamen überein, am 1. Juni auf dem Marktplatz ein internationales Kulturfest zu organisieren, mit Musik und Tanz, Theatervorführungen und Ständen mit kulinarischen Spezialitäten aus aller Welt, "damit man sieht, wofür Rinteln wirklich steht".
Die Durchführung einer Demonstration fand nur wenige Fürsprecher: "Wir müssen Formen entwickeln, an denen sich möglichst viele Rintelnerinnen und Rintelner beteiligen können. Spontan fand sich die Arbeiterwohlfahrt bereit, ihr Büro am Kirchplatz für die Organisation des Festes zur Verfügung zu stellen. Bernhard Priesmeier wurde mit der Koordination des Kulturfestes beauftragt. Als Schirmherr wurde Bürgermeister Karl Heinz Buchholz vorgeschlagen. Im übrigen will die Stadt auch diesmal versuchen, die juristischen Handlungsmöglichkeiten gegen den Nazi-Aufmarsch auszuloten. Dass solche Schritte erfolgreich sind, kann leider nicht als sicher gelten: Immerhin sollte den Gerichten aber zu denken geben, dass die örtliche "Führungsstruktur" derzeit polizeilich gesucht wird.
Spontan wurde aus der Versammlung heraus beschlossen, einen Aufruf zur Veranstaltung am 1. Juni zu entwickeln. Diese "Rintelner Erklärung gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus" wurde bereits am Mittwochabend in einem kleineren Gremium formuliert und kann auf Erstunterzeichner wie den ev.-lutherischen Superintendenten Dr. Peter Neumann und Berufsschulpfarrer Gerd Brinkmann verweisen. Auch der DGB und ver.di, die Grünen und die SPD sowie weitere Gruppen haben ihre Unterstützung signalisiert und in einer Sitzung von Gemeinderat und Gemeindevertretung der ev.-reformierten Gemeinde trat man der Erklärung in einstimmiger Entscheidung bei.
In der Rintelner Erklärung (zu der übrigens auch Anregungen aus einer Berufsschulklasse kamen), heißt es u.a. "Rinteln ist eine offene, menschliche und liebenswerte Stadt. Deshalb weisen wir alle Versuche rechtsextremistischer Kreise zurück, am 1. Juni auf einem Marsch durch die Stadt mit Parolen und Hetzreden gegen ausländische, andersgläubige oder behinderte Mitbürger anzutreten und die Rintelnerinnen und Rintelner einzuschüchtern. Wir halten den Parolen der Neonazis unseren Willen zum Leben in Gemeinsamkeit und friedlichem Miteinander entgegen mit einem Kulturfest der Nationen unter dem Motto Rinteln ist bunt."
Wer dazu beitragen will, dass Rinteln eindrucksvoll sein "Nein" gegen Intoleranz und Hass dokumentiert, kann sich mit der Initiative in Verbindung setzen. Das nächste Organisationsgespräch findet am kommenden Mittwoch um 19 Uhr im AWO-Büro am Kirchplatz statt.
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