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Schaumburger Zeitung , 13.11.2002 :

Demonstrant erhält glatten Freispruch

Barsinghausen (mi). Wegen Landfriedensbruch musste sich gestern ein Teilnehmer der Demonstration gegen Rechtsextremismus verantworten. Er erhielt einen klassischen Freispruch, weil der Tatbestand des Landfriedensbruchs nicht anzuwenden war.

Der Aufmarsch der Neo-Nazis in Barsinghausen am 9. März hatte gestern für einen Antifaschisten ein gerichtliches Nachspiel. Ihm wurde vorgeworfen, einen Stand der NPD an der Ecke Breite Straße umgeworfen und beschädigt zu haben. Das alles sollte er aus einer Menschenmenge heraus in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise begangen haben.

Der 37-jährige ledige Tischler wollte zwar zur Sache aussagen, doch außer einem umfangreichen Beitrag zum Landfriedensbruch-Paragrafen im Strafgesetzbuch, heftigen Angriffen an die rechte Szene und schwere Kritik an Verantwortliche in Barsinghausen war zur Sache nichts zu vernehmen. Ausgerechnet die Aussage des festnehmenden Polizeibeamten, der zu einer Braunschweiger Sondereinheit gehörte, entlastete den Angeklagten und brachte die Anklage schon frühzeitig ins Wanken. Es scheiterte schon an der im Gesetz geforderten Menschenmenge, aus der heraus der Antifaschist gehandelt haben sollte. Er hatte als Einzelperson die Polizeikette durchlaufen und war vor dem NPD-Stand stehen geblieben, als die Neo-Nazis auf ihn losgehen wollten. Der couragierte Polizist griff ein, um eine Prügelei zu verhindern. Dabei mögen einige Broschüren zu Boden gefallen sein, doch den Infotisch habe der Angeklagte nicht umgeworfen. Selbst eine einfache oder versuchte Sachbeschädigung blieb nicht mehr übrig.

Vorsichtig versuchte die Verteidigerin eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen, denn ihr Mandant war kein unbeschriebenes Blatt. Vor acht Jahren war er wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamten und gefährlicher Körperverletzung zu sieben Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Strafe ist nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen. Seitdem blieb der 37-Jährige straffrei.

Mit der Einstellung des Verfahrens war der Staatsanwalt nicht einverstanden. Er wollte "klaren Tisch" machen und überraschte den Angeklagten und die Verteidigerin im voll besetzen Gerichtssaal mit dem Angebot eines Freispruchs. Er hatte eingesehen, dass die Anklagevorwürfe so nicht haltbar waren. Rasch schloss sich die Verteidigerin den Worten des Staatsanwaltes an, und auch Strafrichter Dr. Karl Schnelle zeigte sich zufrieden über den Verfahrensablauf mit seinem von ihm ausgesprochenem Freispruch.


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