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Vlothoer Anzeiger , 31.10.2005 :

(Vlotho) Volksfest Valdorf noch ohne Blick auf jüdische Geschichte / Mendel-Grundmann-Gesellschaft und Kirchengemeinde beleuchten das Schicksal der Mosheims vom Bonneberg

Vlotho (va). Der Ort hat soeben ein großes Volksfest gefeiert: "950 Jahre Valdorf". Dabei ließen viele Beiträge die Geschichte der ehemaligen Bauernschaft lebendig werden. Doch ein Kapitel, so Manfred Kluge aus der Mendel-Grundmann-Gesellschaft, wurde noch nicht gewürdigt.

Von Oliver Plöger

Die Rede ist von der jüdischen Geschichte. Jetzt plant der Verein, der sich seit vielen Jahren um das Andenken der Juden in Vlotho bemüht, gemeinsam mit der Kirchengemeinde Valdorf eine Veranstaltung, die sich speziell auf die Fabrikantenfamilie Mosheim bezieht. Manfred Kluge: "Die Mosheims haben auf dem Bonneberg bis 1938 die Papierfabrik betrieben. Mit ihrem leidvollen Schicksal in der NS-Zeit wollen wir uns beschäftigen."

Die Veranstaltung beginnt am Donnerstag, 10. November, um 19.30 Uhr im Valdorfer Gemeindehaus am Siekweg. Die thematische Einführung sollen Ausstellungsplakate der Mendel-Grundmann-Gesellschaft bieten, die unter dem Titel "Sie waren Bürger unserer Stadt" erstmals beim Geschichtfest in Vlotho gezeigt wurden.

Die bereits seit dem ausgehenden Mittelalter existierende Papierfabrikation auf dem Bonneberg wurde 1906 durch die Gebrüder Moses und Levi Mosheim übernommen. Sie bauten das Unternehmen nach industriellen Gesichtspunkten völlig neu auf, wie das Begleitbuch zur Ausstellung "Juden in Handel und Wandel der Weserstadt Vlotho" berichtet. 1938, so heißt es hier, stellte die Papierfabrik der Gebrüder Mosheim 2.525 Tonnen Pack- und Umschlagpapier aus Altpapier und Zellstoff her.

1938 waren die Mosheims gezwungen, den Betrieb im Zuge der "Arisierung" an nichtjüdische Käufer zu verkaufen. Die Firma "Union Werk Gesellschaft von Deylen" aus Visselhövede übernahm die Produktion und führte das Unternehmen bis 1966 weiter.

Im weiteren Fokus der aktuellen Veranstaltung der Mendel-Grundmann-Gesellschaft wird eine Lesung der "Mosheim-Briefe" stehen. Titel: " ... ob wir uns jemals wiedersehen." Die in Vlotho verbliebene Familie schreibt in teils beklemmenden Textdokumenten an den Auswanderer Herbert Mosheim in den USA.

Moderiert und geleitet wird der Abend von Pfarrer Christoph Beyer.

Vlothos Ehrenbürger Stephen Hans Loeb erinnerte sich Jahre später im Buch "Sie waren Bürger unserer Stadt" an die "Oase auf dem Bonneberg": "Es war ein angenehmer Spaziergang von der Stadt, und dort konnte man sich - von Spitzeln geschützt, die ja überall große Ohren hatten - über die sich mehr und mehr verschlechternde Lage aussprechen ... "

Weiter weist die Mendel-Grundmann-Gesellschaft auf die Kranzniederlegung um 14 Uhr am jüdischen Mahnmal hin, ebenfalls am 10. November. Vor Ort wird dann auch Bürgermeister Bernd Stute sein. Am Freitag, 11. November, wird es von 16.30 bis 17.30 Uhr eine Mahnwache am Collegium Humanum, der rechten "Bildungsstätte" auf dem Winterberg, am 12. November einen Erinnerungsgang geben. Start ist um 11 Uhr an der ehemaligen Papierfabrik. Die Veranstaltungen am 11. und 12. November wurden durch das Vlothoer Bündnis gegen das Collegium Humanum organisiert.


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