Vlothoer Anzeiger ,
02.11.2005 :
Ab März wird in Vlotho gestolpert / Endlich steht Datum fest, an dem Künstler Gunter Demnig die ersten Erinnerungssteine legt
Vlotho (BoDo). Von Rechts wegen ist alles in trockenen Tüchern und Spendenzusagen gibt es auch schon. Allein der konkrete Termin, an dem der Kölner Künstler Gunter Demnig die ersten "Stolpersteine" in das Vlothoer Pflaster setzt, stand noch nicht fest.
Von Bodo Kohlmeyer
In Minden wird Demnig im November in der Simeonstraße erstmals aktiv. Als das bekannt wurde, kam bei den Vlothoer Organisatoren etwas Unruhe auf, obwohl man hier wusste, dass die gesamte Koordination der Termine in den Händen von Demnigs Partnerin Uta Franke liegt.
Sie hatte im Juni einen Termin im März angekündigt. Allerdings lag bisher keine schriftliche Bestätigung vor, das hat sich jetzt geändert. Uta Franke bestätigte Dieter Ellerbrock gestern, dass Gunter Demnig im Zeitraum um den 10. März 2006 herum die ersten Stolpersteine in Vlotho setzen werde.
Der Verein Moral und Ethik (M&E) hatte im Winter den Kontakt zu dem Kölner Künstler hergestellt, als die Jahreshauptversammlung des Vereins beschlossen hatte, mit der Aktion "Stolpersteine" der von den Nazis ermordeten Vlothoer Juden zu gedenken.
M&E suchte dazu die Zusammenarbeit mit der Mendel-Grundmann-Gesellschaft, deren Mitglieder in der Jahreshauptversammlung im März beschlossen, das aller 43 verschleppten und ermordeten jüdischen Vlothoer Bürgerinnen und Bürger mittels der "Stolpersteine" gedacht werden soll.
Die Stadt Vlotho hat mit dem Verein Moral und Ethik im Juni einen Gestattungsvertrag geschlossen. Der Vertrag regelt, dass die Unterhaltung der zehn mal zehn mal zehn Zentimeter großen Betonsteine mit den Messingplatten dem Verein obliegt. Auf den Messingplatten werden die Namen und wichtigsten Daten der Menschen, an die erinnert werden soll und die im Pflaster zu sehen sind, eingraviert sein. Die Verkehrssicherungspflicht für den Gehweg und die Erinnerungssteine obliegt weiterhin der Stadt. Bei einer Verkehrsgefährdung kann der Stein von der Stadt entfernt werden.
Bevor jetzt Geld gesammelt werden soll, wollte man aber die Terminzusage von Gunter Demnig abwarten. "Als ich erfuhr, dass Demnig jetzt im November erste Steine in Minden setzt, habe ich sofort bei ihm angerufen. Im jüngsten Telefonat am gestrigen Tage versicherte der Künstler, dass er uns keinesfalls vergessen habe. Er bat um Geduld wegen des Termins und erklärte mir, wenn man sich mit der Erinnerung an die Juden bisher 60 Jahre Zeit gelassen habe, käme es auf ein halbes Jahr auch nicht mehr an", berichtete Dieter Ellerbrock, der Vorsitzende des Vereins Moral und Ethik. Ellerbrock betonte, dass M&E eng mit der Mendel-Grundmann Gesellschaft zusammenarbeitet. Dort seien die Daten bewahrt, die aufzeigen können, wo die Vlothoer Juden gewohnt haben. Die Entscheidung, an welche Vlothoer Juden mit den ersten zu setzenden Steinen gedacht werden solle und in welcher Reihenfolge es dann weiter gehe, liege in jedem Fall allein bei den Fachleuten der Mendel-Grundmann-Gesellschaft.
Denn die Steine werden wie in Bünde und jetzt auch in Minden in mehreren Etappen und nicht alle auf einmal gesetzt werden müssen.
Übrigens sollen die Stolpersteine nicht nur an die von Nazis ermordeten Juden erinnern. Das europäische Kunstprojekt hat auch die Vertreibung und Vernichtung der Sinti, Roma, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus im Blick.
Demnig hat seit 1993 mehr als 5.500 Steine in 97 Städten und Gemeinden verlegt. "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", sagt Gunter Demnig. Mit den Steinen will der Künstler die Erinnerung an die Menschen lebendig halten. Außerdem bedeute für ihn stolpern auch darauf stoßen.
redaktion@vlothoer-anzeiger.de
|