Bielefelder Tageblatt (BW) / Neue Westfälische ,
08.11.2005 :
(Bielefeld) Erinnerung an den "Verlorenen Raum" / Zum Gedenken an die Pogromnacht am 9. November 1938 / Synagoge am 9. November 1905 geweiht
Von Thomas Güntter
Bielefeld. Der 9. November ist in diesem Jahr ein ganz besonderes Datum. Zum einen erinnert der Tag – wie alljährlich – an die Pogromnacht vom 9. November 1938, in der jüdische Geschäfte zerstört, Synagogen angezündet und damit das Signal für den Völkermord an den Juden gesetzt wurde. In diesem Jahr jährt sich Jahrestag der Bielefelder Synagogenweihe zum 100. Mal.
Das Gotteshaus an der Turnerstraße wurde am 9. November 1905 eröffnet. Gleichzeitig ist es 300 Jahre her, dass Bielefelder Juden im Jahr 1705 ein gemietetes Haus am Klosterplatz, das als Synagoge genutzt wurde, erst in Privat- später in Gemeindebesitz übernahmen.
Eine Ausstellung des Stadtarchivs in Kooperation mit der Jüdischen Kultusgemeinde, dem Historischen Museum und der Volkshochschule soll an die Synagoge an der Turnerstraße erinnern. Titel: "Verlorener Raum Geschichte der Bielefelder Synagoge 1905 – 1938 – 2005". Die Ausstellung im Kleinen Saal der Volkshochschule in der Ravensberger Spinnerei wird im Großen Saal der VHS eröffnet Die Pogrom-Gedenkveranstaltung beginnt am morgigen Mittwoch um 17.30 Uhr am Gedenkstein an der Turnerstraße. Der Schweigemarsch zur VHS führt über die Turner-, Friedrich-Verleger- und Heeper Straße. Die Eröffnungsveranstaltung wird dort gegen 18 Uhr beginnen. Die Ansprache hält OB Eberhard David. Die Ausstellung dauert bis zum 4. Dezember.
Ein sechseckiger begehbarer Kubus aus je sechzehn Schautafeln innen und außen handelt vom Schicksal der älteren Bielefelder Synagoge am Klosterplatz und vor allem von der neueren Synagoge an der Turnerstraße. Neben Fotos und Textdokumenten der Schautafeln zeigen vier Vitrinen Kultusgegenstände. Darunter auch die Dokumentenrolle aus dem Grundstein. Darin waren das Protokoll des Preisgerichts, die Münzen des Jahres 1938, Tageszeitungen sowie die Vorstandslisten der jüdischen Gemeinde Bielefeld. Rund 900 Mitglieder gehörten 1905 zur Bielefelder Gemeinde. Der Grundstein wurde erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg gefunden und geborgen. Die Synagoge, durch den Brand schwer beschädigt, wurde von 1939 bis 1947 abgerissen. Erhalten geblieben sind die Baupläne. Denn die Zeichnungen waren nicht im Gotteshaus, sondern im Bauamt. Es waren Feuerwehrleute, die den Brand von 1938 gelegt hatten. Die Brandwache am Kesselbrink war 20 Meter entfernt. Die Wehr hatte Löschverbot, sie sollte nur das Überspringen des Feuers auf Nachbarhäuser verhindern. Die Öffnungszeiten der VHS sind montags bis freitags von 10 bis 18, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr.
Das Programm der Eröffnung
Es wirken mit die Chöre des Ratsgymnasiums und der Bodelschwingh-Schulen Bethel (Leitung: Dr. Armin Kantsteiner und Michael Witulski). Der Chor singt auch den 100. Psalm von Felix Mendelssohn Bartoldy, der 1905 zur Einweihung erklang. Hella von Wedelstaedt von der Musik- und Kunstschule spielt auf der Harfe. Die beiden Abiturientinnen Katharina Frick (Gymnasium Heepen) und Gesine Hahn (Ratsgymnasium) tragen das Einweihungsgedicht von Josefa Metz aus dem Jahr 1905 vor.
Sie beiden Lehrer Ulrike Klenner (Gymnasium Heepen) und Sebastian Reichelt (Ratsgymnasium) lesen aus der "Predigt zum Versöhnungstag" . Der Abiturient Johann Heinrich Voss (Rats) liest "Ein Abschiedsgedicht" von Berta Klaremeyer und der Abiturient Phillip Neuhaus (Heepen) liest das Gedicht "Verbrannter Tempel" von Karen Gershon.
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